"Ich säume liebentlang, ich säume liebentlang durchs Morgenlicht, längst lebe ich vergessen – im Gedicht.
Du hast es einmal mir gesprochen. Ich weiß den Anfang – weiter weiß ich von mir nicht. Doch hörte ich mich schluchzen im Gesang. Es lächelten die Immortellen hold in deinem Angesicht, als du im Liebespsalme unserer Melodie die Völker tauchtest und erhobest sie.
(Else Laskar-Schüler, 1943)27.06.1943
Es war ein schöner Nachmittag, als sie beschlossen spazieren zu gehen. Alles war gespenstisch leer, sie wussten nicht wieso, sie schoben es auf den Krieg der gerade herrschte. Noah spürte erst jetzt, mit der Hitze, die seinen Körper heimsuchte, dass Sommer war. Felix griff nach seiner Hand, umschloss sie mit seiner eigenen und erst wollte Noah sie zurückziehen, aber als er sah, dass er es tat, weil er sich stützen musste, ließ er sie dort verweilen. Felix's Bein ging es immer besser, doch er hatte manchmal noch immer Schwierigkeiten zu laufen. Noahs Magen knurrte, ihm war schon schlecht und er wusste, dass es Felix genauso ging. Sie liefen noch ein Stück, als Felix nicht mehr konnte und sich auf eine Bank setzte. Er starrte mit seinen braunen Augen irgendwie verbittert auf das zerstörte Feld und Noah fragte sich, wann er das glitzern und funkeln verloren hatte, gestern war es noch da. Noah sah in weiter Ferne einen kleinen Laden und das erste mal seit Tagen auch Leute. Sie hielten etwas in den Händen, Noah glaubte, dass es Waffen in der einen war und ein Eis in der anderen. Er leckte sich über die rauen Lippen und beugte sich zu Felix vor. "Bin gleich wieder da." hauchte er in sein Ohr und der andere nickte bloß abwesend. Er ging gemütlich zu dem weit entfernten Laden und als er an diesem angekommen war, sah er staunend auf das blaue Eis. Er war so darauf fixiert, dass er gar nicht mitbekam, wie ein simples Gespräch neben ihm eskalierte. Er schnappte sich einfach den Behälter und hatte unbewusst die schreckliche Situation des Streites ausgenutzt. Noah rannte, er rannte so schnell, wie er konnte und nur wenige Augenblicke später, war er bei Felix angekommen, der ihn mit einem sanften lächeln betrachtete. "Wir müssen wieder ein Stück zurück laufen, so schnell wie du kannst." erwiderte Noah schwer atmend und zog seinen Gegenüber auf die Beine. Sie liefen eine Weile, bis sie an einem Hügel angekommen waren und sich in das hüfthohe Gras setzten. Das Eis war schon ein wenig geschmolzen, aber trotzdem fielen sie wie Tiere wild darüber her. Obwohl es erst ein paar Tage her war, dass sie nichts mehr gegessen haben, fühlte es sich komisch an dies jetzt zu tun und nur nach wenigen bissen waren sie schon voll. "Woher hast du das Eis?" fragte Felix und blickte zu Noah, der das glitzern in seinen dunklen Augen wiedererkannte. Hatte es sich bloß versteckt? Hatte es Angst gehabt, sich zu zeigen? "Ich hab es geklaut." Beide fingen an zu lachen und legten sich in das Gras. Sie lagen dicht beieinander, betrachteten wie die Sonne hinter dem Horizont verschwand und plötzlich wurde alles still, bevor es so unendlich laut wurde. Noah schrie, Felix schrie und dann herrschte wieder verlorene stille. Vorsichtig, mit schmerzenden Gliedern setzte sich Felix auf, blickte auf das zerstörte Feld und dann zu Noah, der hustend da lag und noch immer in den Himmel starrte. Er spuckte Blut und panisch kroch Felix zu ihm. "Noah!" schrie er. "Felix." hauchte der andere und Tränen liefen ihm über das dreckige Gesicht, ob es wegen der Trauer oder wegen den Schmerzen war, wusste Felix nicht. "Ich liebe dich." Noah schloss die Augen, atmete schwach. "Ich liebe dich auch, Noah und jetzt öffne deine Augen, bitte." Noah lächelte. Felix zog ihm den Stock aus der Brust und drückte seine schmutzigen Hände auf die blutende Wunde, so hatte er es schließlich gelernt in der Schule. Wenige Augenblicke später, war Noah tot und Felix lehnte sich schluchzend gegen den leblosen Körper. Er blickte zu dem blauen Eis, was sich mit dem Blut vermischte und krallte sich in den weichen Stoff des anderen. Felix spürte, wie sein Herz zerbrach, er fühlte wie sich die einzelnen spitzen und kaputten Teile seines selbst in seine Organe bohrten und unerträgliche Schmerzen hinterließen. Er fragte sich, ob sich Noah genauso gefühlt hatte, er fragte sich, ob er nun ebenfalls sterben würde. Irgendwie sah Noah friedlich aus, wie er da lag und mit zitternden Händen strich Felix über sein bleiches Gesicht. Es war alles vorbei. Es ist, als hätte Felix mit Noah seine Gefühle verloren, als hätte er mit ihm immer geatmet und aufgehört als er es getan hatte. Felix hatte nicht mehr gelebt, nur noch existiert.
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𝐛𝐥𝐮𝐞 𝐢𝐜𝐞 𝐜𝐫𝐞𝐚𝐦. || [boyxboy]
RomanceDeutschland 1943, zwei Jugendliche philosophieren über blaues Eis, während Flugzeuge über sie zusammen brechen und der Hunger ihre Bäuche zum schreien bringt. Es scheint alles friedlich, als die Sonne hinter dem Horizont verschwindet, doch schon nac...