Die Lücke im Schmerz

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Als Veron wieder erwachte war alles still. Nichts regte sich um ihn. Alles war still. Das einzige das er wahrnahm war der Geruch von Rauch, aber auch diesen nur Schwach. Vorsichtig versuchte er seinen Kopf zu drehen und seine Schulter fühlte sich an als würde sie explodieren und er schrie auf. Erschrocken fiel ihm wieder ein was passiert war und das sein linker Arm und sein linkes Bein gebrochen waren.
Ein Gefühl der Leere machte sich in ihm Breit, alles was er kannte und liebte war höchstwahrscheinlich weg. Er hatte sich noch nie so gefühlt. Er war nicht wirklich wirklich traurig, verzweifelt oder wütend. In seinem Herz herrschte Leere, wie als hätte es noch nicht verstanden was eigentlich passiert war. Doch auch so, was nun? Mit gebrochen Knochen konnte er vermutlich nicht einmal den Fluss erreichen und selbst wen würde er trotzdem dort ankam würde er früher oder später an seinen Verletzungen sterben. Natürlich bestand die Möglichkeit, das jemand noch lebte der ihm helfen konnte, aber jeder Überlebende würde wohl soweit wie möglich fliehen und nie wieder zurück kehren. Trotzdem musste er es wenigstens versuchen. Er hatte seine Schwester nicht retten können, jetzt schuldete er ihr wohl wenigstens den Versuch zu überleben.
Im Gedanken an seine Schwester realisierte er auch, dass sie wahrscheinlich nur wenige Meter von ihm entfernt lag, oder wenigstens das was von ihr übrig war. In seinem Zustand würde er sie wohl nicht einmal begraben können.
Auch wenn er wusste das es schmerzhaft werden würde, er musste anfangen sich selbst zu helfen.
So wie es sich anfühlte war der Knochen in seinem Bein nicht nur gebrochen sondern auch verrutscht. Er würde ihn also wieder in die richtige Position bringen müssen, dass würde ebenfalls sehr weh tun. Auf seinen rechten Arm gestützt drehte er sich um und setzte sich auf, wieder hatten Arm und Bein fast schon höllisch weh getan. Ihm war schlecht vor Schmerzen. Im Sitzen konnte er durch das Loch sehen, durch das er geflogen war. Dort lagen die blutigen Überreste seiner Schwester, der Mensch der ihm als einziges wirklich etwas bedeutet hatte.
Seine Mutter war bei Malairas Geburt gestorben. Sein Vater hatte es seiner Schwester nicht verziehen, zwar wusste er das sie nichts dafür konnte, trotzdem war er nie wirklich darüber hinweg gekommen. Er hatte sich wohl damit abgelenkt zu arbeiten. Von morgens bis abends hatte er auf ihren Feldern gearbeitet. Meistens hatte er auch dort geschlafen. Ab und zu hatte er ihnen etwas zum essen vorbei gebracht. Ihr Vater war so mehr oder weniger ein Fremder gewesen. Vor zwei Jahren war er jedoch gestorben. Warum genau er gestorben war wusste keiner so genau. Man hatte ihn eines morgens tot im Feld gefunden, äußerlich unverletzt. Von da an hatte Veron seine Arbeit gemacht. Sie war zwar hart, aber man konnte davon leben.
Somit war seine Schwester die wichtigste Person in seinem Leben gewesen. Jetzt war auch sie tot und mit aller Wahrscheinlichkeit auch alle die er sonst kannte.
Trotz dem direkten Anblick seiner toten Schwester blieb sein Herz kalt. Es kam Veron seltsam vor in Anbetracht dieses Anblicks nichts zu fühlen fast machte er sich Sorgen um sich selbst wobei es, wie er mit einem ironischen Lächeln bemerkte, auch allen Grund dazu gab. Schließlich war er schwer verletzt und hatte keine Hilfe.
Er beschloss das es wohl am schlausten war wenn er zuerst sein Bein schienen würde. Um ihm herum lagen mehrere längere Holzstücke. Er holte sie zu sich heran und riss dann einige Streifen von seinem Oberteil ab. Das Material für einen zumindest provisorischen Verband hatte er nun. Jetzt musste er sich noch ein fussgroßes Loch suchen das halbwegs stabil war. Das würde weh tun.
Er fand schnell eines, zwischen dem Haus seiner Familie und dem nächsten. Mit viel Vorsicht rangierte Veron seinen Fuß in das Loch, trotzdem stieß er einmal an, schrie auf und ihm wurde kurz schwarz vor Augen. Trotzdem stand das schlimmste noch bevor. Er schloss die Augen, atmete tief ein und drehte entgegen des Knochenbruchs. Der Schmerz jagt sein Bein hinauf und alles wurde schwarz.

Wie lange er Bewusstlos gewesen war wusste er nicht, aber in jedem Fall war es eine Weile gewesen. Veron spürte den Hunger und sein Mund war ausgetrocknet. Seine Schulter schmerzte immernoch stark. Das einzige positive war das der Schmerz in seinem Bein nachgelasen hatte. Er setzte sich wieder auf, seine Schulter schmerzte natürlich höllisch, und begann mit den zuvor gesammelten Sachen sein Bein zu schienen.
Tatsächlich funktionierte es gut und auch wenn auftreten schmerzte konnte er mithilfe seiner Krücken bzw. Krücke weil er nur eine ohne Schmerzen halten konnte. Bei seinem Arm sah Veron ein großes Problem. Er war mit hoher Wahrscheinlichkeit zersplittert, was bedeutete das er ihn kaum zusammensetzten konnte und auch nur wenige andere. Aber darum konnte er sich jetzt nicht kümmern, zuerst einmal musste er etwas zu trinken und zu essen finden. Und zuallererst einmal das trinken . Er begann sich mit Hilfe der Krücken, die er ebenfalls aus dem Holz ihres Haus gebaut hat, zum Fluss zur schleppen.
Zum Glück waren es nur wenige Hundert Meter bis dahin und er schaffte es sogar an einem Stück, wenn auch nur unter großen Anstrengungen da er Arm und Bein schonen musste. Dort angekommen lief er ein Stück ins Wasser und setzte sich vorsichtig hin und zwar so, dass das Wasser gegen eine unverletzte Seite floß. Die Kühlung tat seinen Verletzungen gut und das Wasser das seine Kehle hinab floß erfrischte ihn wie kaum etwas andere je zuvor. Er blieb dort eine Weile sitzen. Immernoch konnte er nicht wirklich weinen oder traurig sein. Er ärgerte sich darüber. Wenn gerade alle gestorben waren die er kannte und der einzige Mensch den er liebte wollte er traurig sein. Aber immernoch war in seinem Herzen nur ein schwarzes Loch der Leere. Kein Gefühl abseits von dem Schmerz in Arm und Bein und eben der Ärger über seine Gefühllosigkeit. Nach der kleinen Erholung im Wasser wollte er weiter gehen. Veron hätte gerne Wasser mitgenommen, hatte jedoch weder Behältnis noch Kraft es zu tragen, also lies er es bleiben. Er stand auf und wollte gehen, viel dann jedoch hin. In einer Blitzentscheidung entschied er sich, sich nicht mit dem gebrochenen Arm abzustützen. Das war allerdings eine dumme Entscheidung und er viel auf den Arm. Wieder ließ ihn der Schmerz in Ohnmacht fallen.

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