XI

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Ich wollte Zachary gerade hoch in mein Zimmer führen, als er stehen blieb und sich suchend umsah.
"Was ist los?" fragte ich verschnieft und erinnerte mich so daran, dass ich immer noch die Taschentücher besorgen—und dringend benutzten—musste.
"Nichts, ich wollte nur wissen wo die Küche ist."
sagte seine tiefe Stimme abgelenkt. Warum das denn? Hatte er etwa Hunger? Oh Gott, ich hatte ihm immer noch nichts angeboten! Eine schlimmere Gastgeberin gibt es ja wohl kaum. "Gibt es dafür einen bestimmten Grund oder hast du einfach mal ab und an eine Fressattacke?"
fragte ich deswegen nach. Er hörte auf sich suchend umzublicken, drehte sich zu mir um und grinste.
"Nope, keine Sorge." sagte er geheimnisvoll, mich so im dunkeln tasten lassend.
"Hast du Hunger? Entschuldige, dass ich dir noch nichts angeboten habe. Ich bin eine schlechte Gastgeberin, ich weiß, brauchst mich nicht darauf aufmerksam machen. Das ist ja jetzt sowieso nicht wichtig, also hast du Hunger oder nicht? Denn wenn du Hunger hast, muss ich wissen was du haben willst, dann kann ich das machen. Eigentlich sollte ich vielleicht erstmal ein Taschentuch holen, sonst rotzte ich wahrscheinlich alles voll, kein wirklich schönes Bild, oder? Vielleicht hast du aber auch keinen Hunger, aber das würde eigentlich nicht erklären wieso du wissen willst wo die Küche ist, denn da geht man ja hin, wenn man was zu essen will, also—"
Zachary unterbrach mich lachend. "Keine Sorge," kicherte er tief, "Ich wollte nur wissen wo die Küche ist um dir eine Suppe zu machen, gegessen habe ich schon, da du dir ja so viele Sorgen machst." grinste er weiter.
Ups.
Peinlich.
Mein Gesicht wurde von Wärme überflutet und ich wusste, dass mein Gesicht gleich mit einer reifen Tomate verglichen werden konnte. Super, total toll, besser ging's ja gar nicht, echt.
Dann wurde mir bewusst was er gesagt hatte und mir wurde noch wärmer. Er wollte mir eine Suppe machen? Gott, wie süß war das denn? "Also? Ich fand deinen Monolog ja echt niedlich, aber würde trotzdem gerne wissen wo diese verdammte Küche sich jetzt befindet."
Oh, ja, das wäre vielleicht eine gute Idee. "Ähm, ja. Den Flur runter und rechts," gab ich ihm seine gewollte Antwort, welche ihn veranlasste den Flur, logischerweise, entlang zu laufen. Als er den Weg entlangging, blieb ich für einen Moment stehen, ich wusste einfach nicht was ich von dieser Situation halten sollte.
"Ähm, bist du sicher du willst in meiner Nähe sein? Wenn ich krank bin sollte man Abstand nehmen. Also zumindest sagt das meine Familie, die kann aber auch super lügen, also würde ich meine Hand dafür nicht ins Feuer legen, weißt du?" Rief ich ihm nach, bevor ich ihm hinterherjoggte. Ich hatte nicht wirklich eine andere Wahl, oder?
In der Küche traf ich auf den Jungen der mit Töpfen, Pfannen und Messern fleißig hantierte und es dabei sogar schaffte mir meine Frage zu beantworten.
"Ich bin mir zu 100% sicher, dass ich dir eine Suppe machen will, damit es meinem Cupcake bald bessergeht." Zwinkerte er meinem knallroten Gesicht zu. Bin das eigentlich nur ich oder wird jedes Mädchen bei so etwas rot? Wahrscheinlich nur ich.
Was sollte es bei meinem Glück auch anderes sein? Ich bin so ziemlich auch die einzige, die in meiner Familie braune Augen hatte. Meine Mum? Grau. Meine Oma hatte schöne Grüne, mein Dad hatte unfassbar blaue und mein Bruder hatte grün-graue. Fairness war in unserer Familie ja mal sowas von nicht vorhanden. Wer will schon braune Augen? Leute können sich gerne melden, denn ich gehöre definitiv nicht dazu. Wieso konnte ich nicht graue Augen haben? Oder wenigstens ein Grün? Nein, ich habe natürlich die Farbe einer äußeren Kokosnuss. Toll, super, phänomenal, absolut fantastisch!
"Linda? Irgendeine Antwort auf meine Frage oder wird das nichts mehr?" Riss mich eine winkende Hand vor meinen Augen aus meinen Gedanken. Überrascht schaute ich auf und in das Gesicht von Zachary. "Hm?"
er schüttelte auf meine Antwort den Kopf.
"Ich habe dich gefragt ob du irgendeine spezielle Suppe willst oder es dir komplett egal ist. Antwort?" wiederholte er.
"Oreos."
"Oreos?" Wiederholte er verblüfft.
