Kapitel 46

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Durch die Blätter schien die Sonne, die hoch am Himmel stand. Nur war die Sonne kalt, wie eine kalte und weiße Wintersonne. Es schien als ob die ganze Welt grau, grau, grau war. Alles Magische, Schöne, Farbige war wie weggewischt. Meine Haare bewegten sich leicht im Wind, der nun stetig mehr auffrischte. Ich fühlte gar nichts, nicht mal die Kälte und konnte mich nicht rühren. Also blieb ich einfach stehen.

Wo war all die Freude hin, die Euphorie? Sie war weg. MIr war gar nicht aufgefallen, wie gut es mir die Tage gegangen war. Wo ist er, wo ist er?Mein Kinn senkte ich langsam und sah zu Boden. Warum setzte ich mich nicht einfach und blieb für immer liegen? Und wartete, bis er wieder bei mir war.

Ich wusste nichts mit mir anzufangen. All meine Vernunft war wie weggeblasen. Jeder Versuch, mich hochzustemmen und diese furchtbare Welt positiv zu sehen, schien mir unmöglich. Ich ging einige Schritte, die Rufe hinter mir ignorierend. Was brachte es, er war es ja nicht. Ohne mich umzudrehen, wusste ich, wer sich mir genähert hatte. Blake. Mein Stiefschwester, meine ältere Schwester und Bezugsperson. Aber auch sie konnte nichts ändern. Und reden wollte ich erst recht nicht.

Meine LIppen lagen trocken und fest aneinander gepresst aufeinander. Meine Augen füllten sich mit Tränen. Ich senkte den Kopf und gab es auf, sie zurück zu halten. Die HOffnungslosigkeit hatte endgültig von mir Besitz ergriffen und hatte sich hartnäckig in mir festgebissen. Mir war kalt, sehr kalt. Ich spürte Blakes Herz schlagen, konnte regelrecht ihre Gedanken rasen hören. Sie sah, wie alle anderen, wie schweigsam ich war. Das es mir nicht gut ging, war eindeutig. Sie trat ein Schritt vor, ich hörte die Blätter rascheln.

Sie legte die Arme von hinten um meine Taille und zog mich an sich. Ihr Kopf lag auf meiner Schulter. Und teilte ihre Wärme mit mir. Auch wenn sie mein kaltes und schmerzendes, leeres Herz nicht erwärmen konnte. Ich hörte Lion leise flüstern, wie in Anwesenheit eines Toten auf dem Totenbett: "Lasst uns gehen. Blake kümmert sich um sie."

Blake rührte sich nicht, sprach nicht und ließ mich einfach meinen Gedanken nachhängen. Ich versuchte mich abzulenken, indem ich die Bäume beobachtete. Aber meine Sicht verschwamm und es wirkte nicht. Schluchzer durchschüttelten mich, als ich nun die Tränen nicht länger zurück halten konnte. Er war weg und kam vielleicht nicht wieder. Wurde verletzt. Jeder Kratzer, den er erleiden musste, entsprach Höllenqualen für mich. Wie hätte ich dem nur zustimmen können?

Ich beugte mich leicht vor und vergrub mein Gesicht in meinen Händen? Meine Hände waren eiskalt. Gab es denn noch Hoffnung hier irgendwo?

Blake drehte mich sanft zu sich herum und zog mich in ihre Arme. Sie war warm. Und das sollte eigentlich nicht so sein. Eigentlich musste ich wärmer als sie sein, aber alle Wärme hatte mich verlassen. Nach einer Weile richtete ich mich auf und hoffte, nun meine Tränen zu drosseln, indem ich einfach nicht an das verbotene Thema dachte.

Auf der Lichtung tauchte ein Wolf auf, der sehr dunkles Fell hatte. Aber ich wusste sofort, dass es nicht Damion war, dennoch war seine Anwesenheit irgendwie tröstend. Blake hatte ihre Umarmung gelockert und drehte sich nun um, als sie meinen Blick bemerkte.

Ich ging auf den Wolf zu und verband meine Gedanken mit seinen. Und sofort erkannte ich ihn. 'Constantin.' 'Ja', sagte er schlicht.

Er schwieg und zeigte damit seinen Respekt gegenüber meiner Situation. Ich sah es in seinen Augen. Und er hielt ausreichend Abstand, um mir Freiraum zu lassen und drängte sich nicht auf. Dann fragte er mich überraschend. ‚Willst du laufen?' Ich sah wieder zu ihm, weil ich abgelenkt war, weil Rifea bei dieser Frage keine Reaktion zeigte. Zu Laufen müsste sie wieder wach rütteln und bislang hatte es stets gut getan, um den Kopf frei zu kriegen.

‚Ja', erwiderte ich also. Und Rifea gewandt, sagte ich, dass wir nun eine Runde laufen. Eine kleine Woge an Freude erreichte mich. Es war wohl die richtige Entscheidung. Fast hätte ich Blake vergessen. Ich war heute echt neben der Spur. „Blake, ich laufe eine Runde. Nimmst du meine Kleidung mit ins Camp? Findest du den Weg?" Meine Stimme klang weiterhin sehr emotionslos. Sie sah verwirrt auch und nickte dann aber. „Ja, klar. Nur ... wann kommst du zurück? Ich mache mir sonst Sorgen.."

Wolf's Heart - Finding Destiny (Majesty Award 2019, Wattys Longlist 2018)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt