•▪Kapitel■5▪•

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Der erste Tag mit Training hatte begonnen.

Verschlafen saß Senan über ihr Tablett gebeugt und schob sich einen Klumpen Götterspeise in den Mund, während ihre andere Hand nach Rhaens tastete, obwohl sie wusste, dass er sie nicht nehmen würde.

Dank Kor'vas waren sie beide auf ungewollten Abstand gegangen, wurden trotzdem getrennt ins Bett geschickt, was überraschenderweise zu schlechtem Schlaf geführt hatte.

Doch anders als Rhaen konnte sie sich nicht mit Teufelsenergie erfrischen.

Ein leichtes Kribbeln auf ihrem Handrücken ließ sie aufsehen.
Schmunzelnd hatte Rhaen einen Finger auf ihre Hand gelegt, der plötzlich grün zu leuchten begann.
Mit jeder Sekunde fühlte sie sich stärker und als sie vollkommen wach war, nahm Rhaen seinen Finger wieder von ihrer Hand und wandte sich an Loxyn.

Die Elfe schaufelte ihr Essen geradezu in sich hinein, wobei ihre verbundenen Augen golden durch den Stoff hindurchleuchteten.
Ein zufriedenes Lächeln hatte sich auf ihrem Gesicht festgesetzt.

"So, erzähl mal, Loxyn..." Grinsend beugte Rhaen sich vor. "Wie war es so, allein mit Allari, die nur geguckt hat, ob du wirklich in Ordnung bist?"
Loxyn lief tiefrot an.
"Hinweis eins.", notierte Senan auf einen imaginären Block. "Loxyn wird bei Allaris Erwähnung rot."
"Ihr wollt wissen, was da zwischen uns läuft?" Die Rekrutin lächelte weiter vor sich hin. "Ich kenne Allari schon länger, ich habe sie nur nicht richtig wiedererkannt. Sie ist ziemlich hübsch, findet ihr nicht?"
"Ich stoße dich ja nur ungern von Wolke sieben...", warf Rhaen zerknirscht ein. "...aber genau wie Senan und ich dürft ihr zwei einfach nicht dort bleiben."
"Wie meinst du das?"
"Kor'vas hat uns erwischt und gesagt, dass Liebe hinderlich sei und dass sie nicht einmal toleriert wird."

Loxyn wurde blass.
Das Lächeln auf ihren Lippen verschwand und die Röte ihres Gesichts wurde zu weiß.

In genau dem Moment klatschte jemand in die Hände. "In Ordnung, ich sehe, ihr seid alle fertig mit Essen. Ich sage schonmal im Voraus, dass ab jetzt jedes Mahl weniger schmackhaft sein wird. Und jetzt folgt uns zu Fürst Illidan."
Die Stimme gehörte einem Sin'dorei von überdurchschnittlicher Größe mit langen schwarzen Haaren, die größtenteils offen waren, aber ein kleiner Zopf saß auf seinem Hinterkopf, wohl um überflüssige Strähnen aus seinem Gesicht zu halten.
Sein 'uns' bezog sich auf andere Illidari hinter ihm, unter ihnen waren Kor'vas, Allari, eine Nachtelfe, von der Senan wusste, dass sie Cyana hieß und dann natürlich noch er selbst.
Von vielen Gerüchten wusste sie, dass der Redner Kayn Sonnenzorn hieß und Illidan treu ergeben war, was ihn somit für sie und Rhaen etwas gefährlich machte.
Und für Loxyn und Allari sicherlich auch.

Nachdenklich schloss sie sich dem Strom an, obwohl es nicht einmal so viele Rekruten gab.
Passenderweise sogar nur zwölf.
Sollte es Teamarbeit geben, könnten Rhaen, Loxyn und sie eine Gruppe bilden.

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Die vier Illidari knieten als erste vor Illidan nieder und ein wenig überrumpelt taten die Rekruten es ihnen gleich.
Senan konnte es sich dennoch nicht verkneifen, zu dem Halbdämon aufzuschielen.

