1. Eintrag

326 17 7
                                    

Liebes Tagebuch ( wenn man so normalerweise anfängt, ich habe noch nie ein Tagebuch besessen, in der vierten Klasse vielleicht eines von Diddl)

Ich weiß nicht einmal, wieso ich schreibe, vielleicht ist es, weil ich nach meinem Tod nicht vergessen werden will. Das hier ist kein Abschiedsbrief, es ist meine Geschichte. Ich weiß nicht, ob das jemand lesen wird, ich weiß nicht, ob ich will, dass das je jemand ließt. Ich will nicht, dass diese Seite meine erste und letzte ist, das könnte ich nicht ertragen. Mein Leben, die Seiten meines Buches sind noch nicht gefüllt, viele davon sind noch leer, aber will ich dieses Buch zu Ende schreiben, oder will ich es schon nach der Hälfte beenden und es wegschmeißen? Ich bin zwiegespalten und doch bin ich mir im Klaren, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis ich alle Seiten auf einmal aus dem Buch reiße, aus meinem Leben. Ich weiß, dass ich nicht so weiter machen kann und ich spreche nicht davon, dass ich etwas an meinem Leben ändern will, geschweigedenn kann. 

Ich weiß nicht, wieso jeder mich so sehr hasst, oder was ich falsch gemacht habe, aber ich kann das alles nicht mehr und ich will es auch alles nicht. Bei allen anderen geht's voran und dann bin da ich, alles, was ich anfasse, zerstöre ich, weil ich so dumm bin.

Wenn ich den Leuten sagen würde, was wirklich mit mir los ist, würden sie mich je wieder ansehen können wie zuvor? Nein, sie würden jede meiner Handlungen genau analysieren und studieren, um sicherzugehen, dass ich mich nicht umbrächte, dass sie am Ende nicht die Schuld tragen müssten. 

Ich hatte mal eine beste Freundin, aber wir haben uns auseinander gelebt, wie man so schön sagt. Die Wahrheit aber ist, dass ich es nicht mehr ertragen habe, wie sie mir ständig die Ohren damit vollheulte, was für ach-so-schlimme Probleme sie hätte. Sie fragte mich nie, wie es mir eigentlich ging; wenn ich versuchte, mit ihr über meine Gefühle zu reden, dann sagte sie nur, ich solle mich nicht so anstellen, nicht so reinsteigern.

Kurz darauf begann sie dann wieder damit, von ihrer angeblichen Leere zu sprechen. Diese Leere war, wenn du mich fragst, mangelnde Aufmerksamkeit. Sie hatte doch keine Ahnung, wie es einem erging, wenn man wirklich nichts mehr dachte oder fühlte, oder zu schlapp war, um aus dem Bett zu kommen. Wenn man nur noch versuchte, die Tage hinter sich zu bringen, ohne Aussicht auf irgendeine Veränderung oder gar Besserung. 

Dear suicide diary,...#WaveAward2019 #iceSplinters19Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt