Eine Welt zerbricht

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"Ihr werdet es nicht glauben, aber es gibt einen Weg sie zu befreien." Ingwer holte den Spürstein vorsichtig hervor und hielt ihn für alle sichtbar in die Höhe. Die Sucher hatten es sich in der nur spärlich beleuchteten Küche bequem gemacht. Johan lehnte mit verschränkten Armen Pfeife rauchend am Ofen. Jack musste geschlafen haben, denn es fiel ihm schwer, die Augen aufzuhalten.

"Tut mir leid, dass ich in der letzten Zeit nicht da war."

"Etwas ist gut", schnaufte Johan und blies Ringe in die Luft. "Wir wussten kaum noch wie Du aussiehst."

Ingwer errötete: "Kommt nicht wieder vor. Versprochen. Aber es hat sich gelohnt."

"Nun red schon endlich", murmelte Jack. "Ich möchte wieder ins Bett."

"Dieser Stein hier ist wie ein Gefäß voller Kraft. Woher sie kommt weiß ich nicht, aber ich kann damit verschiedene Dinge zu tun. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, aber mein Gefühl und Sinans Geschichte sagen mir, dass es funktionieren kann. Wenn ich mich konzentriere, gelingt es mir vielleicht, die Barriere zu durchbrechen oder aufzulösen."

Kira dachte einen Augenblick nach und sah ihre Gefährtin an. Diese war voller Hoffnung und glaubte fest an das, was sie gesagt hatte.

"Was geschieht, wenn Du es schaffst? Immer, wenn ich meine Kraft angewandt habe, bekam ich hinterher einen Haufen Probleme."

"Als ich gemerkt habe, wie ich mit dem Stein kommunizieren muss, wurde mir schwindelig, aber das verging schnell. Es wird nichts passieren."

Johan zog seine Brauen hoch: "Deinen Wagemut bewundere ich, Ingwer, aber was ist, wenn der Fürstin etwas geschieht? Ihr kennt die Geschichte dieser Stadt. 'Unfälle' von Suchern, die mit ihrer ungezähmten Kraft nicht umzugehen wussten, gab es immer wieder."

"Das sollten wir riskieren, oder?", bemerkte Jack. "Haben wir denn eine eine andere Chance? Außerdem vertraue ich ihr."

"Ich vertraue ihr auch", wandte Kira ein "aber können wir uns auf unsere Fähigkeiten verlassen? Meine Erfahrungen sind da nicht die besten."

Ingwer stand auf und machte Anstalten zu gehen: "Ich werde es versuchen, mit oder ohne euch."

"Sachte, sachte, junge Frau." Johan erntete einen finsteren Blick, als er das sagte, denn Ingwer mochte es nicht, wenn er sie so nannte. "Denkt daran, dass das neue Verbot noch nicht gilt, ihr aber eine Vollmacht des Rates benötigt, um an den Wachen vorbei zu kommen." Der Rauch seiner Pfeife erfüllte den Raum mit süßlichem Beerenduft. Kira erinnerte dieser an die großartigen Kuchen ihrer Mutter.

"Kannst Du uns eine besorgen?", fragte Kira.

"Aber bitte erst morgen, ja?", knurrte Jack.

"Ich werde sehen, was ich machen kann. Einige Mitglieder des Rates sind Angor wohlgesonnen und werden sich vielleicht querstellen. Aber ich weiß, wen ich fragen muss."

"Das ist lieb von Dir, danke." Ingwer fiel Johan um den Hals, der, sichtlich überrascht, fast seine Pfeife verschluckt hätte. Wenig später waren alle in ihren Zimmern verschwunden und es wurde totenstill im Haus.

Johan brach in den frühen Morgenstunden auf und kehrte gegen Mittag wieder zurück. Zwar hatte er die Erlaubnis bekommen, war aber auf mehr Widerstand gestoßen, als erwartet. Angors Einfluss breitete sich rasend schnell aus. Von vielen wurde er gefürchtet und das Wort gegen ihn zu erheben galt als überaus mutig. Er musste daher zu Mitteln greifen, die er verabscheute, denn das Schreiben würde dem neuen Fürsten nicht gefallen und es war sehr schwer, Unterschriften zu bekommen. Dass er nur durch Schmiergeld ans Ziel gekommen war, erwähnte er gegenüber seinen jungen Schützlingen nicht. Manche Dinge haben ihren Preis.

Die Sucher - Das Geheimnis der Spürsteine Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt