Kapitel 98

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Nystor legte einen Arm um Mara und sie drehte sich zu ihm und strich sanft über die Wange des Hylors. 

Beide hatten sich lange gesträubt und sich geweigert zu akzeptieren, dass sich ihre einstige ungewöhnliche Freundschaft zu etwas anderem, das ebenso ungewöhnlich war, verändert hatte.

Mara lächelte, als Nystor sich ein Stück vorbeugte und seine Lippen ihre zuerst vorsichtig und dann etwas drängender berührten. Sie wusste ganz genau, wohin dieser Beginn der gegenseitigen Berührungen letztlich wieder führen würde....

„Es darf nur kein Nachwuchs dabei heraus kommen, sofern das überhaupt möglich wäre....,“ dachte Mara mit einem Lächeln und sie schloss ihre Augen, um den Augenblick zu genießen. Es fühlte sich alles so richtig an und sie wusste, dass es Nystor ebenso erging.

Weder sie noch Nystor bemerkten den jungen Selkie, der ihnen gefolgt war und der sie missmutig beobachtete und von Zeit zu Zeit fast schon angeekelt den Blick abwandte, um dann doch wieder hinzuschauen....

Am nächsten Morgen wand sich Mara aus ihrer Sandkuhle hervor und schob den schlafenden Nystor ein Stück zur Seite.

„Du liegst auf meinem Fell,“ klagte sie lachend, während sie die ebenfalls neben ihnen liegende Hylor-Haut mit spitzen Fingern anhob. Mittlerweile hatte sie sich an diese zweite Haut, die sich doch gänzlich anders als ein Selkie-Fell anfühlte, gewöhnt.

„Nun ja, wenn wir uns in Menschen verwandeln fühlen wir uns fast...gleich an,“ dachte sie und legte die Haut neben ihr Fell.

Nystor räckelte sich neben ihr im Sand und öffnete die Augen. Sie sah ihm an, dass er es nicht mehr allzu lange an Land aushalten und bald zumindest für kurze Zeit ins Wasser zurück kehren musste. Höchstwahrscheinlich hatte er dies während sie schlief bereits mehrfach getan.

„Du bist aufgestanden?“, erkundigte sie sich und griff nach Nystors Hand. „Während ich geschlafen habe? Du hast mich ganz allein gelassen?“

Nystor setzte sich auf und schüttelte lächelnd den Kopf, während er über Maras Wange strich und seine Finger dann über ihren Arm wandern lies. Dies verursachte bei Mara ein leichtes Kitzeln und sie kicherte, während er weiter sprach.. „Das würde ich nie machen. Ich bin in der Nähe geblieben....aber ich hatte gestern Abend...kurz das Gefühl, als wäre ein weiterer Selkie in der Nähe....aber ich war so abgelenkt....“

Mara zuckte die Achseln und versuchte die aufkommende Unruhe zu vertreiben. War ihr jemand gefolgt? 

„Vielleicht war jemand in der Nähe, auf der Jagd oder so,“ vermutete Nystor und sie wusste, dass er gleichzeitig versuchte, sie zu beruhigen. 

Sie ging darauf ein. Vielleicht hatte er ja Recht. 

„Wir hatten uns doch zwischen den Felsen versteckt und wenn jemand da war müsste er deine Anwesenheit ja auch gespürt haben und daher ist er bestimmt nicht näher gekommen, sondern hat wahrscheinlich einen großen Bogen um unsere Insel gemacht!“

„Hoffentlich! Ich hab die Umgebung abgesucht, während du geschlafen hast, aber es war niemand mehr da. Vielleicht hab ich mich ja auch geirrt und hab in Wahrheit die ganze Zeit über nur deine Gegenwart gespürt!“, stellte Nystor grinsend fest.

„Wahrscheinlich,“ antwortete Mara, war aber nicht vollständig von dieser letzten Möglichkeit überzeugt.

Was war, wenn einer ihrer Artgenossen sie zusammen gesehen hatte? Sie wagte sich die Reaktion der anderen Selkies nicht einmal vorzustellen.

„Warum kann er kein Selkie sein? Dann wäre alles so schön. Wir wären zusammen....“, dachte sie und mit einem Mal schien sich die Zukunft drohend wie ein Gewitter vor ihr aufzubäumen. 

SelkiesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt