Die Monotonie des Alltages

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Damals lernte ich auf der Toilette Samira kennen, sie hielt mir die Haare aus dem Gesicht während ich kotzte und legte mir kalte Tücher in den Nacken. Dann hatte sie mich ihren Freunden vorgestellt, sie hießen Frace, Tommy und Angel. Angel war allseits bekannt, sie verkaufte den Stoff und führte ein Leben in Saus und Braus, wie meine Oma sagen würde. Sie hatte Gucci Handtaschen voll mit Koks, High- Heels mit Diamanten als Zierde und lange, meist zitronengelbe Gelnägel. Sie hatte mich vom ersten Moment an beeindruckt, eine Person wie sie hätte ich unter normalen Umständen nie kennengelernt. 

Ich wusste noch, wie ich mich wieder wie ein Küken in ihrer Umgebung gefühlt hatte, sie zogen noch weiter in ein paar Bars und nahmen mich mit. Lara und ihre Freundinnen waren zu diesem Zeitpunkt längst wieder bei ihr Zuhause gewesen, sie hatten mich verarscht wie so oft und ich war darauf hineingefallen - wie immer. Ihr Plan ist es gewesen, mich abzufüllen und dann Bilder davon zu schießen, doch sie hatten schnell das Interesse verloren und mich in der Menge stehen gelassen, da sie auf ein paar Typen trafen. 

Angel war inzwischen tot, sie ist Opfer ihrer eigenen Droge geworden und darum beneidete ich sie noch immer: sie war tot - und ich nicht. Ich musste mich mit dem ganzen Scheiß rumschlagen, Therapien machen und arbeiten. 

Ich versuchte nicht all zu oft Angel, die mit richtigem Namen Penelope hieß, nachzutrauern, da es mich traurig machte, an sie zu denken und zu wissen, dass sie nicht mehr da war und es nie wieder sein würde. Ich wollte mir auch nicht einreden, dass man sie als eine beste Freundin hätte bezeichnen können, da sie daran Schuld war, dass ich so tief abgerutscht war. Ihr die Schuld dafür geben konnte ich genau gesehen auch nicht, ich hatte mir schließlich alles selbst eingebrockt und sie hatte mir nur die Mittel dazu gegeben.

Montagmorgen hatte ich eine Therapiestunde, mein Therapeut wollte mit mir die Bar besuchen, in der ich mich das erste Mal vollgedröhnt hatte. Er sagte, es würde mir helfen "meine Panikattacken besser zu verstehen". Ich fragte mich nicht, ob das etwas half, ich wollte die Therapiestunden nur so schnell wie möglich hinter mich bekommen. Kein Mensch betrat montagmorgens eine Bar, und schon gar nicht mit seinem Therapeuten. Natürlich bereute ich es, ihm von der Bar überhaupt erzählt zu haben, sobald wir eintraten. "Zwei Cola, bitte", sagte er zum Barkeeper und ich schämte mich jetzt schon. Er holte seine dämliche Brille aus der Ledertasche und legte seinen Notizblock auf den Tisch. Alles in mir schrie "Verpiss dich!", doch ich blieb nur regungslos sitzen.

"Also, wie fühlst du dich? Was geht dir gerade durch den Kopf?", fragte er. "Ich habe-", setzte ich an, doch da kamen auch schon die Getränke. "Hier, Ihre Bestellung. Lassen Sie sich's schmecken." Der Kerl grinste dreckig, genau wie damals, als ich mit Angel hier meinen ersten Radler bestellt hatte.
Er kam auf mich zu, wackelte mit den Augenbrauen und ließ mich bedrängt fühlen. Hör auf! Hilfe, hör doch auf, ich kann das hier nicht! Panisch und todesängstlich sah ich zu meinem Therapeuten, der allerdings weg war. Wie durch Watte konnte ich nur noch seine Stimme vernehmen: "Zelen... Kämpf dagegen... Es sind die Halluzinationen, es ist alles nur ein Déja-vu... gleich vorbei..."

Flying Angel #JungleAward19 #iceSplinters19Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt