Ich drehte die schwarze Perle in meiner Hand und ließ sie zwischen meinen Fingern hin und her rollen.
Ein Klirren lässt meine Konzentration darauf schwinden.
Bobby, ein fünfjähriger, hat sein Geschirr fallen gelassen und schaut nun schuldbewusst nach unten.
Schwester Liss rennt sofort zu ihm und sammelt die groben Überreste des Geschirrs auf. Sie stellt es in den Wagen und guckt dann fragend den kleinen an.Mein Blick geht wieder zurück aus dem Fenster.
Es ist Winter, was den Park magisch wirken lässt. Der Fluss ist eingefroren und die Bäume ächzen unter der Last von Schnee. Die vereinzelten Schneeflocken, welche noch vom Himmel fallen, bleiben am großen Fenster der Halle hängen.Ich schaue auf meine schwarze Armbanduhr, es ist kurz nach 12 Uhr.
Mein Stuhl quietscht, als ich ihn zurück schiebe und mich mit meinem vollen Tablett auf den Weg zum Geschirrwagen machte, vor dem Schwester Liss hockt und den Boden putzt.
Auf dem Weg gehen mir alle aus dem Weg und senken ihren Blick vor mir. Als hätte ich ihnen was getan, was nie der Fall war.Liss guckt auf und betrachtet kritisch mein volles Tablett, welches ich in den Wagen stelle.
„Kind, du musst essen. Du wirst wieder so mager.", sagt sie leise.
Ich murre ein Ja und gehe dann weiter.
Die Perle lasse ich in die kleine Schatulle fallen, welche an meiner Kette befestigt ist.
Diese verschwindet in meinem Dekolleté, noch bevor ich beim Fahrstuhl ankomme und diesen rufe.
Mit einem Pling öffnen sich die Türen und ich lasse erst die zwei Mädchen aussteigen. Nachdem ich drin bin drehen sie sich nochmal um und gucken mich leicht verängstigt an.
Die Türen schließen sich und ich werde mechanisch in das vierte Geschoss des Waisenhauses gebracht. Die leicht dämliche Fahrstuhlmusik düdelt vor sich hin und lässt mich die Augen verdrehen. Irgendein Idiot dachte sich wohl, wenn man die langweiligsten Akkorde zusammenschmeißt und dann diese eine Stunde abspielen lässt, ein Hit daraus werde. Wurde es aber nie.Wieder macht es Ping und ich trete auf den leeren Gang. Hier oben wohnt nur das Personal und ich.
Praktisch, wenn man seit bald 13 Jahren hier ist.Ich gehe Richtung Gangende und hole meinen Schlüssel aus der Hosentasche. Das Schloss klickte zweimal. Ein eisiger Windzug kommt mir entgegen und lässt mich frösteln. Schnell gehe ich zum großen Fenster um es zu schließen.
Anschließend schnappe ich mir meine schwarze Jacke und ziehe meine Schuhe an, um gleich wieder aus dem Zimmer zu treten und es abzuschließen. Dieses Mal nehme ich die Treppe um in das Erdgeschoss zu kommen. Die Treppe nimmt so gut wie niemand, da Menschen faul sind. Selbst die ohne Eltern und Hoffnung.Die große Eingangstür schwingt auf und der frostige Wind kommt mir zum zweiten Mal in der kurzen Zeit entgegen. Ich bin schon mit dem halben Fuß draußen, als ich ein altbekanntes Räuspern hinter mir vernehme.
„Luca, wo gedenkst du dir hinzugehen?", fragt mich Schwester Liss mit einem scharfen Blick auf die große Uhr über der mächtigen Eingangstür.
Ich drehe mich zeitlupenmäßig um und grinse sie leicht an: „Ich wollte nur meine Familie besuchen, heute ist Jahrestag."Ihr Gesicht verliert für einen Moment die Fassung, doch sie fängt sich schnell wieder.
„Ich weiß das du so gut wie erwachsen bist, aber bitte bleibe nicht all zu lange draußen.", flüstert sie mir schon fast zu, schaut sich dann um und geht ohne ein weiteres Wort in die Kantine zurück.Der Schnee knirscht unter meinen Schuhen und ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen. Ich liebe den Winter, denn er kann am besten beschreiben was ich fühle. Pure Kälte.
Als ich den Weg runter zur Straße laufe, erkenne ich das gerade ein Bus an der Haltestelle dort einfährt. Ich eile hin und steige in den Bus. Gerade rechtzeitig halte mich noch fest bevor dieser mit schlitternden Reifen anfährt.
Da der Bus so gut wie leer ist habe ich freie Platzauswahl und schmeiße mich mittig auf einen der steinharten Sitzplätze hin. Ein Fehler mich mit so viel Schwung darauf zu schwingen, stelle ich mit schmerzenden Steißbein fest.
Ein Blick aus dem Fenster sagt mir, dass es schon wieder mehr schneit als vorhin.Nach einer viertel Stunde Fahrt hält der Bus an der Haltestelle, auf die ich gewartet habe. Kaum bin ich ausgestiegen und durch das Eingangstor gelaufen verliere ich jede Art von Gefühl. Es fühlt sich leer an. Ich atme tief ein und lasse die Kälte auf mich wirken.
Ich gehe den Weg weiter bis ich davor stehe und schon merke ich die ersten Tränen aufsteigen.Der Stein steht dort, wo er sich schon seit jetzt 13 Jahren befindet. Die eingemeißelten Namen habe ich vor einem Jahr auffrischen lassen, trotzdem sieht man dem Stein sein Alter an.
Ich schiebe den Schnee etwas zur Seite und schmeiße die Isomatte darüber, welche ich mit rausgenommen habe.
Nicole Sophia Collin
Mike Collin
Jane Collin
Die Namen scheinen mich auszulachen. Sie sind zusammen und ich bin immer noch hier. Ob sie mich sehen? Ich spüre wie mir immer wieder Tränen entwischten. Die Spur die sie legen wird Sekunden danach eiskalt.
Heute vor genau 13 Jahren waren sie erschossen worden. Von einem Mann, der einfach in das Esszimmer trat und jeden einfach abschoss. Als wären sie wilde Tiere gewesen, die seinen Wald betreten hätten. Aber das waren sie nicht, gottverdammt! Sie waren Menschen mit Herzschlag, Nerven, Händen und Gefühlen! Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu weinen und da ich alleine war ließ ich es auch zu. Ich schluchze unerbittlich und verkrampfe mich immer wieder.
„Das ist so unfair!", flüstere ich.
„Das ist so unfair!", ich werde lauter.
„DAS IST SO UNFAIR! ICH HASSE ES!", ich schreie es so laut ich kann und merkte nicht wie ich dabei aufstand. Ich trat um mich und zerstöre dabei wahrscheinlich das Grab vom neben an, doch es ist mir scheiß egal.
Ich hatte diese Schmerzen. Diese Schmerzen genau auf Herzhöhe, die mich jeden Tag zerriss und mir den Schlaf raubte. Und sie sind immer noch da!
Und ich schwöre bei Gott, ich würde mich bei dem Mörder meiner Familie rächen!
Diese Schmerzen würde er auch fühlen.Die Wut übernahm mein Handeln und ich fing an auf den gefrorenen Boden einzuschlagen. Der weiße Boden wurde langsam rot, doch ich spürte nix.
Nur diese unendliche Wut gemischt mit dieser tiefen Trauer.
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Lucina - The Revenge
ParanormalSie ist erst fünf Jahre alt, als ihr alles genommen wird. Ein Mann kommt, drei Schüsse fallen, der Mann geht und hinterlässt drei Leichen und ein Kleinkind. Jetzt ist sie 18 Jahre alt und komplett bereit Rache für ihren Vater, ihre Schwester und i...