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Ich war frustriert.
Wenn man frustriert war, konnte man das als aufkochende Mischung aus Wut und Verzweiflung beschreiben und desto mehr sie droht überzukochen, desto näher ist man logischerweise einem total-Ausfall.
Man konnte es natürlich auch als wütendes hin und her stampfen beschreiben und dabei so viel, laut und nervend fluchen, dass sogar die Großmutter vorbeischaute um festzustellen ob man nicht schon einen Herzinfarkt erlitten und dabei nicht mal sein Problem gelöst hatte und drauf und dran war, elendig zu verrecken.
So könnte man auch meine jetzigen Situation ziemlich gut in Worte fassen.
Um mal zu erklären in was für einer schrecklichen Lage ich mich gerade befand: Ich musste für einen Mathearbeit lernen. (Hier hätte eigentlich auch nur ein Wort gereicht um meine Misshandlung zu beschreiben: Mathe) Offensichtlicherweise konnte ich nicht einfach sagen, dass ich die Aufgaben nicht verstanden hatte. Also das könnte ich schon, mehr als eine 6 in der Arbeit würde es mir aber leider nicht bringen.
Gerade zu einer neuen Schimpftirade anlegend, steckte mein älterer Bruder Thomas seinen Kopf durch die Tür "Kannst du bitte mal deine Fresse halten? Du bist nicht die einzige in diesem Haus die lernen muss, nur die einzige bei dem es jedem am Arsch vorbeigeht." letzteres sagte er grinsend.
Und das hätte er nicht tun sollen.
Ich, als gebürtige und stolze Halbspanierin, hatte es nämlich nicht so mit Befehlen und obwohl das meinem Bruder sehr wohl bewusst war, war ihm das im selben Moment wahrscheinlich genauso egal. Ich sah ihn für eine Sekunde sprach- und fassungslos an bevor ich mich fasste und mit dem Fuß aufstampfte.
Sehr erwachsen, dessen war ich mir voll und ganz bewusst. Ich wollte gerade dazu ansetzen im mal richtig meine Meinung zu sagen, als er mich auch schon wieder unterbrach "Ich hab' echt keinen Bock mir jetzt deine Beleidigungen anzuhören, also: wenn ich jetzt verschwinde und in den nächsten 24 Stunden nicht mehr auftauche, kannst du dein Maul halten, oder?" Ich musste ein Schmunzeln zurückhalten. Er kannte mich zu gut, denn das waren genau die Dinge, die Thomas tun musste um mich glücklich zu machen. zumindest fast. "Ich bring' dir auch Nervennahrung, keine Sorge. Das war in meinem Angebot mit eingeschlossen." Ich hatte schon am Anfang des Satzes wie wild angefangen zu nicken und so lief er lachend runter, nur um ein paar Minuten später mit Oreos, Gummibärchen und sogar Ferrero Rochers wieder in meinem traumhaften, gemütlichen Zimmer aufzutauchen. "Da hast du's. Jetzt will ich aber auch keinen Mucks mehr hören, verstanden?" prüfend musterte er mich für ein paar Sekunden mein Gesicht, bevor er seinen Körper ――aus meinem Zimmer bewegte und mich mit meiner großen Liebe zurückließ. Laut―Ich korrigiere: komplett leise――jauchzend viel ich mit meinen Babys in den Armen auf mein Bett und war schon kurz davor in meine Einhorn-Zucker-Süßigkeiten Traumwelt zu versinken, als ich ein Papier knistern hörte. Ich stand auf, nur um festzustellen, dass sich ein Blatt meiner Matheübungen unter mich breitgemacht hatte. stöhnend nahm ich es in die Hand und ließ sogleich meine Engel fallen. Ich wollte mich gerade runterbücken, als sich eine kleine, nervige Stimmte in meinem Hinterkopf meldete.
du weißt, dass es so fürs beste ist. Du musst dich noch richtig reinhängen um deine jährliche 4 einzusacken
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Och Mann! Ich wollte doch meine Lieblinge an einen besseren Ort―meinen Magen―verschwinden lassen, mich dann mit Netflix und einer kuschligen Decke in mein liebliches Bett verkriechen und die Arbeit vergessen.
Fehlanzeige, würde ich mal sagen. Ich bin nämlich da um dich davon abzuhalten.
Danke, ich weiß es wirklich gar nicht zu schätzen. Noch einen sehnsüchtigen Blick auf mein Bett werfend, wandte ich mich schließlich doch meinem Boden, und so auch meinen Übungen, zu. Ja, ihr habt richtig gehört: dem Boden. Ich kann das nicht nur vollkommen empfehlen, sondern empfand es auch als völlig normal. Du findest es aber auch normal, Süßigkeiten wie Kinder oder besser gesagt Engel zu beschreiben. Ich empfinde das nicht nur als normal, sondern weiß, dass das andere Leute tun. Außerdem habe ich nicht das Bedürfnis mit dir zu streiten. Also kannst du dahin verschwinden, wo du hergekommen bist.
Seufzend wandte ich mich meinen Matheübungen zu, und entschuldigte mich jetzt schon bei meiner Familie, für einen kommenden Ausraster.

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