Sandwichkind

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Nun öffnete sich also die Tür und ich starrte in die Dunkelheit. Eine leise Melodie wurde auf und ab gespielt. Das Blut an meinem Nacken rann in ungleichmäßigen Abständen über meine Schulter, bis es in meinem weißen Baumwoll-shirt zu einem großen, roten Fleck wuchs. Die Melodie wurde bei jedem Schritt lauter, den er mit quietschenden Schuhen auf dem Parkett vollführte. Er wusste, dass ich es bereute ihm vertraut zu haben und doch nutzte er dieses weiter aus. Egal was ich jetzt tun würde, es würde tödlich für mich enden..

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„Stella Chester, du holst jetzt sofort deinen Koffer und schwingst deine 4 Buchstaben aus dem Haus, sonst verpassen wir unseren Flug!" ,ungeduldig stand sie mit ihrem lila-rosa Koffer vor dem Eingang und starrte auf die Uhr. Dieser Koffer besaß nun mal keine identifizierbare Farbe und das schlimmste war, dass meine Mutter ihn als blau beschrieb, was absolut nicht zutraf. Mit verschränkten Armen lehnte ich an dem Geländer neben der Treppe, die mit Fliesen belegt war. Starr sah ich ihr in die Augen und bewegte mich kein Stück. Dachte sie etwa ich würde wirklich einen Schritt aus diesem Haus wagen? Nein! Das konnte sie vergessen. Von Anfang an hatte ich ihr gesagt ich würde nicht auf diesen langweiligen Familienausflug zu unserer Tante in eine andere Gegend mit ihnen gehen. Wenn es New York, oder Paris gewesen wäre, eine Stadt die ich mir auch ansehen wollte, aber Boston? Was sollte ich dort? Ich pustete mir eine Strähne, aus dem herausgewachsenen Ponny, aus dem Gesicht. Die Haarpartie hatte ich bereits in den Scheitel gelegt, doch hin und wieder fielen sie in ihre alte Position zurück. Gelangweilt kaute ich auf meinem Kaugummi herum und öffnete meinen Mund absichtlich. Mal sehen wie weit sie sich provozieren ließ, denn dieses Gefühl, alles tun und lassen zu können, konnte mir in diesem Moment keiner wegnehmen.
„Halt die Klappe!" ,ein leichter Klaps auf den Hinterkopf, ließ mich in die qualvolle Realität eines Lebens mit einer großen Schwester zurückkehren. Die dachte wohl auch sie könne tun was ihr gerade so in den Kopf fällt. Wütend zerrte ich ihre Hand von mir weg, um ihr den selben dämlichen Klaps zu geben, den sie mir auch verpasst hatte. Doch Widerstand war zwecklos, denn leider war sie nunmal 18 und damit 2 Jahre älter als ich. Sie schob ihren Koffer, dessen Reifen auf dem Boden Laute von sich gaben, die erkennen ließen, dass dieses Gepäck schon älter als sie selbst war, hinter sich her. „Mum, du musst strenger mit ihr sein, sonst wird aus ihr nie was anständiges."
Ach, und das musste ausgerechnet sie sagen? Genervt gab ich auf und griff nach meinem Koffer und anschließend nach Katys, da sie ihn mir in die freie Hand drückte.
„Was soll das denn werden? Schlepp ihn selber!" ,doch da wurde ich von Dad unterbrochen. „Nein Schätzchen, sie hat ja schon Hannah an der Hand, da bist du doch wohl so frei, ihr den Koffer abzunehmen."
Ja hatten sich nun etwa alle gegen mich verschworen? Saßen sie abends zusammen am Küchentisch und schmiedeten neue fiese Pläne, wie sie mir eins reinwürgen konnten? Unkoordiniert rollte ich die beiden Koffer zum Kofferraum hinter und reichte sie Dad. Es war schon hart genug eine der nervigsten, besserwisserischsten großen Schwestern der Welt zu haben, aber wenn man dann noch eine kleine hatte, die mit einem Blick alles bekam was sie wollte und jedem vorgezogen wurde, konnte man sich doch nur noch die Kugel geben. Und da hatten wir es: Das Sandwichkind! Der Trottel der Familie, das war ich.
Ich verdrehte die Augen und setzte mich neben Hannah auf die rechte Seite, auf der Rückbank des Autos. Das konnte ja heiter werden. „Spielst du mit mir?" ,fragte meine kleine Schwester und drückte mir eine Barbie mit Frisur: Marke Hannah Chester in die Hand. „Nein", genervt warf ich die Puppe zurück. Am Besten wäre es, jeder von ihnen würde still sein und rede kein Wort. Gelangweilt kramte ich Kopfhörer aus meiner Tasche, die mindestens schon 2 Jahre alt ist und kurz vor dem Zerfall stand, da ich sie ständig für meine Schulsachen genutzt hatte.
Na schön gingen wir es an, es dauerte ja nicht lange bis wir am Flughafen waren, ich brauchte nur etwas Musik! Ich scrollte meine Playlist entlang, die ich extra für die Reise entworfen hatte, denn um ehrlich zu sein, hatte ich damit gerechnet, nicht der Art überzeugend zu sein, um nicht mitkommen zu müssen. Ich kniff kurz die Augen zusammen, als mir ein starker Windstoß in die Augen wehte. Dieses Fenster wollte nur leider nicht weiter aufgehen, da Dad wegen Hannah eine Kindersicherung einbauen ließ. Dieser kleine Zwerg! Wegen ihr musste immer alles anders laufen. Unvorsichtig holte ich meinen geschmacklosen Kaugummi aus dem Mund und quetschte meine Hand durch den offenen Spalt. Anschließend drückte ich auf den Knopf um das Fenster zu schließen.

Bloodline /The Beginning (✔️)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt