Kapitel 8

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Ich wirbelte herum und weitete erschrocken meine Augen. Vor mir stand ein fremnder Junge, der lässig gegen einen Baum lehnte und mich dabei belustigt beobachtete. Viel von ihm konnte ich nicht erkennen, da es einfach zu dunkel war.

"Wer bist du?", flüsterte ich monoton und hob meinen schweren Rucksack vom Boden.

"Ilyas", murmelte er und strich sich durch sein schwarzes Haar.

"Was?"

"Ich heiße Ilyas", wiederholte er.

"Und was willst du hier", murrte ich genervt und verdrehte die Augen. 

"Ich möchte auch weg von hier. Genau wie du"

Überrascht starrte ich ihn an und probierte die Angst in mir nicht zu zeigen.

"Ich schaff' das schon alleine. Viel Glück dir noch", rief ich ihm noch zu, während ich herum wirbelte und davon stampfte. Ich war aufgeflogen.

"Jetzt warte mal Jessica"

Ich drehte mich in Sekundenschnelle um und sah ihm direkt in grünen Augen.

"Ssch! Jetzt sei doch nicht so laut", zischte ich und sah mich besorgt um. "Von wo weißt du überhaupt wie ich heiße, du scheiß Stalker?"

Grinsend kam er auf mich zu und packte mich am Handgelenk. Er griff nach meinem Kinn und zwang mich in sein makelloses Gesicht zu gucken.

"Wir müssen hier raus. Wir sind beide gleich, Jessica", drohte er mir. "Du kommst hier nicht ohne mich raus"

Mein ganzer Mut verschwand in sekundenschnelle. Schweigend sah ich ihn an und fühlte mich wie ein kleines, schutzloses Kind. Doch ich glaubte ihm - Ich musste ihm glauben. Ich hatte nur diese eine Chance.

"Na dann, auf was warten wir Elias?", meckerte ich und befreite mich aus seinem starken Griff.

"Ich heiße Ilyas", murmelte er noch, während wir gemeinsam zu der Scheibe liefen.

"Wer hat gefragt?", motzte ich ihn an und verstärkte den Griff um meinen Rucksack.

Ich hörte nur sein raues Lachen hinter mir, wodurch eine Gänsehaut meine Arme überzog. Überrascht verschränkte ich die Arme vor der Brust.


Ich schlug so kräftig ich konnte gegen die Scheibe und schrie auf. Mit verzogenem Gesicht rieb ich mir über die Faust und sah Ilyas zweifelnd an.

"Ilyas wir kommen hier nicht raus", piepste ich und hockte mich auf einen Baumstamm. Tränen füllten meine Augen und ich fing lautlos an zu weinen.

Während ich nachdachte, was ich in meinem Leben so schönes erlebt hatte und was ich eigentlich noch tolles erleben kömnte, machte mich Ilyas auf sich aufmerksam.

"Ey Heulsuse, jetzt guck mir genau zu. Meinst du wirklich, dass man diese Scheibe mit einem Schlag zerbrechen kann? Du bist ja doch nicht so schlau wie ich dachte..."

Sauer schaute ich auf und blickte ihn feindselig an.

"Mach's doch besser", heulte ich und rieb mir über meine feuchten Backen.

Er stöhnte auf und legte seine Hände gegen die durchsichtige Scheibe.

Ich strich mir die Tränen vom Gesicht und sah ihm zu. Er war mit dem Rücken zu mir gewandt, wondurch ich nicht wirklich wusste, was er da tat.

Doch dann hörte ich ein brechen. Es klang wie ein langsam zerbrechendes Glas. Aufgeregt rückte ich näher an ihn ran und blickte die Scheibe an. Dann zersprang sie aufeinmal und die kleinen Teilen streiften meine Wange. Erschrocken verlor ich mein Gleichgewicht und viel auf mein Hintern. Ich strich vorsichtig über mein brennendes Gesicht. Mein Blut tropfte auf meine Kleidung. Stolz blickte er mich an und reichte mir die Hand. Als er mein Gesicht bemerkte sah er mich besorgt an.

"Tut mir leid"

 Seine Augen glühten auf. Sie waren auf einmal violett. Seine Haut war viel blasser. Er war so blass, wie ich sonst noch niemanden gesehen hatte.

"Wie ich sehe, weißt du ja schon, was du so drauf hast.", murrte ich und lies mich von ihm hochziehen.

"Ich bin nun mal etwas besonderes"

"Du bist nichts besonderes - du bist einfach nur ein arrogantes Arschloch", meckerte ich ihn an und probierte durch die zerbrochene Scheibe zu schlüpfen.

"Du bist dann wohl genauso wie ich"

"Ganz genau."

Gerade als wir beide frei waren, hörten wir Sirenen, die so laut waren, dass ich mir die Ohren  zu halten musste. Erschrocken starrte ich Ilyas an - unfähig mich vom Fleck zu rühren.
Doch er trödelte keine Sekunde. Fluchend griff er nach meiner Hand und zog mich hinter sich her.
Hinter uns ertönten laute Schreie, was mich noch nervöser machte.
"Ilyas die kriegen uns", schrie ich ihn an und probierte schneller zu rennen. Er umschloss meine Hand noch fester - dass es sogar zu schmerzen begann.

Wir rannten durch den dichten Wald und ließen uns von den ganzen Ästen, die meine nackten Arme streiften, nicht beeinflussen. Ich probierte nicht über die Wurzeln der Bäume zu stolpern, was aber nicht so einfach war.

"Ilyas ich kann nicht mehr", keuchte ich und krümmte mich zusammen. Meine Lungen brannten und mein Puls raste.
Plötzlich blieb er stehen und ich lief direkt in ihn hinein. Die Stimmen der Männer kamen immer näher.
Er packte mich an den Armen und sah mir tief in die Augen. Sofort beruhigte ich mich und starrte zurück.
Das war der schönste Junge, den ich jemals getroffen habe.
"Du musst mir jetzt vertrauen", sagte er und blickte die steile Klippe hinunter.
Erst verstand ich nicht worauf er hinaus wollte, doch als ich seinem Blick folgte wurde mir bewusst, dass er da runter springen wollte.
"Niemals. Verdammt, nein!", rief ich und sah ihn bittend an.
"Alles nur nicht das", flehte ich und probierte mich aus seinem Griff zu befreien.
Er rollte mit seinen Augen und zog mich näher an sich ran. Mein Kopf knallte gegen seine Brust. Ich konnte seinen Herzschlag genau hören, was mich tatsächlich beruhigte. Ich kniff die Augen zusammen und krallte mich an sein schwarzes Oberteil.
Dann sprang er und es schien nicht zu enden. Ich spürte, wie mich ein kalter Luftzug umschloss. Ich tat alles um nicht laut aufzuschreien. Wir fielen eng umschlungen auf die harte Erde und rollten den Berg hinunter. Ein starker Schmerz durchfuhr meinen ganzen Rücken, was mich aufkeuchen lies. Doch dann blieben wir stehen und Ilyas rappelte sich eine kurz später auf.
"Du hast meine Arme förmlich aufgeschlitzt, du Diva", beschwerte er sich und zeigte auf seinen Arm.
"Tut mir leid. Ich hatte total angst",murmelte ich und sah mir die roten Striche auf seinem Oberarm an. 

"Alles Okay mit dir?", fragte er.

"Ich glaube,dass ich morgen ein paar blaue Flecken mehr haben werde", zischte ich.

Wir lauschten noch eine Zeit, doch niemand war zu hören. Erleichtert klopfte ich meine Kleidung aus und holte eine Wasserflasche aus meinem Rucksack. Gierig trank ich die Flasche fast leer, als mein Blick auf Ilyas fiel. Seine mittlerweile wieder grünen Augen starrten mich an. Unsicher streckte ich ihm die Flasche entgegen, die er dankend annahm.

1094 Wörter

Broken Angel (Pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt