6.) Ergänzungsmittel

86 11 26
                                    

„Ach komm, er hat es nicht vergessen!"

„Bestimmt. Genauso, wie er es auch meinen Geburtstag vor wenigen Wochen vergaß." Das Mädchen mit langer brauner Haarpracht namens Amalia öffnete ihren Spind, kramte darin herum, nahm ein dickes Buch heraus, schloss ihn hinter sich wieder und stopfte die gefundene Lektüre für Deutsch in die viel zu kleine Handtasche, weil Frauen mit normalem Schulrucksack ja nicht „stylisch" genug sind.

„Und letztes Jahr ist nicht heuer", munterte Amalias beste Freundin, Hilde. „Wie kann man eigentlich den Valentinstag vergessen, WTF, der wird doch überall angeworben wie der neueste Shades of Grey!"

„Da kennst du meinen Richard aber ganz schlecht. Weißt du, Hilda, ich befürchte, dass er mich nicht einmal liebt."

„Woher willst du denn das wissen?"

„Er hat es mir gesagt."

„Oh."

„Und um ehrlich zu sein", ergänzte Amalia traurig, „bin ich mir überhaupt nicht sicher, ob ich ihn überhaupt liebe."

Bullshit, warum bist du dann noch mit ihm zusammen? Sorry, aber das versteh ich nicht." Dass jedes zweite Wort Hildas englischer Herkunft war, liegt nicht daran, sie könne etwa halbe Britin sein oder so - sondern weil sie jugendlich war...

„Weil mein Vater der Mitarbeiter des Glasherstellers ist, indem auch sein Vater hohes Tier ist," antwortete Amalia, während sie ihre Handtasche zurechtrückte. „Er erhofft sich dadurch irgendwann eine Beförderung, die wir finanziell gut bräuchten. Wenn wir länger als zwei Jahre zusammen bleiben, gibt es ein Harry Styles-Konzertticket gesponsert – und hey, das ist mir die Beziehung wert."

***

„Moment, Richard. Du liebst sie nicht, bist aber doch mit ihr zusammen?"

„Genau", antwortete der Freund Amalias kopfnickend, um das Gesagte zu unterstreichen. Er drückte den Seifenspender am Waschbecken und lehnte sich nun daran. Männerdiskussionen ließen sich halt immer noch am besten in Schultoiletten abhalten.

„Du bist ja nicht Mörtel Lugner, der sich die Frauen kaufen muss! Du schaust so gut aus, du könntest jedes Mädchen der Welt in Besitz nehmen." Sein Freund Juan, Halbspanier, meist mit Sombrero auf seiner Schädeldecke, war leicht perplex – hat er doch schon seit Jahren ein kurzsichtiges Auge auf Amalia geworfen. Sein Bauch sah aus, als bestünde er zu einem Drittel aus Wraps und Tequila, während sich in seiner Brieftasche nach spanischer Manier mehr Spinnweben und Kakerlaken rumtoben als Geldscheine.

Richard hingegen, seines Zeichens sexueller Nomade, selbsternannter Archäologe der weiblichen Genitalien, Würger des guten Geschmacks und zu guter Letzt noch Sohn des Geschäftsführers einer Glasfabrik, verkörpert so ziemlich alles, was sich Frauen wünschen – nur das mit den Gefühlen und Emotionen wollten noch nicht so richtig.

„Mag sein, aber eine verlorene Wette ist eine verlorene Wette! Der Deal mit Matthias war, ein Jahr lang mit dieser Amalia ein Paar zu sein ohne Schluss zu machen! Bricht die Wette, so muss ich auf ein Harry Styles-Konzert."

„Ja, aber ....", er hielt inne.

„Was?"

„...es hieß doch nur, dass du nicht Schluss machen darfst, oder?" Seine Augen leuchteten.

„Glaub nicht, ich versuchte dies nicht schon tausendmal. Habe ihren Geburtstag absichtlich verdrängt, ihr zu Weihnachten nicht gratuliert und sogar gesagt, dass ich sie nicht liebe."

„Wie wär's", sagte Juan Burito grinsend, dem eine Trennung der beiden sehr gelegen käme, „wenn du ihr diesen Valentinstag etwas schenkst."

„Was würde mir das bringen?"

Amor, Stein & Eisen brichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt