Urban lag auf seiner Pritsche und weinte. Er tat es stumm, leise; er hatte es in langen Jahren im Heim so gelernt. Er rollte sich zusammen, wie ein Embryo, beschützt, aber es wollte nicht funktionieren. Als Embryo war er nicht alleine gewesen. Als Embryo war er zusammen mit Joanna gewesen. Als Embryos, da waren sie noch zusammen gewesen, er war noch Urban gewesen, weil es niemanden gab der ihn hätte anders nennen können. Und Joanna hatte ihn verstanden. Sie waren gemeinsam dort gewesen, doch jetzt war Urban allein. Sein Rücken war voller blauer Flecken. Warum konnten die anderen ihn nicht so akzeptieren, wie er war? Ein Junge, ohne männliche Geschlechtsmerkmale, aber was tat das zur Sache? Das war doch nicht seine Schuld gewesen! Die Jungs betrachteten ihn als feminines Weichei, die Mädchen als nur halben Mann. Nur Joanna verstand das und Gabriel auch. Aber der Gedanke an die beiden half gerade nicht, und sie waren auch nicht hier um ihn zu trösten. Er musste sich selber trösten.
Joanna ging irgendwann zu Gabriel, wann sie wollte, ohne ihre Eltern oder Gabriel zu fragen. Manchmal, aber selten kam es vor, dass sie klingelte und Gabriel nicht öffnete. Dann war sie betrübt und ging zur Bäckerei einen Block weiter, holte sich einen Donut, setzte sich und baute die eine Hälfte auseinander. Sie trennte Innenteig von Teigkruste und Zuckerguss von den Streuseln. Dann aß sie alles nacheinander auf.
Die andere Hälfte gab sie immer Urban, wenn sie ihn das nächste mal sah.
An diesem Tag war Gabriel nicht da, und Joanna wollte gerade in die Bäckerei gehen, als sie Urban entdeckte. Sofort erhellten sich ihre Gesichter und sie liefen aufeinander zu. "Joanna!", rief Urban. "Warum bist du nicht bei Gabriel?" Sie erklärte ihm, was noch zu erklären war, und sie holten sich gemeinsam einen Donut. Eifrig machte Urban Joanna nach, baute seine Hälfte auseinander und genoss die Teile einzeln. Zusammen schmeckten sie besser, aber das Auseinanderbauen machte zu viel Spaß um es sein zu lassen. Und es war etwas, was sie verband, die akribische Präzision und die Ordnung auf ihren Tellern.
Urban schmeckten die Teile einzeln sogar noch besser. Er aß Süßes nur bei Joanna und Gabriel, und er kannte die einzelnen Geschmäcker nicht so sehr wie Joanna. So saßen sie da, nebeneinander, mit einem auseinandergenommenen Donut auf ihren Tellern. Ein Bild der Eintracht, wie es zwischen ihnen nur so selten möglich war.
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Sweet dreams and forget about today
Teen FictionGabriel - der alte Herr Joanna und Urban - die jungen eineiigen Zwillinge