Weinend und schnellen Schrittes lief ich zur Bahnhaltestelle, die Leute starrten mich an, aber niemand fragte, was los war.
,,Rachel?", schluchzte ich in den Hörer. ,,Was ist denn los, Zelen?!", fragte sie entgeistert. ,,Können wir uns treffen?", fragte ich und wischte mir die Tränen aus dem Gesicht. Ich stieg in die nächste Bahn ein, ganz gleich, ob sie in meine Richtung fuhr. ,,Du, hör mal, ich sitze hier halt grad mit meinen Leuten... aber komm doch, ich wollte sie dir eh vorstellen." Lud sie mich in die Bar ein und ich legte dankbar auf.
Zielsicher stieg ich in die nächste Bahn, noch drei Stationen, dann würde ich Rachel sehen können. Ich richtete meine Haare schnell in der Scheibe der Bahn und trug etwas Lipgloss auf, der seit Ewigkeiten in meiner Handtasche gammelte und wohlmöglich bereits abgelaufen war.
Nach einer halben Ewigkeit kam ich endlich an. Von der Haltestelle zur Bar waren es nur ein paar Straßen, ich kannte den Weg im Schlaf. Ich wischte mir die Wimperntusche, die von meiner Heulattacke zerlaufen war, vom Gesicht und band meine Haare, die ich zuerst offenlassen wollte, zu einem Zopf. Fürs Offen-lassen waren sie viel zu fettig, aber ich musste mir erst neues Shampoo kaufen und viel Geld hatte ich momentan nicht zur Verfügung, ein Teil meines Einkommens musste ich für die Wohnung bezahlen, damit die Leute vom Jugendamt wussten, dass ich arbeitete oder so nen Scheiß.
Der andere Teil ging für das Abbezahlen meiner Schuldenberge drauf. Wenn ich früher high war, endete dies oft mit Ladendiebstahl. Dann gab es noch ein paar Anzeigen wegen Sachbeschädigung und auf Knast hatte ich auch keinen Bock. Alle anderen Ausgaben wurden strukturiert von meinem Sozialarbeiter-Depp in einem Buch zusammengefasst.
Ich freute mich darauf, wenn ich diesen Sommer Achtzehn werden würde, dann hätte keiner mehr Kontrolle über meine Ausgaben.
,,Zelen, schön, dass du da bist." Begrüßte mich Rachel, als ich die Tür des Lokals betrat. Der Geruch aus Schnaps und vermoderten Möbeln stieg mir in die Nase, auch Rauch war dabei, obwohl man hier drin schon lange nicht mehr rauchen durfte. ,,Wer ist denn so früh schon in einer Bar?", fragte ich sie, als mir auffiel, wie gefüllt die Bar tatsächlich um diese Uhrzeit war.
,,Wir?", lachte sie und küsste mich zur Begrüßung auf die Wange, sie roch nach Schnaps und Menthol-Zigaretten, doch ich genoss den Geruch irgendwie. ,,Komm jetzt, meine Freunde warten schon", sagte sie und wir liefen durchs Dunkle an den Tischen vorbei.
Ein Jazz-Musiker spielte sanfte, schräge Töne, doch niemand schien den verwahrlost aussehenden Mitte- vierzig-jährigen zu beachten, nicht einmal er selbst. Ich achtete nicht mehr darauf, wohin Rachel mich zog, fühlte nur ihre kalte, sanfte Hand an meiner.
DU LIEST GERADE
Flying Angel #JungleAward19 #iceSplinters19
Teen FictionNachdem Zelen es geschafft hat, endlich clean zu werden, versucht sie, ihr neues Leben zu beginnen, merkt jedoch, dass dies schwieriger ist als gedacht und sie nur noch Opfer ihres monotonen Alltages ist und vor sich hin vegetiert. Sie entscheidet...