An die Wand gestellt

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Frauke saß auf der Terrasse und trank Rotwein, den Blick auf ein paar Möwen am Himmel gerichtet. „Nun haben wir Zeit für uns", hauchte ich in ihr Ohr als ich sie von hinten umarmte.

„Diane, mir liegt da etwas sehr am Herzen", in ihrer Stimme entdeckte ich ihre traurige Seite. „Süße, ich kann dir bei dieser Sache kein Ja geben, das weißt du. Dennoch bin ich bereit mich noch näher damit zu beschäftigen. Gib mir bitte noch ein paar Tage." Sie schmiss das Glas auf den Bode und stand auf: „Das sagst du mir schon seit Wochen. Ich kann das so nicht mehr. Diane, ich habe einfach keine Kraft mehr für das Warten auf deine Antwort. Ist es denn so schwer? Max mag dich genauso gerne wie mich. Und sei ehrlich zu dir selbst, du magst ihn doch auch!" Frauke kamen Tränen, welche sie versuchte wegzuwischen. „Ja ich mag ihn", gestand ich ihr leise nach einer langen Pause. „Ich habe doch einfach nur Angst vor dieser Entscheidung. Bevor ich Ja sage, müssen wir einiges durchsprechen. Dinge werden passieren, auf die wir vorbereitet sein müssten. Und Frauke, ich stecke bis über beide Ohren in Arbeit, ich habe doch noch nicht einmal Zeit für dich, wie soll ich da solche einen kleinen Wesen gerecht werden?" Mit meiner Frage kam Frauke auf mich zugestürmt und drückte mich an die Wand. „Diane, verstehst du es nicht? Wir haben keine Zeit mehr für ein eventuell. Ich brauche deine Entscheidung! Dieser Junge hat keine Eltern, kein zu Hause, keine Person an die er sich wenden kann. Was wird er in der Schule sagen, wenn man ihn nach seinen Eltern fragt? Soll er sagen, Hey ich bin Max und meine Eltern kenne ich nicht, sie haben mich mit sechs Jahren einfach nicht mehr abgeholt? Scheiße, Diane, das kann so nicht bleiben. Nächste Woche wird er auf die Liste kommen. Dann wird es nur ein paar Wochen sein, die uns noch mit ihm bleiben. Und wieder wird er aus seinem gewohnten Umfeld heraus gerissen und muss sich wieder neu anpassen." Sie erhöhte den Druck auf meinem Körper: „Wenn du mich liebst, dann wirst du dich jetzt entscheiden müssen!" Fassungslos durchbohrten mich ihre Worte. Stellte sie mich wirklich vor diese schwere Entscheidung. „Er hat doch dich!", gab ich zurück , „er hat dich, du müsstest doch nur wieder in der Basis anfangen. Dann könntest du mehr Zeit mit ihm verbringen. Und nur weil er in ein paar Tagen auf der Adoptionsliste auftaucht, heißt es ja nicht, dass er sofort vermittelt wird. Ich kann mich heute nicht entscheiden, Frauke, ich liebe dich, über alles, aber was du da von mir verlangst geht zu weit." Die Tränen rannen über ihr Gesicht. „Er nennt mich Mommy, er weiß genau bescheid, dass seine Eltern nicht mehr wieder kommen. Er kuschelte sich an mich, als er das begriff und fragte mich ob er mich Mommy nennen darf, weil er sich wohl fühlt bei mir. Weißt du, Mommy! Das ist ein Kosename nur für mich. Diane, du wirst das nicht verstehen, solange du ihn nicht in dein Herz lässt. Er nennt mich Mommy." Sie drückte ihre Lippen auf meine. Es war kein sanfter Kuss, es war eher der verzweifelte Versuch mir ein Ja auf die Lippen zu pressen.

„Warum küsst ihr euch?", unterbrach uns eine Kinderstimme. Sie drückte sich ein Stück von mir weg und realisierte wer da stand. „Max, was machst du denn hier?" „Ich konnte nicht schlafen und dachte ich könnte mich zu euch legen, so wie immer wenn ich bei euch bin, aber ihr wahrt nicht im Bett. Da habe ich euch hier draußen gehört", Max schaute verlegen auf den Boden, „Mommy? Ich will nicht, dass ihr euch streitet wegen mir. Wenn ich euch nerve, dann gehe ich wieder weg. Dann ist es auch OK wenn andere Eltern mich mitnehmen und lieb haben." Seine Worte trafen mich, wie viel er wohl mitbekommen hatte? „Hey Max, komm mal bitte mit", ich hielt ihm meine Hand hin und nickte einmal kurz zu Frauke.

Mit ihm zusammen setzte ich mich in die Küche und versuchte nach Worten zu fassen. „Ich verstehe das schon, Diane. Ihr könnt nicht mehr lange für mich da sein. Ihr wollt lieber zusammen sein, ohne mich." Ich schaute ihm tief in die Augen: „Nein, so ist das nicht Max. Weißt du wir beide haben dich sehr lieb, aber wir können dich nicht bei uns für immer aufnehmen. Frauke würde das gerne, aber wir dürfen das nicht." „Möchtest du das denn auch gerne? Oder nur Mommy?", mit dieser Frage traf er erneut mein Herz. Für seine fast acht Jahre, war er erstaunlich reif. Er begriff schnell einige Dinge, welche er nicht begreifen brauchte. Ein schlauer kleiner Herzensbrecher. „Ich weiß es nicht, kleiner Mann. Ich muss ehrlich sagen, dass ich Angst habe. Was ist, wenn wir dich nicht immer beschützen können? Oder wenn sie dich eines Tages dann doch einfach mitnehmen?" Max stand auf und kam auf mich zugeeilt, im nächsten Moment umarmte er mich und gab mir ein Kuss auf die Wange: „Ach, das ist ganz einfach. Ich wachse doch noch und wenn ich mich anstrenge, dann werde ich groß und stark und kann euch beschützen... So wie du Frauke beschützt."

another ParkerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt