Mit zittrigen Händen griff er zu einer Karotte (die er den Namen Charlotte gab), biss ungenüsslich einen Bissen des Carotinhalters ab, ohne dabei nur ein Gesicht zu verziehen – schließlich muss es ja so aussehen, als schmecke sie ihm. Die zittrige Handbewegung war weniger auf das Alter zurückzuführen als auf seine Nervosität, die ihn immer mehr ummantelte wie ein vielschichtiger Kopfsalat. Wie gerne beiße er jetzt in eine knusprige Hendlhax'n seines Geschäftes, doch die Umstände lassen es leider nicht zu, dafür war er zu verliebt. Die andere zittrige Hand hatte einen Bleistift umfasst, der sich über ein Blatt Papier beugt.
Liebe....
steht da bisher. Naja, fortzufahren wäre ein bisschen schwierig, ohne den Namen zu kennen. Dann kam ihm eine Idee – euphorisch beugte er sich vor.
...wundervolle unbekannte Ange-beet-ene.
Du wirst mich wahrscheinlich nicht mehr erkennen, rhabarber mit dem ersten Blick in deinen wunderbaren Antlitz wurd' mir kohlrabischwarz vor Augen und ich verlor meine Sinne. Weisskohl der Geier wie es mir vor deiner Begegnung erging, denn nun fühl ich mich wie neu geerntet.
Der Mann musste gar nicht viel denken, es kam ihm einfach so raus.
Fühl dich nicht belästigt von mir du bist die ein oder andere Lenze jünger und eine hasenlänge hübscher, lauch das ist mir sehr wohl bewusst, nur deshalb war ich zu feige, dich bei der Begegnung am Gemüsestand anzusprechen. Schon länger beobachte ich dich von der Ferne, musst du wissen, Zitrone auch nur einen Schritt zu wagen, schließlich könnte ein Fehler der letzte sein. Doch sei dir im Klar'n, dass du, hübsches Mädchen, dein Glück in einer neuen Generation finden kannst. Schließlich bin ich doch nur vegan dir hier. Des Weiteren weiß ich, dass du nicht perfekt bist (...und dass das eine Frau noch weniger hören will), doch nur das Erkennen der Fehler macht den Menschen stark – und sympathisch. Sogar mein Papaya hat immer gesagt, nicht ich, sondern mein Herz soll sich auf die Suche nach einer Frau machen – und genau das ist nun passiert. Wie genau das Herz das vollbringt, spielt schlussendlich keine Frühlingsrolle.
Er setzte sich nochmals auf, atmete ein, atmete aus. Las sich das Geschriebene nochmals durch, einmal mit sich selbst, einmal laut, um den Klang aufnehmen zu können. Dann ließ er seinen romantischen Fluss weiterfließen...
In jüngster Vergangenheit bekam ich stets einen Obstkorb, was die Liebe betrifft. Nach jahrelanger Beziehung ließ sich meine Frau trennen, um ihren Traum zu verwirklichen: Synchronsprecherin zu werden – sie sagte: 'Soll mein Traum nicht in Erfüllung, so werde ich mich von dir trennen lassen. Geht er in Erfüllung, werden wir zwei ein glückliches Leben miteinander führen mit dem Geld, das ich damit verdiene.' Kohle Sache, schließlich wusste ich, dass sie eine schöne Stimme hat. Nur ging sie wenige Monate später zu einem plastischen Chirurgen, sich die Stimmbänder umoperieren zu lassen – und brannte dann mit demselben plastischen Chirurgen durch. Und ich, ich Pflaume, habe dies erst später erfahren, genauer gesagt, das Fenchelkind meines Bruders hat es mir gesagt...
Das Zittern seiner Hand wurde immer stärker – diesmal war es aufgrund des Schmerzes, der ihn immer dann einholte, wenn er an die Geschichte dachte. Er stand auf, ging in die Küche, goss sich einen Zwetschgenschnaps in ein Glas, setzte sich zurück und trank genüsslich. Er spürte, wie das flüssige Genussmittel durch seine Kehle floss wie ein strahlend heller Bach in kühler Nachmittagssonne.
Doch warte, die folgende Beziehung zu sagen wird nicht leicht, doch sagen wir, mir kraut vor ihr: mir erging es gar nicht gut, selbst mein Seelenassistent, den ich um Rat fragen musste, bekam von meiner Geschichte eine Depression; die nächsten Monate und Jahre alleine verbringend, versuchte ich, den faulen Kern im Inneren des Pfirsichs meines Lebens zu finden, der nach und nach vom faulen Kern aufgefressen wird - symptomlos, aber doch; der Kern sollte bald wieder geheilt werden, denn ich lernte – Gott sei Dank – prompt darauf die nächste Liebe kennen.
Wieder genehmigte er sich ein Schlückchen. Dann wieder eines.
Meinen Urlaub zur Erholung verbrauchte ich auf einer Farm. Dort lernte ich ein reizendes Pferd kennen, das ich sehr schnell lieben lernte. Es hatte interessant schwarz-weißes Fell und grüne Augen. Und hinter jedem Pferd steckt meist eine Herrin und der Weg zur Herrin führt doch meist vorbei am Tier, oder etwa nicht? Und, um dies gleich vorne wegzuschicken, ja, es war eine wunderbare Herrin – rotes Haar, schwarz-blaue Augen und ein Lächeln aus Gold – leider ließ sich, wenige Wochen nach unserer ersten Begegnung und unserem ersten Kuss, in einen Mann umoperieren – und nun in der plastischen Chirurgie tätig ist, in der sich meine vorherige Frau operieren hat lassen. Doch das ist vergessen und mir mittlerweile Wurstsalat.
Er goss sich einen weiteren Schnaps in die Kehle.
Eine andere Bekannte, sehr fromm und höflich erzogen, hatte brünettes Haar, braune Augen und entgegen ihres Aussehens skandinavische Wurzeln – selbst sie hat mich dazu gebracht, jeden Sonntag in die Kirsche zu gehen. Ich fühlte, mit ihr hätte ich die Frucht meines Lebens gefunden. Ich war verliebt wie lange nicht mehr. Als sie wenige Monate allerdings schmerzlich erfuhr, dass Jesus gar nicht in Bethlehem geboren sei sondern in Nazareth, hat sie sich im Weihwasserbecken nach einer Kindestaufe ersoffen.
Apropos – der Mann schenkte mit feuchten Augen abermals nach. Was denn nun tatsächlich alles passierte und was nicht, vermochte er bei diesem Promillepegel nicht mehr urteilen zu können – selbst er verwischte nun Fiktion mit der undurchschaubaren Realität, angetrieben vom Motor des Alkohols.
Darum, mein Mädchen, lasse mich nicht einsam sterben. Es mag zwar sein, dass es dich nicht die Bohne interessiert, aber das Leben ist zu kostbar, um es nicht mit Geben und Nehmen zu verbringen, wobei hierbei stets das Gleichgewicht auf einer Waage geprüft werden muss. Und auch, wenn es vielleicht übertrieben klingt, doch du bist mein wahrer letzter Wille im Unkraut, was mal eine schöne Blumenwiese war. Hilf' einen verfaulten Apfel, wieder die Frische zu erlangen welche er seit erster Pflückung verdient.
Doch du, ja, denke daran, ich werde dich wohl nicht mehr finden, ehe du dich nicht meldest, aber wenn es nicht so weit kommt, dass du der Dünger meines verdorrten Grases wirst, ja, dann wird dieses Unkraut freiwillig die Böden dieses Grases verlassen, um zumindest der Welt noch eine schöne Blumenwiese hinterlassen zu können.
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Amor, Stein & Eisen bricht
Krótkie OpowiadaniaUnser kostbarstes Hab & Gut, das uns zwar viel Freude, jedoch mindestens maximal noch mehr Schmerzen bereitet, als Wehrmutspflaster nicht über, sondern unter die Haut geht - und letztlich doch zum Scheitern verurteilt ist. Facettenreich, bunt, manch...