Wie auch jeden anderen gewöhnlichen Morgen, war das Erste, was Yoongi zu Gesicht bekam, seine jüngere Schwester, wie sie, die Hände in die Hüften gestemmt und mit einer Wasserflasche bewaffnet, durch sein Zimmer stolzierte.
Normalerweise würde es niemand, der ihn auch nur ansatzweise kannte, wagen, Yoongi aus seinem heißgeliebten Schlaf zu reißen, doch wie es unter Geschwistern nunmal so üblich war, machte Linya vor keinerlei Grenzen halt.
"Ich gebe dir noch zwanzig Sekunden.", drängelte die Jüngere sogar noch mehr, als sonst üblich, während sie unaufhörlich weiter durch die Gegend lief.
Beinahe könnte man annehmen, sie sei aus irgendeinem, unbekannten unfassbar nervös, bei diesem rastlosen Verhalten, jedoch fühlte sich Yoongi morgens oder generell nach dem Aufwachen nicht unbedingt in der Verfassung, seinen Kopf unnötig über die Angelegenheiten Linyas zu zerbrechen.
Sie würde es ihm ohnehin früher oder später mitteilen, wenn tatsächlich ein für sie bedeutendes Ereignis anstand, da Linya, egal wie sehr sie es wollte, einfach nichts lange in sich behalten konnte.
Als ihr Bruder trotz der vorherigen Ansage noch immer keine Anstalten machte, sein wohlig weiches Bett, so fern und geschützt vor dem Stress und der Anstrengung des Alltags, zu verlassen, fackelte Linya nicht lange und leerte, zumindest einen Teil der Wasserflasche direkt über dem Kopf des Älteren.
Zwar war dies bei Weitem nicht das erste Mal, dass das morgendliche Wecken Yoongis auf eine solche Art und Weise eskalierte, aber für jenen war es jedes Mal aufs Neue äußerst unangenehm, sodass er- zu Linyas Zufriedenheit- schneller auf den Beinen war, als man auch nur einen Ton von sich hätte geben können.
"Eines Tages bringe ich dich um, das schwöre ich.", zischte der Schwarzhaarige, von seiner Schwester allerdings mit keinerlei Beachtung beschenkt, da ihr vollkommen bewusst war, dass man solche Aussprüche Yoongis- vorallem am Morgen- nicht im Geringsten ernstzunehmen brauchte, ehe er im anliegenden Bad verschwand, um seine triefend nassen Haare wenigstens etwas wieder in Form zu bringen.
"Beeil dich dann mal, du hast nur noch an die zehn Minuten, bis wir los müssen.", erinnerte Linya zuletzt noch, bevor sie sich außerhalb von Yoongis Raum begab, was jener an dem markanten Knarzen seiner bewegten Zimmertür festmachen konnte.
'Wie lang wird es noch dauern, bis nicht mindestens ein schwererer Unfall aufgrund der Instabilität dieses Gebäudes geschieht?' war jene Frage, die Yoongi sich in den letzten Monaten, ja eigentlich sogar Jahren immer wieder gestellt hatte, denn genauso wie vermutlich jeder Außenstehende war ihm die Gefahr, der er sich tagtäglich aussetzte bewusst.
Doch was sollte ausgerechnet er schon dagegen unternehmen?
Wenn überhaupt, dann war seine Mutter die wohl einzige Person, die den Vater in seiner Meinung umstimmen konnte und selbst sie stieß auf ungebrochenen Widerstand.
Halbwegs zufrieden mit seinem Aussehen begab Yoongi sich schlussendlich nach unten, wo seine Schwester doch tatsächlich schon äußerst ungeduldig und zappelig vor der Tür bereit stand und das, obwohl ihr sicherlich noch mindestens fünf Minuten Zeit blieb, um ihre Benachrichtigungen auf jeglichen, sozialen Netzwerken zu prüfen.
Zum Frühstück schnappte sich der Schwarzhaarige lediglich ein trockenes Brötchen, welches er im Notfall auch unterwegs noch verzehren können würde und war, nicht zum ersten Mal, heilfroh, dass seine Eltern bereits sehr zeitig in der Früh zur Arbeit aufbrachen und somit nie anwesend waren, um die Morgenroutine der Geschwister zu kritisieren.
