•▪Kapitel■7▪•

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Loxyns Gleven fielen auf den Boden.

Ein spöttischer Laut kam über Rhaens Lippen. "Was ist denn jetzt los?"
"Rhaen...", hörte sie ihre eigene Stimme sagen und ihre narbenübersähte Hand legte sich auf seinen Arm, doch er schlug sie weg.
Sie spürte keinen Schmerz, und doch bildeten Tränen in ihren Augen, als sie ihn sein wutverzerrtes und ebenfalls von Narben und offenen Wunden überzogenes Gesicht sah.
"Verteidige diese Verräterin nicht auch noch, Senan!", zischte er und beugte sich vor, wischte grob die Tränen aus ihren Augen, doch wieder spürte sie es nicht.
Zwar sah sie jetzt wieder etwas, doch die Wut in seinen felgrünen Augen war nicht verflogen.

So hatte sie ihn noch nie gesehen...

"Warum bist du so ein Monster geworden, Rhaen...?", hörte sie sich schluchzen, bekam jedoch keine Antwort.

"Schlagt jetzt zu!", unterbrach sie eine andere Stimme und Rüstungsgeklapper ertönte wie auch ein lauter Fluch des Dämonenjägers.
"Die Wächterinnen sind hier!" Fast verzweifelt wich er einen Schritt zurück, sodass sie einen Blick auf den trainierten Oberkörper werfen konnte, doch im nächsten Moment wurde sie an den Haaren nach hinten gezogen...

...und öffnete schreiend im Schwarzen Tempel ihre Augen.

Mühsam kämpfte sie sich aus ihren Decken, sah irgendwelche Leute im Blickwinkel näher kommen und wurde allein dadurch noch hektischer.

Bevor sie sie erreichten schaffte sie es aus den Decken, sprang auf und lief los.
Wo war Rhaen denn jetzt bitte hin?!
Eben war er doch noch direkt neben ihr gewesen!

"Senan!" Grünes Licht tauchte vor ihr auf und er materialisierte sich vor ihr. "Senan, beruhige dich..." Rhaen zog sie in seine Arme, doch sie wand sich und trommelte auf ihnen herum, um freizukommen.
"Die Wächterinnen!", keuchte sie erschöpft und versuchte weiterhin, sich aus seinen Armen zu befreien. "Die Wächterinnen sind hier, Rhaen, jetzt lauf doch endlich!"
"Was für Wächterinnen?"
"Na, die da!", rief sie verzweifelt, drehte sich nach hinten und deutete auf die näherkommenden Gestalten.

Doch das waren keine Wächterinnen.
Das waren Illidari.

"Senan!" Kor'vas war die erste bei ihnen. "Beruhige dich! Es war nur ein Traum! Du hast geschlafen!"
"Aber die Wächterinnen...!", protestierte Senan und schauderte, als die darnassische Illidari sie unsanft an den Armen griff und schüttelte.
"Es war ein Traum, Senan, die Wächterinnen sind nicht hier!", brüllte sie sie an. "Du hast geträumt, verdammt noch mal, so beruhige dich doch endlich!"
"Was ist das für ein Aufruhr hier?", ertönte Illidans Stimme und sofort erstarrte Senan.

"Ein Albtraum, Fürst Illidan, nichts weiteres.", erklärte ihm Kor'vas mit gesenktem Kopf. "Senan hat wohl etwas von den Wächterinnen geträumt."
"Den Wächterinnen?" Der Halbdämon zog eine Augenbraue hoch und winkte sie näher. "Komm mit mir, Senan. Dieser Traum könnte eine Vision sein."

Zögerlich ging sie zu ihm und ließ sich von ihm hochheben und davontragen.
Er flog zur Tempelspitze.

"Erzähl mir alles.", befahl er und ließ sie auf den Boden sinken.
"Ich erinnere mich nicht an viel, aber wir waren in einer goldenen Stadt, also Loxyn, Rhaen und ich.", begann sie mit zittriger Stimme. "Loxyn ließ ihre Gleven fallen, Rhaen war irgendwie anders. Erstens muskulöser, so wie Kayn ungefähr, und jähzornig. Er sagte irgendetwas von den Wächterinnen, die uns wenig später angriffen."
"Einer goldenen Stadt..." Illidan tippte sich ans Kinn. "Kam sie dir bekannt vor? Wie Shattrath zum Beispiel?"
"Nein, Shattrath hatte nicht so viele Türme..."
"Dalaran.", knurrte der riesige Halbdämon. "Erinnerst du dich an mehr Details? Zum Beispiel ein Himmel wie dieser?" Mit einer ausladenden Geste deutete er auf den Himmel.

Dunkle, felgrüne Wolken hingen über dem Tempel.
Grünlicher Nebel legte seinen Schleier über alles, was nicht eine halbe Meile entfernt war.

"Ich erinnere mich an ein merkwürdiges Grollen, wie Donner, doch es klang anders..." Angestrengt die Stirn in Falten gelegt rief sich Senan den Traum vor Augen.
Tatsächlich erhaschte sie einen Fetzen Himmel durch die große Tür schräg hinter ihr.
"...und der Himmel über Dalaran glich einem normalen Sonnenuntergang, in der Ferne sah der Himmel jedoch genauso aus wie hier."
"Interessant..." Illidan ging umher und Senan wich zurück, um nicht unter den Hufen des dämonischen Nachtelfen begraben zu werden. "Das könnte heißen, dass wir schon sehr bald die Gejagten werden. Weißt du, wer die Wächterinnen sind, Senan?"
"Nein, Milord, das weiß ich nicht. Aber offensichtlich keine Freunde."
"Die Wächterinnen wollen alles Dämonische von Azeroth vertreiben...auch uns. Sie sind quasi Azeroths Ordnungshüter und somit perfekt auf Dämonen und uns, die wir die Dämonen jagen, abgestimmt. Ihre Anführerin, Maiyev Schattensang, kennt Zauber, die sich verheerend auf unseresgleichen auswirken können." Illidan gab Senan mit einer Geste zu verstehen, dass das alles war, was er dazu sagen wollte. "Der Fakt, dass du vor den Wächterinnen weglaufen wolltest, ohne sogar von ihrer Existenz und Lebensaufgabe zu wissen, stellt deutlich klar, dass das kein Traum, sondern eine Vision war."

Es herrschte eine Weile Schweigen.

Dann drehte Illidan sich um und die grünen Lichter hinter seiner Augenbinde glühten stärker. "In deinem Traum wurden Loxyn, Rhaen und du angegriffen. Ihr seid die ersten und einzigen Illidari-Rekruten, die außergewöhnliche Fähigkeiten besitzen. Ich weiß von Rhaens Problem und von dir weiß ich, dass wir uns sehr ähneln. Kein Illidari vermag es, seine Flügel mit festem Boden unter den Füßen zu entfalten, geschweige denn mit ihnen zu fliegen. Und Loxyn spürt die Nähe von Feinden, nur ist sie sich dessen nicht bewusst. Ich fürchte, sie schreibt es als Paranoia ab. Es könnte sein, dass besonders ihr drei gejagt werdet. Wir sollten euch erstmal geheim halten. Am besten, ich selbst trainiere euch, dann bekommt Kayn die Möglichkeit, selbst weiter an seinen Fähigkeiten zu feilen."
"Wäre das nicht zu auffällig, Fürst Illidan?", wandte Senan verwirrt ein. "Die anderen würden doch sicher sofort merken, dass da etwas nicht stimmt und verdeckt bleiben wir dann auch nicht mehr lange."
Illidan nickte langsam.

Dann machte er eine ungeduldige Geste. "Geh zurück zu Rhaen und Loxyn, erzähle jedoch niemandem von deinem Traum und unserem Gespräch. Mit Ausnahme von Rhaen und Loxyn. Sie sollten wissen, was auf sie zukommt. Ich möchte, dass gerade ihr jede freie Minute mit Training füllt. Ihr könntet die Waffe gegen die Legion sein, die wir brauchen."
Senan vollführte nur einen kurzen Knicks und eilte dann davon.

Kaum hatte sie die Kammer der irdischen Gelüste hinter sich gelassen, wurde sie von starken Armen an eine entblößte Brust gezogen.
"Da bist du ja endlich!" Es war Rhaen. "Ist alles in Ordnung?"
"Na ja...", wich Senan seiner Frage ungeschickt aus. "Wir müssen uns mit Loxyn einen ruhigen Ort suchen, wo ich es euch dann erzählen kann. Illidans Befehl."
"Loxyn schläft gerade. Kor'vas sagte, sie wäre noch zu schwach, um unser Training weiter mitzumachen. Sie wird seperat trainiert, bis sie aufholen kann." Rhaen vergrub sein Gesicht in ihren langen Haaren. "Du kannst es ja mir erzählen."
"Aber irgendwo, wo man uns nicht hört."

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