Kapitel >11< [6. März]

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Das Geräusch ihres Weckers holte sie wie gewöhnlich um sieben aus dem Schlaf.
Sie öffnete die Augen und starrte das Ding an, bevor sie eine Hand danach ausstreckte und es zum Schweigen brachte.
Dann schloss sie die Augen wieder. 

Eine Viertelstunde später zwang sie sich aus dem Halbschlaf und richtete sich auf.
Sie schlenderte ins Bad und machte sich fertig.


~
Es war die Stelle, an der sie sich gestern von Lay getrennt hatte. Aber statt ihm nachzusehen, lief sie nun beinahe in ihn hinein.
Sie hob den Kopf und jetzt, wo sie direkt vor ihm stand, wurde der Größenunterschied von fast einandhalb Köpfen noch einmal deutlich.
Sie sagte nichts. Sie wusste, dass es kein Zufall war.

Doch sie musste zur Schule und als auch er schwieg wollte sie wissen: "Was ist?"
"Ich bin aus demselben Grund hier wie gestern." Erklärte er in einem Ton, den sie nicht ganz deuten konnte. "Wir haben uns unterhalten ohne auf eine eindeutige Antwort zu kommen."
Sie erwiderte seinen Blick. "Ich weiß."
Er hob eine Braue. "Und?"
"Und ich muss zur Schule. Ich habe jetzt keine Zeit dafür."
Mit diesen Worten ging sie an ihm vorbei."

"Ist es das?" Fragte er, den Blick auf den nun leeren Weg vor sich gerichtet."Oder kann es sein, dass du aus irgendeinem Grund Angst hast?"

Er hörte, wie sie abrupt stehen blieb.
Als er sich zu ihr umwandte, stand sie kaum zwei Schritte von ihm entfernt und starrte ihn an.
Und da wusste er, dass er einen empfindlichen Punkt bei ihr getroffen hatte.
Der Funken Wut in ihren Augen, die Anspannung in ihrem Körper.
Bei so vielen hätte das einfach süß ausgesehen. Bei manchen sogar lächerlich. Doch gegen seine Erwartungen nicht bei ihr.
Es überraschte ihn, als sein Körper automatisch auf sie reagierte, indem sich seine Schultern strafften und auch er eine gewisse Anspannung annahm.
Dennoch konnte er nicht ignorieren wie gut ihr dieses starke Gefühl stand.

"Nein." Kam ihre Antwort ohne die leiseste Unsicherheit. Er wusste nicht welches offenkundig empfindliche Thema er gerade angesprochen hatte, doch er konnte nicht sagen, dass er es bereute. Er mochte das, was er bisher von ihr kennengelernt hatte, ihren schlagfertigen Humor, ihren noch unsicheren Charme, den sie gerade erst entdeckte, ihren kühlen, klaren Verstand.
Doch das hier war etwas anderes. Er hatte zum ersten Mal das Gefühl sie ein wenig aus der Reserve zu locken. Und das machte ihn neugierig.

Ein Augenblick verstrich.
Dann machte er zwei ganze Schritte auf sie zu.
Ohne darüber nachzudenken und ohne, dass er sie berührt hätte, zuckte sie vor ihm zurück, bis sie mit dem Rücken gegen die harte Hauswand prallte.
Nicht, dass er ihr eine andere Möglichkeit als zurückweichen gelassen hätte.
Sein durchdringender Blick war immer noch auf sie gerichtet, während er seine Hände hob und sich entspannt links und rechts von ihren Schultern abstützte.

"Und was, wenn nicht das, ist es dann?"
Er stand dicht vor ihr und ließ ihr kaum Spielraum zwischen sich und der Wand.
Sie selbst sah ihn nicht an, sondern starrte stattdessen auf seine Brust.
Da kam ihm ein Verdacht. Ein Verdacht, der ihm nicht gefiel. "Hast du einen Freund?"
Er verspürte Erleichterung, als sie den Kopf schüttelte.
"Aber du hast jemanden, für den du dich interessierst."
Sie hob den Kopf.
Seine Augen waren bezwingend und versuchten sie zu einer Antwort zu bewegen.
Sie sah ihn zwar direkt an, doch jetzt war sie aus irgendeinem Grund verschlossen.
"Nein."
Er ließ einen Arm sinken. "Dann sag mir bitte was es dann ist."

Sie öffnete den Mund, als ihr Blick auf einmal an ihm vorbei glitt und sich auf etwas hinter ihm richtete.
Unwillig wandte er sich danach um, doch da war niemand und als er sich ihr wieder zuwandte, setzte sie bereits ihren Weg fort.

Lay wusste nicht so recht was er dazu sagen sollte. Es war ihr zum zweiten Mal gelungen ihn zu täuschen, was ihn zum einen ärgerte, zum andern aber auch gefiel.

"Ich habe schlechte Erfahrungen gemacht." Sie blieb nicht stehen und erhob auch nicht ihre Stimme, damit er sie hätte besser verstehen können.
"Nichts allzu Schlimmes, aber du musst verstehen, dass ich seitdem vorsichtiger bin.
Das ist alles, was ich dazu sagen werde."
Bei ihren nächsten Worten, hörte er tatsächlich ein Lächeln aus ihrer Stimme: "Und was deine so sehnsüchtig erwartete Antwort anbelangt, diesen Donnerstag um achtzehn Uhr. Da müssten meine Freundin und ich Zeit haben."
"Wo soll ich dich abholen?" Rief er ihr nach.
"Hier."

Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. "Zieh kein Kleid, sondern eher etwas praktisches an!"
Sie drehte sich beim Gehen kurz zu ihm um, um ihm einen fragenden Blick zu zuwerfen. Doch dann ging sie weiter.

Er lächelte. Obwohl der beinahe unmöglichen Aufgabe die sie ihm gestellt hatte.
Er hatte gesagt, er würde sein Geld nutzen, um sie einzuladen. Nun war es eine Tatsache, dass er reich war.
Also musste das Lokal dementsprechend teuer sein. Und in dieser Preisklasse so kurzfristig zu reservieren grenzte an Unmöglichkeit.

Laurelin kam vierzehn Minuten zu spät in den Unterricht. 


~
Sie schlenderte den Weg entlang. In Gedanken war sie bei dem Treffen mit ihm.
Sie hätte nicht gedacht, dass er heute, noch vor der Schule, auf sie warten würde. Und das nur für eine Antwort.
Sie fragte sich, ob sie sich geschmeichelt fühlen sollte.
Vermutlich schon.
Und was sie sich auch fragte war, ob er es schaffen würde noch in einem Restaurant zu reservieren.
Irgendwie, hatte sie das Gefühl, dass er für den Notfall auch noch andere Mittel hatte um an sein Ziel zu kommen. Für den Fall, dass sein Geld mal nicht reichte.
Was sie aber wirklich interessierte war, ob er, falls er es nicht schaffte, ihr das eingestehen oder den Termin lieber absagen würde.

Als sie um die Ecke bog erwartete sie halb, ihn wieder da stehen zu sehen.
Doch bis auf einen älteren Mann war die Straße leer.
Sie verspürte eine gewisse Erleichterung darüber.

Den Blick des Fremden auf sich spürend sah sie in sein Gesicht. Er war vielleicht Anfang fünfzig. Sein Gang war langsam, als er an ihr vorbei ging und sie musste den Drang unterdrücken sich zu ihm umzudrehen.

Auch als sie in die nächste Straße einbog war nichts von Lay zu sehen und sie überlegte warum er nicht da war.
Vielleicht musste er ja seine ganze Zeit darauf verwenden sämtliche Restaurants in der Umgebung abzuklappern.
Bei dem Gedanken musste sie unwillkürlich lächeln.
Nicht viel später kam sie an die Ampel an der Lay und sie gehalten hatten.
Es wurde gerade rot, doch sie ließ sich davon nicht stören.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 29, 2018 ⏰

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