Der laute Knall der großen Haustür aus tiefdunklem Räuchereichenholz verhieß, dass Linya das Haus früher verlassen hatte, als es sonst der Fall war, obgleich dies Yoongi eigentlich relativ wenig interessierte, da sie es ohnehin vorzogen, getrennt den Weg zur Schule anzutreten, um bloß nicht miteinander gesehen zu werden.
Aber auch, wenn die Jüngere vergleichsweise zeitig aufgebrochen war, musste ihr Bruder sich allmählich wirklich sputen und war wirklich darauf angewießen, sein Frühstück während des Schulweges noch zu sich zu nehmen.
Die Straßen standen noch geschützt vor der Sonne, die, hinter den Gemäuern verborgen, nur so darauf zu brennen schien, die Stadt in den nächsten Stunden wieder in ihren glühend heißen Strahlen zu versenken.
Da er den viertelstündigen Weg allein bewältigen musste, weil Jimin nach all den Jahren noch immer von seiner Mutter zur Schule gebracht wurde und Hoseok exakt am anderen Ende der mittelgroßen Stadt lebte, blieb Yoongi einige Zeit, um seinen Gedanken nachzugehen und prompt landeten diese wieder bei dem fremden Jungen.
Obwohl er den Braunhaarigen allerhöchstens für dreißig Sekunden zu Gesicht bekommen hatte, ließ dessen Erscheinungsbild ihn einfach nicht mehr los, ganz gleich, in welcher Lage er sich gerade befand, sei es beim Schreiben, am Esstisch oder eben jetzt auf dem Schulweg.
Noch immer fragte Yoongi sich, was für eine Art von Mensch er wohl war, wollte die Person hinter dem desorientierten Jungen, der an jenem trocken-heißen Julitag auf den staubigen Marktplatz getreten war, kennenlernen.
Beinahe hätte er über sich selbst lachen können, wenn er sich seiner Gedanken mal so bewusst wurde, doch besaß auch Yoongi noch immer ein gewisses Schamgefühl, weshalb er das in der Öffentlichkeit sicherheitshalber unterließ.
Wie lächerlich es klingen musste, das Bedürfnis, jemanden kennenzulernen, über den man absolut gar nichts wusste, nichtmal einen solch banalen Anhaltspunkt wie das Alter.
Doch als der 17-Jährige genau den braunen Haarschopf, um den alles in seinem Kopf momentan kreiste zwischen der anwachsenden Masse an Schülern auf dem gepflasterten Hof seiner Schule erblickte, verwarf er all den Selbstspott und die Zweifel mit einem Mal und blieb wie angewurzelt mitten auf dem Gehweg stehen.
Der Junge trug noch immer haargenau die selbe Kleidung und selbst sein Blick schien kein Stück weniger verzweifelt, als am Vortag.
Eigentlich hatte Yoongi geglaubt, dass, falls er ihn überhaupt jemals wiedersehen würde, er dem Fremden sofort auf die Pelle gerückt wäre und ihn mit all den Fragen überschüttet hätte, die er sich im Laufe der Zeit gestellt hatte, aus welchem Grund auch immer er glaubte, ausgerechnet bei diesem Jungen die Antworten zu finden, aber stattdessen stand er einfach nur wie festbetoniert auf der Stelle, die Augen keine Sekunde von dem Braunhaarigen lösend, als wollte er sich jeden Zentimeter seiner Körpers genaustens einprägen und auf gar keinen Fall je wieder vergessen.
Doch auch die kurzen Momente, die einem selbst dennoch wie Ewigkeiten erscheinen, können sehr abrupt und viel zu früh enden, zum Beispiel durch einen Hoseok, der so laut und motiviert "Guuten Moorgeen, Yoongi!" durch die Gegend brüllte, dass man gar nicht anders konnte, als sich nach ihm umzudrehen.
......................................................................Heyyy,
Storytime: Ich habe wirklich erstmal nach einer passenden Holzart recherchiert, nur um die Haustür beschreiben zu können. Schenkt mir ein Leben.
Naja, ich muss jetzt den Got7 Livestream sehen, schönen Tag euch noch~
Man liest sich!
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Lost my way~Taegi
FanfictionGlaube an deine Träume, sagen sie. Verfolge deine Träume, sagen sie. Doch wenn es wirklich darum geht, dann wollen sie dich plötzlich aufhalten. Weg von hier war die einzige Möglichkeit, doch das Leben legt weiterhin Steine in den Weg. Wer sagt abe...