Blue pov.
Als ich meine Augen öffnete, lag ich auf einer Wiese, im Schatten einer grossen Linde. Ich blickte in den Himmel und schaute den vorbeiziehenden Wolken zu. Ich roch das feuchte Gras unter mir und hörte die Grillen zirpen. Dieser Ort kam mir extrem vertraut vor, obwohl ich mich nicht entsinnen konnte, von wo ich ihn kannte.
"Blue, wo steckst du?", hörte ich jemanden rufen. Die Stimme kam mir so unglaublich bekannt vor, aber ich konnte sie niemandem zuordnen. Trotzdem setzte ich mich auf und versuchte die Person zu entdecken. Ein kleines blondes Mädchen kam in mein Blickfeld und als ich in ihre Augen blickte, wusste ich sofort wieder wer sie war. Wie konnte ich sie nur vergessen? Sie war es die mir doch immer am meisten bedeutet hatte. Lia, meine kleine Schwester. Sie hatte die selben leuchtend blauen Augen wie ich und schien stets unbeschwert durch die Welt zu gehen. Dies war auch einer der Gründe, weshalb ich sie so sehr mochte.
Als sie mich entdeckt hatte, rannte sie auf mich zu und schmiss sich auf mich, sodass wir beide wieder zusammen am Boden lagen. Ich begann sie zu kitzeln und sie begann zu kichern. Wie hatte ich dieses Geräusch vermisst. Ich genoss diesen Augenblick und hoffte er würde niemals enden.
Leider war mir nur allzu schmerzlich bewusst, dass diese Szene nicht real war. Zwar hatte sie einst statt gefunden, allerdings war dies Lange her. Damals war alles noch gut und mein Leben in Ordnung. Ich lebte mit meiner Schwester und meinen Eltern in einem grossen Rudel und hatte nichts um das ich mich sorgen musste. Wie man aber erahnen kann hatte sich dies jedoch stark verändert. Unser Rudel wurde überfallen und viele Werwölfe verloren dabei ihr Leben. Auch meine Eltern starben dabei. Lia und ich konnten uns glücklicherweise versteckt halten. Für einen Kampf waren wir beide zu schwach. Ich als Omega hatte nur selten das Kämpfen geübt und meine Schwester war schlichtweg zu jung um das Rudel zu verteidigen.
Wir hatten uns auf dem Dachstock eines alten Hauses versteckt und hofften, dass der Kampf schnell vorbeigehen würde. Bemüht kein Geräusch von uns zu geben drückten wir uns nahe aneinander und kommunizierten nur noch über unseren Link. So konnten wir uns nur durch Gedanken verständigen. Mein innerer Wolf Silver war sehr unruhig und ich konnte spüren, dass er sich grosse Sorgen um den Rest den Rudels machte. Aber wir konnten nichts unternehmen, wir sassen nur bewegungslos hier herum und warteten. Plötzlich fühlte ich einen Schmerz in meiner Brust und auch Silver jaulte leise auf. Meine Schwester schaute mich erschrocken an und ich wusste, dass sie das Selbe gespürt hatte. Eines unserer engsten Bindungen war gerissen und ich wusste das dies nur durch den Tod einer Person geschehen konnte. Vor meinem geistigen Auge konnte ich sehen, wie unser Vater starb. Nur kurze Zeit später verspürten wir wieder jenen Schmerz und sahen wie das Leben unsere Mutter verliess. Die Tränen liefen meine Wangen hinunter und ich fragte mich was nun aus uns werden würde. Von dieser Pein geplagt blieben wir noch viele Stunden reglos sitzen und kamen erst einige Zeit, nachdem der Kampflärm verstummt war wieder hervor.
Als wir das Gebäude verlassen hatten, erblickten wir eine grauenhafte Szene. Überall lagen tote oder schwer verletzte Wölfe, welche man zum Teil auch gar nicht mehr erkennen konnte. Auch unsere Eltern entdeckten wir auf dem Schlachtfeld. Meine Schwester starrte geschockt hinüber, worauf ich sie mit dem Gesicht an meine Brust drückte, damit sie dies nicht mit ansehen musste. Einen Augenblick später hörte ich ein bedrohliches Knurren hinter mit und drehte mich um. Ein fremder brauner Wolf stand dort und fletschte die Zähne. Er setzte zum Sprung an und ich drückte Lia noch fester an mich, damit sie unserem Ende nicht entgegenblicken musste. Der Wolf sprang ab und ich sah ihn auf uns zufliegen.
Plötzlich sprang ein Schatten vor uns und warf den Angreifer zu Boden, um ihm schnell das Genick durchzubeissen. Danach drehte sich der Wolf zu uns um und ich konnte ihn erkennen. Es war der Beta des Rudels, welcher sich schon früher immer um uns gekümmert hatte. Allerdings war in seinem Gesicht nichts mehr von seiner ehemaligen Freundlichkeit zu erkennen. Seine Augen trieften vor Hass und strahlten einen tiefen Schmerz aus. Mir war sofort klar was geschehen sein musste, da ich seine Gefährtin nirgendwo entdecken konnte. Vermutlich war sie ebenfalls in dem Kampf ums Leben gekommen.
Die Szene verschwamm vor meinen Augen und machte einer Neuen Platz. Ich sah mich mit meiner Schwester vor den Alpha treten. Dies geschah nur wenige Tage nach dem Kampf und wir hatten gerade erst unsere Eltern beerdigt. Der Alpha sah mich wütend an und knurrte: "Wie kannst du es wagen wieder vor mich zu treten! Du hast unser Rudel im Stich gelassen. Deinetwegen sind viele Mitglieder umgekommen. Du hättest kämpfen müssen und dich nicht wie ein Welpe verstecken sollen! Nicht einmal deine kleine Schwester hast du beschützt. Feige hast du sie nur an dich gedrückt und wäre mein Beta nicht eingesprungen, wäre sie jetzt tot!". Das ich dabei auch umgekommen wäre liess er hier weg und fuhr mit seiner Predigt fort: "Ab jetzt wirst du dich um deine Schwester kümmern und deine Schuld gegenüber dem Rudel abarbeiten. Wenn du dich nochmal weigern solltest zu kämpfen oder einer anderen meiner Anweisungen nicht folge leistest, werde ich dich eigenhändig umbringen!". Mit diesen Worten liess er uns aus dem Raum jagen und befahl mir schonmal mich am folgenden Tag in der Früh bei ihm zu melden.
Die darauf folgenden Jahre arbeitete ich als Mädchen für alles für das Rudel und bekam nur noch das Nötigste zum Leben. Wenn ich einen Fehler beging bekam ich Schläge oder einfach kein Essen mehr. Vermutlich wäre ich längst aus dem Rudel ausgetreten, allerdings hinderte mich meine Schwester daran. Ihr ging es hier im Rudel gut, sie hatte Freunde gefunden und fühlte sich wohl. Ich konnte sie nicht zurücklassen und wollte ihr auch keinen neuen Ort zumuten, schliesslich hatte sie immer noch Angst vor fremden Wölfen, da diese sie immer an jenen schrecklichen Tag erinnerten. Wir lebten beide in unserem alten Elternhaus und waren glücklich, bis zu einem schicksalhaften Tag.
Ich sah uns durch den Wald in unserer Wolfsform streichen und kleineren Tieren aufzulauern. Der Tag war beinahe schon fast zu ruhig und wir waren komplett ausgelassen. Leider waren wir dadurch auch etwas unaufmerksam, weshalb wir nicht bemerkten, wie sich uns langsam jemand näherte. Wir entdeckten den anderen Wolf erst, als er sich vor uns aufbaute. Meine Schwester erschrak zutiefst und ergriff sofort die Flucht. Daraufhin wollte der Fremde ihr nachstürmen, allerdings konnte ich dies verhindern, da ich mich ihm in den Weg stellte. Er knurrte mich an und kam mir schnell näher. Er schnappte nach meiner Kehle, allerdings konnte ich ihm gerade noch ausweichen. Mir war bewusst, dass ich keine Chance gegen ihn hatte, allerdings konnte ich Lia einen genügend grossen Vorsprung verschaffen, damit wenigstens sie in Sicherheit war. Der Wolf griff mich wieder an und erwischte diesmal meine Flanke. Warmes Blut floss aus der tiefen Wunde und ich konnte bereits spüren wie ich schwächer wurde. Immer mehr seiner Angriffe hagelten auf mich nieder, aber ich ging ihm nicht aus dem Weg. Schlussendlich brach ich zusammen und der Wolf stürmte an mir vorbei, allerdings war ich glücklich, da ich wusste, dass meinen Schwester nun vermutlich in Sicherheit war.
Einige Zeit darauf fand man mich und berichtete, dass man den feindlichen Wolf erledigt hatte, allerdings war nirgendwo eine Spur meiner Schwester zu finden. Der Alpha wurde daraufhin so wütend auf mich, sodass er mich aus dem Rudel verbannte. Ich wanderte lange ziellos durch die Gegend, bis mich Monsieur Pataud fand. Zunächst diente ich ihm als Jahrmarktsattraktion, bevor er mich dann in ein Forschungslabor brachte.
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Danke fürs Lesen, ich würde mich sehr über ein paar Kommentare freuen ;)
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Gefunden
WerewolfMein Name ist Blue ... oder war es zumindest einst, als meine Welt noch in Ordnung war. Seitdem hat sich viel verändert. Ich kann mich kaum noch daran erinnern wie es damals war, bevor ich hier hingebracht worden war. Aber dennoch möchte ich euch me...