Kapitel 1

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Mit großen Augen stand ich vor der Universität, an der ich mein Studium ablegen sollte. Meine Hände begannen vor Nervosität zu zittern und mich erfüllte der Wunsch wieder nach Amerika zu meiner Familie zurückzukehren. Jedoch konnte ich mir das nicht wirklich erlauben. Ich hatte zu hart für dieses Stipendium in England gearbeitet und wollte nicht alles wegwerfen, nur weil ich weiche Knie bekam.

„Das kann ja was werden..", murmelte ich leise zu mir selbst, als ich mich nach Ausschilderungen zum Studentenheim umschaute. Nachdem ich herausgefunden hatte, wo sich mein neues Zuhause befinden sollte, begab ich mich dorthin. Dabei fiel mir auf, dass sehr wenige Leute auf dem Campus waren, obwohl dies eine sehr große Uni war.

Ich war so in Gedanken vertieft, dass ich gar nicht bemerkte wie eine Gruppe von drei Jungen an mir vorbei lief, bis dann jemand mit voller Wucht in mich rein rannte. So flog ich also mit meinen Koffern auf den Boden.
Ich wusste schon immer, dass ich nicht den besten Gleichgewichtssinn habe, aber komm schon, musste das sein?
Man sollte dabei aber nicht vergessen, dass ich während des Falls komische hohe Laute von mir gab.

„Sorry, ich habe dich nicht gesehen...Ist alles in Ordnung mit dir?", fragte mich ein blondhaariger Junge, der mir die Hand hin hielt. Ich ergriff sie und er zog mich wieder auf die Beine. Danach lösten wir unsere Hände wieder voneinander. Ich musterte den Jungen, welcher mich auf den Boden befördert hatte kurz. Er hatte blaue Augen und war ein wenig größer als ich.

„Nichts passiert, keine Sorge...", ich lächelte und meine Wangen zierten ein leichtes Rosa, da ich bei Fremden Personen meist schüchtern war und schnell rot wurde.
„Ich bin Niall, und du?" Ich guckte zum ihm hoch, woraufhin ich ein freundliches Lächeln erblickte. Er hatte strahlend weiße Zähne und wirkte offen und freundlich auf mich.

Gerade als ich zu meinem Satz ansetzen wollte, wurde ich von einer männlichen Stimme unterbrochen: „Niall! Hör auf zu flirten und komm endlich! Wir kommen wegen dir noch zu spät!" Ich zuckte kurz zusammen, drehte mich dann aber um, damit ich die Quelle der momentzerstörenden Stimme fand. Es war ein braunhaariger Junge mit etwas längeren Haaren und einem Dreitagebart, der weit hinter uns stand. Sein Pony war quer über seine Stirn gelegt.

Verdammt. Er sah echt gut aus.

Aber es schien so, als wäre er nicht der einzige. Hinter ihm standen zwei weitere Jungs, die ihm Konkurrenz machen konnten. Einer von ihnen hatte kurze, hellbraune Haare und braune Knopfaugen. Der andere hatte hochgestylte, dunkelbraune Haare.
„Sorry, ich muss los. Vielleicht haben wir ja ein paar Vorlesungen zusammen.", rief Niall noch mit einem Lächeln zu mir, während er zu seinen Freunden rannte. Ich winkte noch als kleine Geste zum Abschied.

Da stand ich also, mit meinen Koffern und sah wie ein gutaussehender, netter Typ zu drei anderen gutaussehenden Typen rannte. Nicht schlecht für den Anfang.

Nach einer halben Stunde stand ich dann endlich vor meinem langersehnten Zimmer. Obwohl es nicht nur mein Zimmer war, da ich eine mir noch unbekannte Mitbewohnerin hatte. Nervös öffnete ich die Tür, nur um daraufhin festzustellen, dass sie nicht da war. Trotzdem wusste ich mit Sicherheit, dass sie schon angekommen war. Es lag nicht an einem Koffer oder derartiges. Es lag an den Klamotten, welche sich überall, und damit meinte ich auch überall, befanden. Kleider auf dem Bett und auf dem Boden, Unterwäsche hing über einem Bilderrahmen und, zum Glück noch unbenutzte, Tampons auf den Schreibtischen verteilt. Nachdem ich mir den Weg durch das Klamottenlabyrinth gebahnt hatte, ließ ich mich auf mein Bett fallen. Mir entfuhr ein verzweifelter Seufzer, als ich an das Bad dachte.

****

Langsam öffnete ich meine Augen und schaute mich um. Ich lag immer noch in meinem Bett, jedoch war es draußen Dunkel geworden. Daraus konnte ich mit voller Begeisterung schließen, dass ich den ersten Tag meines neuen Lebensabschnittes mit Schlafen verbracht hatte. Innerlich applaudierte ich sarkastisch über meine Tat.

Ich raffte mich auf und holte schlaftrunken das Zeug zum Schlafen aus meinem Koffer. Ich hatte im Moment nicht so große Lust meine Klamotten in den Schrank einzuräumen.

Auf dem kurzen Weg ins Bad überprüfte ich meine Nachrichten am Handy und stellte mit Sorge fest, dass meine Mutter mir einige Male geschrieben hatte. Ich hatte ihr doch gesagt sie sollte sich nicht so viele Sorgen machen. Ich tippte in mein Handy die Antwort, dass es mir gut gehe und alles okay sei. Danach drückte ich die Klinke zum Bad herunter.

Ich dachte, ich hätte mich auf das Bad mental vorbereitet. Ich dachte wirklich, ich wäre auf alles gefasst.

Aber anscheinend war das nicht der Fall, denn der Anblick brachte mich dazu kurz die Luft anzuhalten. Auf dem Klo lag der Lockenstab und im Waschbecken das Glätteisen mit einigen verbrannten Haaren. Im Badschrank und auf dem Boden lagen verschiedene Schminkutensilien und zusätzlich waren überall im Raum Feuchttücher sowie Wattestäbchen verstreut. Eins stand fest - meine Mitbewohnerin schien nicht die ordentlichste zu sein.

Damit ich ein wenig Platz vor dem Waschbecken hatte, schob ich mit meinem Fuß die Sachen zu zur Seite, sodass ein Kreis entstand wo ich mich platzierte. Daraufhin erschien im Spiegel ein  Mädchen mit grünen Augen und blonden gewellten Haaren, welche ihr bis zur Taille gingen. Um ihren Hals war eine Kette mit einem Ring befestigt.

Ich zog mich um und band meine Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen. Die Kette ließ ich an, allerdings war sie nicht sichtbar, da mein Pullover über ihr lag. Gerade als ich die Türklinke herunter drücken wollte, hörte ich wie die die Eingangstür ins Schloss viel.

Sie war da. Jedoch war sie nach der Stimmenanzahl nicht alleine. Außer einer hohen Mädchenstimmte hörte ich noch eine tiefe männliche.

Na super.

Leise und langsam öffnete ich die Badezimmertür, um zu gucken wie ernst die Lage war.

Sie wurde im Brautstil von ihm getragen und hatte die Arme um seinen Nacken geschlungen. Er guckte sie mit einem Sehnsüchtigen Blick an.

„Komm~ Lass uns zum Bett gehen.." An ihrer Stimmlage konnte man gut erkennen, dass sie betrunken war und man musste kein Genie sein um zu erkennen, in welche Richtung das Ganze gehen würde.

Ich hatte zwei Möglichkeiten; entweder zerstöre ich den Moment von den Beiden, indem ich mich bemerkbar machte oder ich schlich mich leise aus dem Zimmer. Ich entschied mich letzten Endes für die letztere Variante, da ich mich ungern mit meiner Mitbewohnerin am ersten Tag streiten wollte.

Nachdem ich erfolgreich aus meinem eigenem Zimmer geflohen war, hatte ich mich entschieden einen kleinen Spaziergang auf dem Campus zu machen. Ich lief gerade auf der Wiese herum, als ich eine schwarze Silhouette in der Nähe stehen sah. Aus Neugier näherte ich mich dieser Person. Ich wollte gerade die letzten Meter zwischen uns überwinden als sie sich umdrehte.

Es war ein Mann. Ungefähr im selben Alter wie ich.

Er hatte ein Beanie auf, trotzdem sah man ein paar seiner braunen Locken.

Seine grünen Augen schauten direkt in meine.

„Hi, ich bin Harry"

Ich wusste nicht wieso, aber dieser Junge faszinierte mich so sehr, dass ich nur reglos mit dem Blick auf ihn gerichtet dastand.  

Memories || h.sWo Geschichten leben. Entdecke jetzt