6.Kapitel

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~Laubpfote~

Traubenpfote stupst mich leicht an der Schulter an und ich öffne schlagartig die Augen. Sofort muss ich an Herbstpfote denken. „Ist sie schon da?", frage ich meine Schwester reflexartig. Sie nickt stumm und begleitet mich aus dem Schülerbau. Die goldene Schülerin ist die Erste, die mir sofort ins Auge springt und ich trabe mehr oder weniger gelassen zu ihr.
Sie schaut mich abwartend an und legt ihren Schweif sorgfältig um die Pfoten. „Ich muss mit dir reden.", beginne ich das Gespräch. Daraufhin antwortet sie: „Na das will ich auch hoffen!"
Gelbpfote hat ihr bestimmt gesagt, sie soll mich ruhig etwas härter dran nehmen. Aber Herbstpfote meint es nicht so, dafür kenne ich sie zu gut.

„Ich habe dir Unrecht getan und dir nicht zugehört. Ich habe dich nicht wertgeschätzt und das tut mir aufrichtig leid. Du bist die beste Freundin, die man haben kann und ich bin ein mäusehirniges Fuchsherz! Bitte verzeih mir. Du hast mich als Freund nicht verdient, aber ich will es wieder gut machen." Herbstpfotes Augen glänzen rührend und es entreißt ihr ein glückliches Lächeln. Doch bevor sie ihren Mund aufmacht, muss ich noch etwas klarstellen: „Gelbpfote hat mir erzählt, dass du mich - ehm ich meine, dass du in mich verliebt bist...
Und das kann ich leider nicht erwiedern. Ich mag dich als Freundin und würde für dich sterben, aber ich kann dich einfach nicht lieben. Es tut mir leid, falls ich dir diesmal dein Herz zum zweiten Mal breche."

Ich vernehme ein trauriges Seufzen ihrerseits und Tränen dringen in Herbstpfotes Augen, aber sie blinzelt diese schnell weg: „Ich bin froh, dass wir wieder Freunde sein können, aber ich weiß nicht, ob ich das aushalten werde. Ich bekomme direkt Herzrasen, wenn du in meiner Nähe bist und kann meine Gefühle nicht verstellen oder verstecken. Du kannst nichts dafür, wenn du nichts für mich empfindest. Trotzdem denke ich, dass es für uns besser wäre, wenn wir uns voneinander fernhalten. Leb wohl Laubpfote..." Herbstpfote schluckt ihre Trauer hinunter und verschwindet im Anführerbau, weil sie dort alleine ist. Denn Rabenstern führt gerade die Abendpatrouille an.

Plötzlich fällt es mir schwer zu atmen und ich spüre einen schmerzhaften Stich im Herzen.
Ich will nicht, dass unsere Freundschaft endet.
Ich will nicht leb wohl sagen.
Im Momemt will ich einfach nur die Vergangenheit zurück haben.
Warum muss es so enden? Wir sind doch immernoch im selben Clan und werden uns wahrscheinlich jeden Tag sehen. Wie können wir beide dann jemals den Schmerz vergessen?

Minutenlang starre ich vor mich hin und alle meine Muskeln verkrampfen sich. Ich merke garnicht, dass Gelbpfote mich an der Schulter antippt. Ich drehe mich zu ihr um und mit einem Seufzen sagt sie mir: "Du hättest auf mich warten sollen." Doch ich schüttle nur deprimiert den Kopf. „Das hätte sowieso nichts geändert. Außerdem habe ich ja noch andere Freunde." Eigentlich ja nicht. Ich bin der einzige Kater im Schülerbau und meine Freunde sind meine Geschwister.
Ich weiß nicht warum, aber ich muss aufeinmal wieder an Schnee denken. An ihr schönes, weißes Fell und an ihr Versprechen. Ihr Versprechen, dass wir uns wiedersehen werden.

Kaum habe ich die Worte in meinem Kopf laut gedacht, erscheint Rabensterns schwarzer Pelz im Lagereingang. Er und seine Patrouille zwängen sich durch die schützenden Brombeerbüsche und stehen jetzt mitten im Lager.
Da erkenne ich sie. Die blauen Augen Schnees. Unsere Blicke treffen sich und sie lächelt mich leicht an. Dann schaut sie weg, denn es sollte niemand mitkriegen, dass wir uns schon kennen. Rabenstern führt die junge Einzelläuferin in den Anführerbau, gefolgt von Harzfluss.
Ob Herbstpfote immernoch dort drinnen ist? Oder hat sie sich unbemerkt raus geschlichen?

Ich verlaufe mich in meinen Gedanken und die Zeit vergeht, wie im Fluge. Nur die Stimme Rabensterns zieht mich wieder in die Realität zurück: „Alle Katzen die alt genug sind, um ihre Beute selber zu fangen, mögen sich hier unter dem Großstein zu einem Clantreffen versammeln!"
Ich gehe langsam nach vorne und setze mich. Links von mir lässt sich Traubenpfote nieder und gleich danach erscheint Gelbpfote an meiner Rechten. Wir alle schauen gebannt zu unserem Anführer. „Wolkenjunges und Pilzjunges werden endlich Schüler!", Flüstert Gelbpfote aufgeregt. Ich nicke und lege ihr sanft die Schwanzspitze auf den Mund, damit sie leise ist, denn ich habe schon Rabensterns Blick auf uns Ruhen sehen. „Heute haben wir uns versammelt, um unter anderem zwei neue Schüler ernennen zu können! Wolkenjunges, Pilzjunges tretet bitte vor."

