3.) Roman und Julia

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„Rapunzel! Lass', hicks, dein Haar herunter!"

„Ich heiße immer noch Julia!"

„Hoppla."

Mit einem tollpatschigen Ausfallschritt taumelte der Romantiker unter dem Balkon des Anwesens seiner hübschen blonden Verehrten rum, was nicht sonderlich viel dazu beitrug, authentisch und romantisch zu wirken...

Er packte seine kleine Kinder-Nachwuchs-Ukulele aus seinem braunen Reiserucksack und dann fing der Bauarbeiter an, spontan das schönste Gedicht seines Lebenslaufs zu reimen und, mehr lallend als singend, die Nacht mit seiner Stimme zu ummanteln:

„Du, Mädchen mein'

Willst du – hicks – für immer glücklich sein?

Mit dir und deinen Stiefschwestern

Lieben wir uns – hicks – bis vorgestern!

Mehr als 'nen Kuss, verlang ich von dir

Du bist mir mehr wert als Klopapier!"

Julia sah ihn mit einem fast mitleidigen Blick vom Balkon aus an. Kann ein Mann schwärmerischer sein? Romeo bezweifelte dies stark. Wenn er so weitermachte, könnte er in in 600 Jahren mit Lyrik wie dieser Geld verdienen, dazu rappen und sich Capital BROman nennen oder so. Wär eine Überlegung wert.

Das Anwesen, in dem er sich befand, war groß, bestand allerdings ausschließlich aus Pflasterstein und einer großen Einfahrt, die auch zu Julias Balkon führte, umgeben von einer Mauer und einer Pforte, die Einlass gewährte – dass diese Mauer allerdings mehr als genug Sicherheitslücken aufzuweisen hatte und wo diese waren, wusste Romeo am besten, schließlich hatte er sie höchstpersönlich gebaut.

Warum sich Romeo abends zum Sonnenuntergang heimlich, trotz der immer noch strikten Verordnung des Königs, zuhause zu bleiben, dennoch zum Anwesen begab, vermochte er selbst nicht beantworten zu können. Seitdem der großflächig ausbreitende Virus DIVOC-18 (im Volksmund auch trivial Pest genannt) sich zuerst im Fernen Osten und nun auch nach Verona ausbreitete, ist nichts mehr wie vorher. Das noch unter Mailand regierte Verona sowie die restlichen Orte durften ihre Häuser nur mehr für lebensnotwendige Ding verlassen wie Einkäufe erledigen oder andere Menschen, die Hilfe benötigten, zu helfen. Oder versuchen, seine Geliebte für sich zu gewinnen – so interpretierte dies zumindest Roman.

Dann war doch noch ein anderes Gefühl, das ihn dazu antrieb: sein Bauchgefühl. Sein Herz führte ihn immer wieder hierher, wohlwissend, dass, sollte er von der königlichen Exekutive erwischt werden, dies sehr wohl mit dem Tode bestraft werden konnte. Wohlwissend, dass sie noch bei ihren strikten Eltern und deren bösen Stiefschwestern wohnte (die einen herrlich-komischen Fetisch für Schuhe hegten).

Doch nicht nur das, auch Julias Keuschheit wird ein großes Problem darstellen. Denn selbst, wenn er es in ihr Schlafgemach geschafft hat, wird es schwer, ihr die körperliche Nähe vertraut zu machen. Doch hatte sie Gebrauch einer starken Schulter, dies konnte Roman festmachen. Denn einmal, als er seinen Fuß auf das Anwesen setzte, konnte er erkennen, wie ein großer muskulöser Mann mit langen gold-blondem Haar sich an Roman vorbeischlich, sein Erdbeerduftperfum im Wandschatten hinterließ, auf den Balkon und ins Zimmer stieg und er daraufhin das arme Mädchen schreien und stöhnen hörte...

Kurzum, er versuchte sein bestes, Julia doch noch für sich zu gewinnen – und so ließ er keine Möglichkeit aus, sich und seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.

„Verkleide dich als Ente und tanz den Ententanz!", war einst eine Aufforderung des Mädels, „wirst du es bewerkstelligen, so bin ich Dein!"

Amor, Stein & Eisen brichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt