75 Schritt...das schaffe ich, denkt sich Lisa und zielte mit ihrem Jagdbogen auf die Zielscheibe. Sie ließ die Sehne los und der Pfeil schnellte davon. Ein dumpfes Geräusch erklang - der Pfeil traf genau ins Schwarze.
Lisa war eine junge Undine, die meisterhaft mit dem Bogen umzugehen wusste. Der Stamm des großen Wassers war ihre Heimat. Hier lebten viele Elfen der Undine-Gattung. Manche waren mächtige Zauberer und andere wiederum waren erfahrene Heiler - Jäger und Krieger lebten auch unter den Undinen.
Lisa freute sich über diese schlaffe Leistung nicht im geringsten, da sie eigentlich größere Entfernungen meistern wollte. Doch mit ihrem jetzigen Bogen, der schon ziemlich abgenutzt war, würde sie kaum über die 75-Schritt-Marke hinauskommen. Das wusste sie nur zu gut. Sie stand gerade auf dem Schießplatz des Stammes und machte ihre morgendlichen Schießübungen. Die Zielscheiben werden meist aus Hanfsträngen gefertigt und können lange benutzt werden, doch billig waren diese Hanfstränge nicht. Die anderen Jäger des Stammes haben Lisa schon oft ermahnt, dass sie nicht immer die neuesten Scheiben nutzen sollte, aber diese Ermahnungen interessierten sie über haupt nicht.
Der Schießplatz war ein einfaches Feld, das mit einem kleinem Zaun umrandet war. Das Feld war knapp 250 Schritt lang und 100 Schritt breit. Es wird regelmäßig, im Abstand von 2 Monden, vom hohen Gras befreit.
Lisa wurde schlagartig aus ihren Gedanken gerissen, als einige der Jäger, die auch auf dem Schießstand waren, laut applaudierten, weil sie den 75-Schritt-Schuss perfekt gemeistert hat.
,,So eine große Leistung war das doch auch nicht; das kann doch jeder, der einen Bogen auch nur ansatzweise benutzen kann", sagte Lisa zu den bei stehenden Jägern.
,,Aber aber, Lisa sei doch nicht so; das war wirklich großartig. Nicht jeder in deinem Alter kann so etwas", meinte ein junger Elf, der gerade zum Schießstand gekommen war. Er ist ungefähr so groß wie sie, ist für einen Elfen gut gebaut, aber hat eine beschissene Ausstrahlung - findet Lisa.
,,Aha. Und was will der reizende Sohn des Ältesten jetzt von mir? Ein Autogramm? Nichts da, kriegst du nicht! Höchstens einen Tritt in deinen faulen Arsch!", giftete sie den Elfen an.
,,Hahaha...Ganz toll, wie du mit mir umgehst du kleines Miststück."
,,Jetzt sag schon, was willst du?"
,,Der Stammesälteste will dich sehen, aber frag mich nicht warum. Vielleicht steht er ja auf kleine mürrische Undinen."
,,Halts Maul."
Lisa ging nun ohne Umschweife zum Stammesältesten. Sein Zelt war schön mit jadegrünen Linien, die eingenäht im Stoff des Zeltes sind, verziert. Kein anderes Zelt hatte solche Linien und reiche Muster eingenäht bekommen; nur das Zelt des Stammesältesten hatte solche Verzierungen Sie war schon öfters ins Zelt des Häuptlings gegangen, um wichtige Missionen zu bekommen. Doch heute schien es anders zu sein. Irgendwas schien heute nicht ganz in Ordnung zu sein, das konnte sie Sean, dem Sohn des Ältesten ansehen.
Der Eingang bestand nur aus einem davor gehängtem Tuch, dass sie zurück schlug und in das Zelt eintrat. Der Raum war schlicht. Ganz hinten in der Mitte saß der Stammesälteste auf einem hölzernen Thron, in dessen Armlehnen blaue Diamanten eingesetzt waren. Außerdem waren an den Wänden des Innenraums noch einige Bilder von den vorherigen Häuptlingen ausgestellt.
,,Ah...Lisa. Da bist du ja endlich. Du weißt doch, dass ich das Warten hasse", sagte der Älteste mit einer harten Stimme.
,,Nun, ähm...es tut mir leid Euch warten gelassen zu haben. Was ist der Grund, warum ich heute zu Euch gerufen wurde?", fragte Lisa.
,,Es ist so, dass unsere Ernte dieses Jahr nicht sehr gut ausgefallen ist. Aber das ist ja allgemein bekannt. So nun zu deinem Auftrag, den ich dir heute geben werde. Du wirst mit meinem missratenem Sohn zum Wald der Maurawan ziehen und dort ein Friedensabkommen mit ihnen unterzeichnen."
,, Aber warum? Und wieso ausgerechnet mit Sean? Er wird mir nur im Weg sein!"
,,Ich kann es nicht andern, Lisa. Ich kann hier nicht weg, und mein Sohn hat hier nicht viel zu tun, deshalb kann auch er den Vertrag unterzeichnen, damit er auch mal gute Taten vorzeigen kann. Sean soll nämlich einmal meinen Platz einnehmen."
,,Aber..."
,,Kein aber! Du wirst diese Mission ausführen! Das ist ein Befehl! SAG Sean Bescheid und dann mach dich fertig. Ich erwarte euch in knapp zwei Stunden wieder in meinem Zelt"
,,Ja, ich habe verstanden", damit ging Lisa entmutigt aus dem Zelt raus, um Sean Bescheid zu geben.
In den letzten Monden hat Lisa eifrig gespart, um sich ihren lang ersehnten Wunsch leisten zu können. - den Eiszapfenbogen. Dieser Bogen hat eine unglaubliche Durchschlagskraft und ist magischer Natur. Der Bogen an sich ist so hart wie geschmiedetes Eisen und selbst nach jahrelangem Gebrauch kaum abgenutzt. Nun hat sie endlich das Gold zusammen, um sich diesen Bogen zu kaufen. Der Waffenhändler, der diesen Bogen verkauft, hat sich sogar bereit erklärt, ihn zurück zu legen, bis sie sich ihn leisten kann. Bogen gekauft, Gepäck zusammengesucht und nun gilt es nur noch Sean Bescheid zu geben. Sie fand ihn nach etwas suchen auf dem Schießplatz, wo er sich gerade an dem 75-Schritt-Schuss versuchte. Er ließ den Pfeil fliegen, traf, aber nur am äußeren Rand der Scheibe. Lauthals fing Lisa an zu lachen und erntete nur böse Blicke von Sean, der sogar rötlich anlief.
,,W-wa-was ist so lustig daran? Ich bin halt nicht so gut wie du!"
,,Ja, du wirst nie so gut sein wie ich, aber das, damit könntest du auftreten; als Hofnarr vielleicht."
,,Blöde Ziege. Was wollte der Älteste?"
,, Wir gehen auf eine Mission. WIR müssen zu den Maurawan gehen. Damit DU einen Friedensvertrag mit denen unterzeichnen kannst. Kein wenn und aber, das ist der Wille deines Vaters. Wir müssen gleich noch zu ihm, damit unsere lange Reise beginnen kann."
Völlig entgeistert glotzte Sean Lisa an. Sein schlimmster Albtraum war wahr geworden; er muss mit diesem Arroganten Etwas auf eine Mission gehen!
,,Das ist nicht fair!" dachte er nur.

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Die Undine
FantasyAuf eine Mission mit Sean?! Unvorstellbar! Sean trägt ein, für ihn, peinliches und schlimmes Geheimnis mit sich. Als dann auch noch das Tagebuch von seiner verstorbenen Mutter auftaucht, werden viele folgenschwere Geheimnisse gelüftet...