"Wir haben vier Trainer.", begann Illidan mit seiner tiefen Stimme und ohne jegliche Anrede oder ähnliches. "Und zwölf Rekruten. Es sollte also pro Trainer eine Gruppe aus drei Rekruten geben."
Rhaen stand auf und die Blicke aller Rekruten folgten ihm.
Auch Illidan sah ihn erwartungsvoll an.
"Dürfen wir die Gruppen selbst auswählen, Fürst Illidan?", stellte er dann seine Frage.
"Wenn es kein zu großes Durcheinander gibt..." Illidan knurrte leise in die Richtung einer Rekrutin, die sofort mit ihrer Nachbarin zu tuscheln begonnen hatte, die allerdings sofort verstummten. "Mit wem würdest du in eine Gruppe wollen?"
"Senan und Loxyn.", erwiderte Rhaen ohne zu zögern. "Die beiden sehen..." Er sah entschuldigend zu ihnen. "...sehr schwach aus, aber der Schein trügt sehr gern. Ich denke,  mit dieser Gruppe würden wir weit kommen."
Illidan nickte zustimmend und zeigte dann auf Kayn. "Ihr werdet sie betreuen, Kayn."
"Fürst Illidan." Der Illidari erhob sich und klopfte sich mit einer Faust an die Schulter.
Dann wandte er sich ab und bedeutete ihnen, ihm zu folgen.

Senan war glücklich gewesen, dass Illidan ihre Gruppe akzeptiert hatte, doch dann Kayn als Trainer?
Er schien streng und wie gesagt, er war mit Abstand der loyalste Illidari, den sie bisher getroffen hatte.

Auch Rhaen schien unwohl zu sein, als er dem größeren Illidari auf ein anderes Plateau folgte.

Sicherlich hatte Illidan schon einen Verdacht gehabt und sich gedacht, dass da etwas war.
Und da er Kayn vertrauen konnte, hatte er ihn ihnen zugeteilt.

Bitterer konnte das Schicksal nicht sein.

Rhaen stupste sie unauffällig an und wieder floss Teufelsenergie samt dem kribbelnden Gefühl in ihren Körper.
Was er damit bezwecken wollte, konnte Senan nicht sagen, und fragen in Kayns Gegenwart wäre ungünstig, sollte es einen eher...privaten Grund haben.
Was, wenn die Übergabe von Teufelsenergie bei Dämonen ein Akt der Liebe war?

Senan schüttelte den Kopf.
Dömonen und Liebe?
Das einzige, das sie liebten, waren Gemetzel, Zerstörung und Tod.
Die Gründe, warum die Illidari sie jagten.

Kayn blieb stehen, die Hände in die Hüften gestemmt. "Da wären wir."
Er sah über seine Schulter zurück zu ihnen, musterte sie eine Weile und drehte sich dann zu ihnen herum, währenddessen ließ er seine Arme sinken.
Sein Blick fixierte sich auf Rhaen.
"Seien wir ehrlich, Rhaen." Der ältere wie auch größere Illidari sah, nein, starrte in Rhaens verbundene Augen. "Was dachtest du dir bei der Wahl von Loxyn und Senan?" Er warf ihnen kurze entschuldigende Blicke zu. "Das hier ist nicht gegen euch."

Rhaen schwieg, als würde er sich gedanklich Sätze zusammensetzen.
Dann seufzte er. "Das ist einfach. Senan ist auf ihre Art und Weise stark. Sie wurde nach zwölf Jahren Folter immer noch nicht gebrochen, und jetzt, wo sie beendet ist, wird sie das auch mental nur stärker machen. Zudem kann sie mit ihren Augen Dinge analysieren, was auch noch hilfreich ist. Und eventuell kann sie sogar mit den dargegebenen Informationen etwas anfangen, das wird man ja während des Trainings erfahren. Und sie hat einen großen Vorrat an Teufelsenergie..." Er legte eine Hand auf ihre Schulter. "...und sie sieht wirklich schwach aus, aber diese Arme haben mich ohne Probleme in die Luft gehoben und zu Loxyn geflogen. Und ich bin ziemlich schwer für meine Größe." Er grinste ein bisschen. "Und Loxyn ist noch viel stärker. Außerdem hat sie goldene Augen, wie Ihr sicher wisst, heißt das, dass sie etwas besonderes ist. Was genau sie besonders macht, kann man ja auch während des Trainings in Erfahrung bringen. Und sie hat einen viel zu kleinen Vorrat, da wäre es besser, wenn ich in der Nähe bin. Weil zuviel Teufelsenergie aber zum Tod führen kann, wären Senans Augen wieder hilfreich. Ihr seht, wir ergänzen uns perfekt."

"Das war vielleicht ein Loblied über die beiden.", schmunzelte Kayn. "Aber über dich weiß bis jetzt nur, dass du Illidans Liebling bist und unbegrenzten Zugang zu Teufelsenergie hast. Hast du mittlerweile mehr über dich erfahren?"

Rhaen wollte gerade antworten, er hatte den Mund bereits geöffnet, als seine Konturen plötzlich verschwammen.

Und dann verschwand er.

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