"Oreos. Schmecken gut und man muss nicht mal was dafür machen" Erklärte ich stolz. Ich hatte schließlich eine Lösung für das Kochen und Warten gefunden, okay? Er musterte mich zuerst verwirrt, wahrscheinlich um zu gucken ob ich ihn nicht verarschte, dann fing er an zu glucksen und schüttelte seinen Kopf in Unglauben. "Kannst du die überhaupt schmecken?" Fragte er skeptisch. Ich verschränkte kämpferisch die Arme. "Natürlich. Ich bin ja nur ein bisschen verschupft, nicht Tod-Krank." Machte ich ihm bewusst. Er sah mich einfach nur an und ich wusste jetzt schon, dass es unmöglich sein würde ihn davon zu überzeugen, nichts für mich zu kochen.
Immer diese Sturköpfe.
"Nein, ich mache jetzt eine Suppe. Oreos schmecken hin oder her, helfen tun sie dir nicht damit schneller gesund zu werden, oder?" Was habe ich gesagt? Ich bin aber zu seinem Verlust nicht bekannt schnell aufzugeben.
"Und wer sagt das Oreos einem nicht helfen schneller gesund zu werden? Hast du Studien, die das beweisen? Leute, die das bezeugen können?"
Ich weiß, das hier ist verdammt kindisch, mir bewusst. Nur weil er mir was Gutes tun will? Ja, ich war halt einfach scheiße in dem Terrain Sachen für mich machen zu lassen oder Leute hinter mir her putzen zulassen.
Jetzt war auch in Zacharys Augen ein kämpferisch glitzern zu finden.
Super.
"Und wer kann beweisen, dass Oreos dir guttun? Ich kenne nämlich niemanden der das sagt." Erwiderte er schnippisch.
Großartig, jetzt machte er einen auf Macker, mit seinen besserwisserischen Fakten. "Wer kann es beweisen?" imitierte ich ihn. "Ich! Mir geht schon viel besser nachdem ich was Süßes gegessen habe, dass bringt mein verstopftes Gehirn in Schwung und lässt dich glauben dir geht es direkt besser." behauptete ich stolz.
Er hob langsam eine Augenbraue.
Und dann die andere.
Toll, er glaubte mir nicht. "Das heißt, wenn man ganz fest daran glaubt, funktioniert es auch?" versicherte er sich und weil es sich richtig anhörte, nickte ich.
(Zu meiner Verteidigung, ich war krank.)
Er fing an zu lachen.
Und nicht nach dem Motto dein-Witz-war-echt-lustig, sondern nach dem Motto Gott-du-ist-echt-nicht-die-hellste. Er jetzt realisierte ich, wozu ich genickt hatte.
Scheiße.
"Ich meinte das gar nicht, also ich meine das ich gar nicht gelacht habe, ok? Das hast du dir nur eingebildet, ich stimme dir nämlich überhaupt nicht zu, nur um das klarzustellen, ok? Ich meine, du hast mich ja in die Situation getrickst—"
"Natürlich." Unterbrach er mich, während er immer noch die Augenbraue in die Höhe gezogen hatte.
Wieso müssen sich eigentlich alle über die Leute lustig machen, die tollpatschig sind? Ich finde Leute wie Zachary (also Leute die mühelos alles bei ihrem ersten Versuch perfekt gebacken bekommen) sind jetzt mal an der Reihe!
Ich meine, die haben ja schon ihr ganzen Leben mit dieser Eleganz zu kämpfen gehabt, da muss man ihnen ja mal unter die Arme greifen, so kann das ja nicht weiter gehen!
Zurück zum Thema.
"Ja, hast du, du Eleganz-brocken. Habe ich das gerade wirklich gesagt?" fragte ich mir selbst.
"Was ist nur los mit mir?" sprach ich weiter und schaute an mir herunter. "Ich bin krank, natürlich! Es gibt absolut keine andere Erklärung, offensichtlich. Ich hätte das sonst nämlich nie gesagt, ich bin ja komplett dämlich . . . es ist deprimierend." Stellte ich letztendlich seufzend fest.
Vor mir machte sich der Junge wieder bemerkbar, indem er leicht lachte.
Es war kein lachen, in welchem er sich über mich lustig machte, sondern ein amüsiertes, liebes.
Süß.
"Du brauchst diese Suppe mehr als ich dachte." Stellt er fest, während er mein Kinn anhob und mich so in seine Augen schauen ließ. Ich war nur circa eins-sechsundneunzig und er war mindestens eins-neunzig. Wieder ein Klischee. Der große Kerl und das kleine Mädchen.
Als seine Worte bei mir ankamen verschränkte ich empört die die Arme.
Fiesling.
"Du findest also ich habe eine psysische Krankheit habe?"
"Wie kamst du denn da drauf, ich habe doch nur gesagt, dass—"
"Ich habe gehört was du gesagt hast, Eleganz-brocken."
"Eleganz-brocken? Warum denn das?" fragte er nun verwirrt.
Bitte lass mich nicht rot werden, bitte lass mich nicht rot werden, bitte lass mich nicht—
Ich wurde rot.
Verdammt.
"Ähm . . . das habe ich gar nicht gesagt!" Er schüttelte einfach nur den Kopf. "Ich mach dir jetzt deine Suppe, gegen Brühe hast du nichts, oder?"

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