Ehrfürchtig schauen die Jungen zu ihrem Vorbild und werden von ihren Eltern noch kurz ordentlich geputzt. Dann springen sie zusammen auf den Großstein und stellen sich ihrem Anführer gegenüber. „Wolkenjunges! Von nun an wirst du Wolkenpfote heißen! Ich selbst werde deine Ausbildung übernehmen." Wolkenpfotes Kinnlade klappt ungläubig herunter und er freut sich riesig. Er macht einen Schritt nach vorne und leckt die Schulter seines neuen Mentors, um ihm Respekt zu erweisen. Rabenstern leckt ihm über die Stirn und tritt dann zurück. „Pilzjunges! Von nun an wirst du Pilzpfote heißen! Ich habe mich mit Kräuterschweif beraten und wir kamen zu dem Entschluss, dass du ihr neuer Heilerschüler sein wirst. Möge der Sternenclan dich auf deinem Pfad stets begleiten!" Pilzjunges Augen glänzen vor Stolz und er schaut verlegen auf seine Pfoten. Dann geht auch er zu seiner neuen Mentorin und erhält ein paar aufmunternde Worte von ihr. Gelbpfote ist die Erste, die ihre Namen ruft: „Wolkenpfote! Pilzpfote! Wolkenpfote! Pilzpfote!" Der Rest des Clans stimmt mit ein und die neuen Schüler springen mit ihren Mentoren vom Großstein. Ich beglückwünsche sie kurz und sehe dann wieder nach oben.
Wo ist Schnee?

Bevor die Katzen sich alle abwenden und ihren Tätigkeiten wieder nachgehen ruft Rabenstern über die Köpfe der Katzen hinweg: „Halt! Die Versammlung ist noch nicht beendet. Wir werden noch eine weitere Katze im Schattenclan aufnehmen. Schnee!" Dann schickt er Harzfluss zum Anführerbau, um Schnee zu holen und Schnee klettert den Großstein hinauf.
Sie wird tatsächlich im Schattenclan aufgenommen. Ich danke Rabenstern so sehr. Ich frage mich wer ihr Mentor sein wird. Meine Mutter hat noch keine Schülerin... Aber Beerenfuß, Windohr und Weißflanke haben auch noch keine Schüler.

„Woher kommt denn jetzt aufeinmal diese Streunerin?! Wir haben doch schon Abendjunges aufgenommen und ich habe gedacht sie wäre eine Ausnahme.", beschwert sich Traubenpfote ungewollt laut.
Sie ist eine Einzelläuferin. Sie gehört nicht zu den Streunern!
Doch ich ignoriere sie und lausche nur Rabensterns folgenden Worten: „Wir begegneten Schnee auf der letzten Abendpatrouille und wollten sie aus unserem Territorium verjagen. Sie hat sich tapfer gewehrt und gekämpft wie eine wahre Kriegerin. Als sie sich dann von uns entziehen konnte, bat sie uns, sie in den Schattenclan aufzunehmen. Ich beriet mich Harzfluss und kam zu dem Entschluss, dass sie uns nur eine Bereicherung sein kann und jetzt stehe ich hier. Und rufe den Sternenclan auf, um auf Schnee herabzusehen und ihr ihren Kriegernamen zu geben."
Krieger?! Warum das denn?! Ich habe ja vermutet, dass sie zwei oder drei Monde älter als ich ist, aber das ihre Kriegerfertigkeiten schon so weit fortgeschritten sind wusste ich nicht.

Wir ehren deinen Mut und deine Tapferkeit und geben dir somit deinen neuen Kriegernamen. Schnee, von nun an wirst Schneeblüte heißen.", ernannte Rabenstern Schnee, die jetzige Schneeblüte, und schickte sie runter zu den anderen. Mehr oder weniger alle Clankatzen rufen begeistert ihren Namen, allerdings enthalten sich auch ein paar. Unteranderem Traubenpfote ruft ihren Namen nicht und das werde ich ihr wahrscheinlich noch nachtragen.
Als alle Katzen sich von Schneeblüte entfernt haben, geht sie auf mich zu. „Hallo, Laubpfote. Schön dich wiederzusehen. Ich habe doch gesagt, dass sich unsere Wege nochmal kreuzen werden."
Ich muss automatisch grinsen, aber flüstere ihr zu: „Rede nicht so laut. Meine Clangefährten wissen doch nicht, dass wir uns schon kennen." Sie zuckt nur gleichgültig mit den Schultern und senkt dann den Kopf. „Ich habe dir nicht die ganze Wahrheit über die Streuner gesagt. Ich gehörte mal zu Ihnen. Sie haben mich wie Dreck behandelt und ich habe es geschafft zu fliehen.", sagt sie mit zittriger Stimme. Ich schaue ihr entgeistert in die Augen. „Du tust mir Leid, aber jetzt bist du hier bei mir. Im Schattenclan bist du sicher, mach dir keine Sorgen."
Sie nickt unsicher und zwingt sich zu einem aufgesetzten Lächeln.

Dann zeige ich ihr noch das Lager und unsere Wege trennen sich gegen Abend, weil sie ja schon Kriegerin ist. Ich muss zugeben, dass ich ein bisschen neidisch auf sie bin.
Von Herbstpfote habe ich seit Schnees Ankunft nichts mehr gesehen und ehrlich gesagt habe ich auch garnicht mehr über sie nachgedacht. Schließlich hat sie unsere Freundschaft beendet.

Verschwundene Spuren | Warrior Cats FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt