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Die Sonne schien durch das Fenster und erwärmte meine Haut. Ich öffnete langsam meine Augen, um mich an das Licht zu gewöhnen. Erst jetzt erinnerte mich an die letzte Nacht zurück. Shawn bewegte sich ein wenig neben mir, doch sein Arm blieb eng um mich geschlungen. Ich fuhr mit meinen Fingern sanft über die Konturen seines Tattoos und lächelte sogar ein wenig, bis die Realität mich wieder einholte. Es war Shawns Arm, der da um mich gelegt war und nicht der von Nate. Ich griff nach meinem Handy auf dem Nachttisch und entsperrte es. Es waren zwei verpasste Anrufe von Nate darauf, aber auch eine Nachricht, die ich sofort öffnete.
Frohe Weihnachten, Lyra. Du bist nicht rangegangen, wahrscheinlich schläfst du noch. Ich hoffe du hattest gestern Spaß. Und nochmal: Es tut mir Leid, dass ich wütend war, dass du mit Shawns Familie feierst. Ich weiß wie viel dir das bedeutet und ich war wohl einfach ein wenig eifersüchtig. Aber ich weiß, dass da mit Shawn nichts mehr läuft und ich vertraue dir. Ruf mich doch später zurück. Ich liebe dich ❤
Ich seufzte und legte mein Handy wieder auf den Beistelltisch. Eigetlich sollte ich jetzt ein schlechtes Gewissen bekommen und einfach von hier verschwinden, doch ich tat es nicht. Total in Gedanken versunken, merkte ich garnicht, dass Shawn sich hinter mir bewegt hatte, bis ich seine weichen Lippen an meinem Hals spürte. Ein vernünftiger Teil von mir wollte, dass er aufhörte. Leider war da ein anderer Teil von mir, der wollte, dass er für immer damit weitermachte. Ein leises Stöhnen konnte ich mir nicht verkneifen, worauf ich Shawns Lächeln an meinem Hals spüren konnte.
"Guten Morgen", flüsterte er, während seine Hand unter der Decke an meine Hüfte wanderte. Durch seine Berührung entstand eine Gänsehaut an meinem ganzen Körper.
"Warum hast du damit aufgehört?", murmelte ich, worauf Shawn leise lachte.
"Was meinst du?", fragte er, während seine Lippen wieder zarte Küsse auf meinem Hals verteilten. "Meinst du das?"
Ehe ich mich versah, drehte er mich an meiner Hüfte zu sich um und küsste mich zärtlich. "Oder das?"
Unsere Lippen bewegten sich im perfekten Einklang miteinander, während meine Hände seine definierten Bauchmuskeln nachfuhren. Erst als seine Hand etwas tiefer wanderte, merkte ich wieder, was ich da eigentlich tat.
"Shawn", flüsterte ich, als ich ihn sanft von mir wegdrückte. "Ich habe einen Freund."
"Ich weiß", erwiderte er. "Und trotzdem hast du die Nacht mit mir verbracht."
"Ich-"
"Warum bist du hier, Lyra?", fragte er, während seine Hände meine Wirbelsäule entlangtanzten. "Warum hast du mich gestern gebeten zu bleiben und die Tür zu verschließen?"
"Ich weiß nicht", murmelte ich, worauf er grinste.
"Oh, doch. Du weißt es", sagte er.
"Ach ja? Erleuchte mich", erwiderte ich.
"Du hast noch Gefühle für mich", sagte er und ließ seine Hände am Bund meiner Unterwäsche entlangwandern. "Oder kann er dir einfach nicht geben, was du brauchst?"
Ich schob seine Hände von meinem Körper und vergrub mein Gesicht in meinen Händen. "Was mache ich hier überhaupt? Ich hätte niemals herkommen sollen."
"Sei doch nicht so hart zu dir", versuchte Shawn mich zu beruhigen.
"Shawn, wir haben jetzt zwei Mal miteinander geschlafen und-"
"Eigentlich waren es allein letzte Nacht schon mehr als zwei Mal", korrigierte er mich, worauf ich ihm einen Klaps auf den Arm gab.
"Schau mich mal an, Lyra."
Ich drehte mich auf die Seite und blickte ihn an. Seine Hand ruhte an meiner Wange, während ich drohte, mich in seinen Augen zu verlieren.
"Letzte Nacht... hat sich das für dich falsch angefühlt?"
"Ich wünschte, es wäre so", murmelte ich, als Shawns Gesicht meinem wieder näherkam.
"Wenn sich also so gut anfühlt, wie kann es dann falsch sein?", wisperte er, sein Mund nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt.
"Verdammt", fluchte ich, bevor ich meine Lippen wieder auf seine presste. Er lächelte in den Kuss, bevor er mich näher zu sich zog, sodass kein Blatt mehr zwischen uns gepasst hätte. Rasch griff er nach meinem Bein und schlang es um seine Hüfte, bevor er sich auf den Rücken drehte, sodass ich auf seiner Hüfte saß.
Ich beugte mich wieder zu ihm herunter, als es an der Tür klopfte. Erst nahm ich es nicht richtig wahr und ließ meine Lippen weiterhin mit Shawns kollidieren, bis es etwas lauter klopfte. "Lyra?"
Erschrocken setzte ich mich auf, verlor das Gleichgewicht und fiel seitlich vom Bett.
"Alles in Ordnung bei dir?", fragte Karen durch die Tür.
"Alles super", erwiderte ich, als ich mich schnell aufrappelte und meine Hose überzog, die über dem Bettpfosten hing.
"Los, unters Bett", sagte ich zu Shawn, der mit den Augen rollte. Ich warf ein Kissen nach ihm und zog mir mein Shirt über. "Wenn deine Mom uns hier zusammen sieht, wird sie ausrasten."
"Okay", seufzte Shawn und stand langsam aus dem Bett auf.
"Lyra?"
"Ich komme", erwiderte ich, bevor ich die Zimmertür öffnete. Karen blickte mich besorgt und fragend an.
"Alles in Ordnung? Wir frühstücken gleich."
"Ja, alles okay", sagte ich. "Ich komme gleich."
"Sehr gut", erwiderte Karen lächelnd. "Weißt du, wo Shawn ist? Er war heute Morgen nicht auf dem Sofa."
"Ach ja? Keine Ahnung, wo er ist."

