Flying Angel #JungleAward19 #iceSplinters19

Das Wiedersehen mit Tracey

Es war das erste Mal, dass ich mich mit Tracey wieder traf, nachdem ich versucht hatte, mich umzubringen und von Flying Angel losgekommen war. Sie wusste nichts davon, dass ich versucht hatte mich umzubringen und über What's App wollte ich sie darüber nicht informieren. Ich hatte sie gestern angeschrieben und ihr gesagt, dass ich momentan dabei war, mein Leben wieder auf die Reihe zu kriegen und sie gerne wieder sehen würde, um mich bei ihr zu entschuldigen.

Das letzte Mal, als ich sie getroffen hatte, war es vier Uhr morgens, ich hatte mich ordentlich zugedröhnt und bei ihr Zuhause geklingelt. Sie wusste sofort was los war und hatte mich angeschrien, ich solle aus ihrem Leben verschwinden. Ich bin damals noch ausgeflippt, nicht weil ich es wollte, sondern weil ich keine Kontrolle darüber hatte, was ich tat.

Jetzt, wo ich sie an unserem Platz zum ersten Mal wieder traf, konnte ich das mit meinem Selbstmordversuch nicht mehr vor ihr verbergen. Sie würde die riesigen Narben an meinen Armen sehen, die mich täglich daran erinnerten, dass ich sterben wollte.

Der Wunsch zu sterben war genau wie die Narben geblieben, aber ich musste mich jetzt zusammen reißen, durfte nicht wieder die anderen enttäuschen. Die anderen bestanden aus meiner Oma, sie war die einzige die nach all dem noch irgendwie zu mir hielt, sie war alt und krank und ich musste mich daran gewöhnen, dass sie bald auch aus meinem Leben verschwinden würde. Sie sagte immer, dass sie sich vor ihrem Tod noch wünsche, dass ich mich wieder mit meiner Mutter vertrüge, das würde allerdings nicht geschehen. Ich hatte momentan keinen Kontakt zu meiner Mutter, zu meinem Vater hatte ich noch nie welchen gehabt.

Ich wollte meine frühere beste Freundin nicht anlügen, wenn sie fragte, woher die Narben kämen, aber es war schwer es überhaupt auszusprechen.

,,Hey", sagte sie trocken und mit einem mitleidigen Blick. ,,Hallo." Ich umarmte sie wie immer. ,,Was ist passiert? Wieso hast du nichts gesagt verdammt, stell dir mal vor du wärst wirklich gestorben!" Wäre das so schlimm gewesen?

Jetzt würden die unangenehmen Fragen kommen und ich musste mir meine Worte zurechtlegen, um ihr so schonend wie möglich alles zu beichten. Egal, wie ich es ihr sagen würde, sie würde womöglich heulen wie ein Schlosshund und mich bemitleiden. Als kleines Kind hatte ich mir einmal den Arm gebrochen beim Spielen mit ihr auf dem Spielplatz und sie weinte die ganze Fahrt zum Krankenhaus, als hätte sie einen gebrochenen Arm, weil sie sich so sehr um mich sorgte.

,,Nein, mir geht es wieder gut, wirklich, Tracey. Nachdem ich von diesem Dreckszeug losgekommen bin, kann ich wieder glücklich und unabhängig sein. Du hattest Recht, einfach mit allem und ich hätte damit nie anfangen sollen, dann wäre es nicht so weit gekommen...Es tut mir leid, ich weiß, es klingt dahergesagt, aber ich meine es ernst." Versuchte ich mich bei ihr zu entschuldigen und möglichst um den heißen Brei herum zu reden, da ich sie nicht gleich mit den Infos zu meinem Selbstmordversuch belasten wollte.

,,Ich bewundere dich, Zelen. Du bist so stark, trotz allem, was passiert ist und so selbstbewusst, aber ich mache mir trotzdem Sorgen, auch wenn du sagst, dass es dir gut geht. Ich spüre, dass du auf dem richtigen Weg bist, ich bin stolz auf dich." Wieder dieses mitleidige, möchtegern interessierte Getue.

,,Ähm, danke." Ich brauchte sie als Freundin, also konnte ich ihr nicht einfach sagen, wie mich das ankotzte. Früher konnten wir uns alles sagen, jetzt war es nur noch Smalltalk und ein Erkundigen über meinen Zustand. ,,Setzen wir uns doch, schließlich wollen wir ja nen Kaffee trinken. " Sagte sie endlich und ich nickte. Wir bestellten und ich hatte längst keine Ahnung mehr, wie Kaffee eigentlich schmeckte, da ich solange meinen morgendlichen Kaffee gegen einen Schuss ,,Flying Angel" getauscht hatte. Das Zeug widerte mich inzwischen an, wenn ich nur drüber nachdachte, wie ich mir jeden Tag unzählige Male einen Schuss gesetzt hatte und meine Venen schon ganz zerstochen und taub waren durch die Stiche.

,,Aber jetzt erzähl mal, was ist mit deinem Arm passiert?" fragte sie, als erkundigte sie sich über meinen letzten Ski- Urlaub.