•▪Kapitel■2▪•

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Kor'vas stützte Loxyn und verfrachtete sie auf eines der noch freien Lager.
Besorgt ließ sich Senan neben ihr nieder und in ihrem Augenwinkel erkannte sie Rhaen, der aufrecht auf seinem Lager saß und zu ihnen hinüber sah.

"Was genau ist denn passiert?", fragte Senan besorgt nach und legte eine Hand auf Loxyns Stirn, die von Schweißperlen übersäht war.
"Sie war offenbar eine sehr mächtige und eingeübte Magierin." Kor'vas prüfte Puls und Herzschlag. "Der Stein entzieht euch eure Magie und wandelt sie in teuflische Mächte um, was bei Magiern tödlich wird, wenn man das Ritual nicht rechtzeitig abbricht." Seufzend ließ sie von der kaum veränderten Elfe ab. "Eine Sekunde länger und Loxyn wäre gestorben."
"Aber sie ist außer Gefahr, ja?"
"Noch." Mit der unbefriedigenden Antwort wandte Kor'vas sich ab und beendete das Ritual bei jedem anderen Rekruten.

Noch immer besorgt legte Senan sich auf ein Lager neben Loxyns und umklammerte ihre Hand.
Diese Magierin sah ihrer Mutter sehr ähnlich, schien allerdings ein weit weicheres Herz zu haben.
Was sicher nicht schwer war.

Ein schleifendes Geräusch ließ Senan aufsehen.

Jemand hatte sein Lager neben sie gezogen.
Nicht irgendjemand.

"Rhaen?" Überrascht sah sie zu, wie er sich nah bei ihr unter die dicke Decke legte und sich mit dem Gesicht in ihre Richtung legte.
"Was dagegen, wenn ich hier liege?", brummelte der Illidari-Rekrut und zog sich die Augenbinde vom Kopf, um sie mit glühend felgrünen Augen zu mustern.
"Sag mir einen Grund.", forderte Senan.
"Ist halt warm hier.", knurrte Rhaen und sein Gesicht nahm eine dunklere Farbe an.
Senan unterdrückte ein Lachen. "Wie du magst, bleib ruhig liegen. Ist ja nicht so, als würden alle hier quasi aufeinander liegen."

'Schüchtern', erschien neben Rhaens kantigen Gesicht. 'Verlegen'.
Dann etwas, was Senan beinahe zum laut loslachen gebracht hätte: 'Wird witzig mit dem. Behalt den.'.

"Warum grinst du mich so komisch an?", fragte Rhaen irritiert und hob sofort abwehrend die Hände. "Oh nein, nein, nein, nein, ich habe nicht vor, dich im Schlaf von hinten anzufallen!"
"Das habe ich doch gar nicht gedacht.", lachte Senan und sah kurz über ihre Schulter zu Loxyn.

Ein grüner Balken mit der Aufschrift 'Lebensenergie' und ein blauer Balken mit der Aufschrift 'Mana' entstanden und füllten sich langsam.
Der grüne Balken wurde voll, der blaue hingegen stoppte bei einem Viertel.

"Hallo?", riss Rhaens Stimme sie zurück in die Gegenwart. "Wieso starrst du die Magierin so konzentriert an?" Er wartete gar nicht auf eine Antwort, sondern weitete direkt die Augen, beugte sich so weit zu ihr, dass sein Atem ihre Lippen streichelte und fragte fast verschwörerisch: "Ihr seid doch nicht lesbisch, oder?"
"Nicht was?", fragte Senan irritiert.
"Lesbisch?"
"Was heißt das?"
"Dass du dich ausschließlich in Mädchen verliebst."

Senan starrte ihm lange in die Augen. Oder jedenfalls auf die Augenbinde, die sie selbst nicht besaß.
Dann musterte sie sein Gesicht.
Es war kantig, seine Wangenknochen standen ein wenig raus und ein paar Schuppen ließen sich dort ausmachen.
Seine blonden Haare lagen unordentlich auf seinem Kissen und seine langen Ohren waren noch so perfekt wie die eines Adeligen, der nie gekämpft hatte.
Sein trainierter Oberkörper mit den langen Narben zeugte allerdings von etwas anderem.