Als Karen wieder nach unten ging, verschloss ich zur Sicherheit nochmal die Tür und drehte mich zu Shawn um, der mit meinem Handy in der Hand neben dem Bett stand. "Loverboy versucht die ganze Zeit dich zu erreichen."
Ich lief zu ihm und wollte ihm das Handy aus der Hand nehmen, als er selbst ranging und sich das Handy ans Ohr hielt.
"Hey, Nate!", rief er in den Hörer und ließ sich auf das Bett fallen. Wütend versuchte ich ihm das Handy aus der Hand zu nehmen, doch er stand schon wieder auf und lief durch das Zimmer. "Mir geht's super, wie geht's dir? Warum ich an Lyras Handy gehe? Oh-"
Gerade als er antworten wollte, riss ich ihm das Handy aus der Hand und hielt es an mein eigenes Ohr. "Hey, Babe."
Ich blickte zur Shawn, der mich schelmisch angrinste.
"Alles okay bei dir? Warum nimmt Shawn dein Telefon ab?", fragte Nate.
"Alles okay. Ich hab ihm gesagt, er soll abnehmen. Ich helfe Karen beim Frühstück und meine Hände waren voller Mehl", log ich.
"Okay", entgegnete er, doch ich hörte das Misstrauen in seiner Stimme. "Hast du gut geschlafen?"
"Ich habe sehr gut geschlafen", erwiderte ich.
"Sie hat zu wenig geschlafen", rief Shawn in den Hörer, worauf ihm wieder einen Klaps auf den Arm verpasste.
"Was meint er damit?", hakte Nate nach.
"Garnichts. Wir haben erst um 3 Uhr geschlafen, weil wir mit Aaliyah Monopoly gespielt haben. Du weißt ja, wie das ist. Man verliert die Zeit aus den Augen."
"Okay", gab er zurück.
"Du glaubst mir doch, oder?", fragte ich. "Das mit Shawn ist vorbei und-"
"Lyra, ich vertraue dir, okay?", entgegnete er.
"Okay."
"Ich muss dann auflegen", erwiderte Nate. "Ich liebe dich und richte allen Frohe Weihnachten aus."
"Mache ich", sagte ich. "Ich liebe dich auch."
Gerade als ich aufgelegt hatte, ließ ich mich auf Shawns Bett fallen. "Ich bin ein schlechter Mensch."
Shawn seufzte und setzte sich neben mich. "Das finde ich nicht, Lyra."
"Ich belüge meinen Freund jeden Tag und schlafe mit meinem Ex."
"Dann musst du es ihm sagen", erwiderte er.
"Das werde ich, aber jetzt gehen wir erstmal nach unten, bevor deine Mom mich nochmal holen kommt."

"Als hättest du meine Gedanken gelesen!", staunte Karen, als sie ihr Gartenset auspackte. "Erst neulich ist mir meine kleine Schaufel verloren gegangen. Danke, Lyra."
"Kein Problem", erwiderte ich. Manny hatte ich einen sehr guten Whiskey geschenkt und für Aaliyah hatte ich Tickets für ein Eishockey-Spiel besorgt. Für Shawn hatte ich ein braunes Notizbuch im Vintage-Look, in das er seine Songs schreiben konnte.
"Na mach schon auf!", rief Karen aufgeregt, als ich ihr Geschenk auspackte. "Es ist von Manny, Aaliyah und mir."
Hinter den Schichten von Geschenkpapier fand ich ein wunderschönes schwarzes Tutu vor. "Wow, es ist wunderschön", bedankte ich mich. "Vielen Dank."
Shawn reichte mir eine verpackte Box. "Das ist von mir."
Ich lächelte ihm schwach zu und nahm sein Geschenk entgegen. Ich öffnete die Geschenkbox, in der die passenden schwarzen Balletschuhe lagen. Ich nahm sie in die Hand, um sie zu begutachten. "Shawn, die sind toll. Dankeschön."
"Gern geschehen", sagte er und lächelte mich an.

Tides [german] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt