Thomas blickte wieder zu seinem Zimmergenossen. 'Michael Steiner’ stand in der krakeligen Schrift des Arztes auf dem Informationsschildchen am Bettende des Anderen.
Dieser Mann mit dem Namen Michael Steiner blickte gerade aus dem Fenster, das Thomas von seinem Bett aus nicht sehen konnte.
Michael Steiner hatte das Glück gehabt, das Fenster neben dem Bett bekommen zu haben. Insgeheim beneidete Thomas ihn darum.
Er dachte, Michael wusste nicht um seine Eifersucht, aber dieser hatte schon längst verstanden, dass Thomas gerne am Fenster liegen würde. Als Entschädigung erzählte Michael Thomas jeden Tag von draußen. Was draußen geschah, wer draußen war.
Und trotzdem würde Thomas gerne mit Michael tauschen. Doch seine Krankheit machte es ihm unmöglich, sich auszudrücken, machte es ihm unmöglich, zu sprechen.
Es war wieder einer der alltäglichen Tage, an dem es geschah. Der Tag war genauso gewesen wie immer. Essen, Erzählungen von Michael. Essen, Nachmittagsschlaf. Essen, Erzählungen von Michael. Schlafen gehen.
Doch diese Nacht war anders.
Mitten in der Nacht wurde Thomas von einem Husten geweckt. Einem furchtbaren Husten. Es war Michael. Er war aus dem Schlaf hochgeschreckt, mit dem vertrauten grausamen Gefühl, sich die Lunge aus dem Leib husten zu müssen.
Bevor er eine Schwester rufen oder wenigstens seinen Zimmergenossen wecken konnte, erschütterte ihn wieder einer der schrecklichen und fast endlosen Hustenanfälle.
Sie waren der Grund, weshalb er nicht Zuhause bei seiner wunderschönen Frau und seinem kleinen Sohn sein konnte.
Thomas würde bald wach werden, sagte er sich. Er würde wach werden und den Arzt rufen. Doch Thomas rief ihn nicht. Er war wach, das schon, aber der Gedanke an das Bett, das frei werden würde, ließ ihn nicht los.
Ohne es selbst wahrzunehmen, lächelte er und drehte sich zur Wand, während Michael um Luft Rang, die ihm jedoch verwehrt wurde. Seine Lungen bettelten um frische Luft, doch sein Asthmaanfall ließ ihn nicht zur Ruhe kommen.
Am nächsten Morgen war alles vorbei. Als Thomas aufwachte, hörte er nichts. Kein Husten, kein schweres Atmen vom Nebenbett. Er drückte auf den Notfallknopf, um eine Schwester oder den Arzt zu rufen.
Nur wenige Sekunden später stürmte bereits die nette Schwester herein, die immer das Essen brachte. Thomas deutete schwach mit dem Arm auf das andere Bett.
Die Schwester ging auf Michael Steiner zu, tat irgendwas, das Thomas nicht sehen konnte, und kurz darauf kamen noch mehr Ärzte und Pfleger in das Zimmer und ab da ging alles ganz schnell.
Michael wurde mitsamt seinem Bett hinausgebracht, die Ärzte diskutierten, die Pfleger verschwanden größtenteils, alle anderen räumten Michaels Schrank aus oder räumten auf.
Thomas wurde Essen gebracht. Während ihm beim Essen geholfen wurde, kam eine ihm bekannte tränenüberströmte Frau in das Zimmer, nahm sich die Tasche mit Michaels Sachen und verschwand wieder. Es war Michaels Ehefrau.
Sie hatte ihn bereits sehr oft besucht. Doch Thomas vergaß sie und sein schlechtes Gewissen ihr gegenüber schnell wieder, als ein Pfleger ihm erklärte, dass er den Platz am Fenster bekäme, wenn er das wolle. Er nickte eifrig und der Pfleger schob sein Bett langsam an Michaels alten Platz.
Begierig, endlich den wunderschönen Park zu sehen, den Michael ihm so oft beschrieben hatte, drehte er den Kopf Richtung Fenster.
Er hoffte, das junge Liebespaar zu sehen, das den Park jeden Tag besuchte. Michael hatte sie jeden Tag aufs Neue erwähnt.
Er hoffte, den Mann sehen zu können, der jeden Tag da saß und die Vögel fütterte. Doch Thomas würde weder das Liebespaar noch den Mann mit den Vögeln jemals sehen.
Denn als sein Bett auf Michaels Platz stand und Thomas hinaussehen konnte, sah er nichts.
Nur eine graue Mauer.
Autor: Anonym
“Diese Geschichte ist meine Fassung einer eigentlichen Kurzgeschichte von Wolfdietrich Schnurre. Vielleicht kennt ihr das Original. Es heißt 'Beste Geschichte meines Lebens’.
Unsere Interpretation zu schreiben war eine Schulaufgabe als ich dreizehn war. Nachdem ich sie mir jetzt nochmal durchgelesen hab, sind mir selber manche unlogische Dinge aufgefallen, aber ich wollte das hier einfach so hochladen wie ich es wirklich geschrieben habe. Und das ist es jetzt, bis auf minimale Veränderungen, auch. Ich hoffe euch hat’s gefallen :D“
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Short StoryEine Ansammlung von Kurzgeschichten, aber nicht aus meiner Feder. Sondern von all denjenigen die sich das erste Mal ausprobieren wollen, sich aber nicht trauen es bei sich selbst hochzuladen. Von denjenigen die etwas neues ausprobieren wollen, ohne...