"Okay, der Blick war Antwort genug." Rhaen zog seine Decke provokant grinsend etwas weiter runter, doch Senan verstand nicht ganz, worauf er hinaus wollte, also hob sie eine Hand und schlug ihm einmal scherzhaft auf den Bauch und lachte, als der Illidari sie überrascht ansah.

"Wofür war das jetzt?", wollte er wissen und hielt ihre Hand fest an seine Brust gedrückt, als sie sie zurückziehen wollte.
Sein Körper war unerwartet warm.
"Wofür war das jetzt?", ahmte sie ihn nach und zeigte auf seine Decke.
"Hmmm, ein Test?", schmunzelte Rhaen und zog die Decke wieder hoch. "Was auch immer. Ich hab nicht alles mitbekommen, was du gesagt hast, aber irgendetwas von weißen Zeichen...?"
"Experimente meiner Eltern an meinen Augen.", murmelte sie betreten und schloss sie automatisch, sich an den Schmerz erinnernd. "Mit irgendwelchen felgrünen Steinen Energie in sie gefüllt. Seit mich die Dämonen befreit haben sehe ich diese Zeichen."
"Wie gesagt, sei ihnen nicht dankbar dafür." Sie spürte plötzlich seine warme Hand auf ihrem rechten Auge und öffnete überrascht ihr linkes. "Was tust du da?"

Sofort zog Rhaen seine Hand zurück. "Och, ich...ähm...ich dachte, es tut noch weh..."
"Nein, gerade nicht, aber danke." Senan schenkte ihm ein dankbares Lächeln. "Ich bin froh, dass der erste Sin'dorei außer meiner Mutter so eine aufmerksame Seite hat. Das tut ziemlich gut, um ehrlich zu sein."
"Na, freut mich, dass ich der erste bin.", scherzte Rhaen und ließ seine Hände unter seiner Decke verschwinden.

"Schön zu wissen, und jetzt schlaft." Kor'vas stand über ihnen, die Hände in die Hüfte gestemmt. "Morgen werdet ihr dank Loxyn zwar frei haben, aber danach werdet ihr hartem Training unterzogen."
"Jawooohl...", murmelten die beiden der davongehenden Illidari hinterher.

Als sie allerdings außer Hörweite war, beugte Senan sich wieder vor.
"Wie alt bist du eigentlich, und wie bist du hierhergekommen?"
"Neunzehn Jahre alt. Ich war hinter den Dämonen her, die dich gejagt haben, aber dann wurde ich selbst erwischt und hiergebracht." Rhaen lachte leise, fast verzweifelt. "Ich weiß nicht mal, ob meine Freunde überlebt haben."
"Oh, das- ", setzte Senan schon mitleidig an, wurde aber unterbrochen.
" -tut dir leid? Muss es nicht. Es ist meine Schuld.", winkte er ab. "Ich bin leichtsinnig und unkooperativ gewesen, noch dazu habe ich so das Leben einer Freundin gefährdet. Ich denke wenig über die Konsequenzen nach und das ist mir heute zum Verhängnis geworden. Aber mittlerweile komm ich damit klar..." Er lächelte sie sanft an. "...schließlich sieht man Schönheiten wie dich nicht alle Tage."

Senan wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte, also zog sie einfach verunsichert ihre Decke höher. "Äh...danke... Denke ich...?"
Rhaen lachte. "Deine Geschichte weiß ich ja. Erzähl mir mehr über dich."
"Also, ich bin siebzehn Jahre alt und der Rest kommt morgen, weil Senan langsam müde wird."

Tatsächlich musste sie schon wild blinzeln, um krampfhaft wach zu bleiben.

Rhaen lachte erneut, dann hob er eine Hand und schloss ihre Augen.

Bevor sie einschlief, vernahm sie noch ein leises "Schlaf gut".

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