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Nach dem Treffen mit Luke hatte ich meine Sachen fertig gepackt und mein Handy gefühlte 10 Jahre angestarrt. Ich brauchte ein klärendes Gespräch mit Shawn. Ich würde ihm wohl kaum mein Herz vor die Füße legen, aber wenn er mir sagte, er wäre bereit für einen Neustart, dann wäre ich das auch. Und wenn er mir klar machen würde, dass es für ihn nur etwas körperliches ist, würde ich das akzeptieren und versuchen, das mit Nate zu retten.
Ich schrieb ihm eine Nachricht, um nach einem Treffen am nächsten Morgen vor meiner Abreise zu fragen und glücklicherweise stimme er sofort zu.
Auch wenn es kaum möglich war, zu schlafen, zwang ich mich still zu liegen und meine Augen geschlossen zu halten. Meine Gedanken kreisten unaufhaltsam um Shawn und Nate. Ich war immer noch nicht wirklich bereit dazu, Nate von all dem zu erzählen, aber ich war es ihm definitiv schuldig. Die Nervosität drückte auf meinen Magen und verursachte ein flaues Gefühl.
Als mein Wecker klingelte, lag ich bereits hellwach in meinem Bett. Langsam schwang ich meine Beine über den Rand meines Bettes und richtete mich auf. Während mein Kaffee in der Küche kochte, duschte ich, zog mich an und scheiterte lächerlich an dem Versuch meine Augenringe zu überdecken.
Mein Körper war dauerhaft von einer Gänsehaut überzogen und als ich endlich ins Auto stieg hätte ich am liebsten einfach nur aufs Gas gedrückt und wäre ohne Ziel losgefahren. So schön diese Vorstellung auch war, ich konnte sie leider nicht erfüllen. Shawn und ich hatten uns in einem kleinen Café verabredet. Ich hatte nicht vor Kuchen zu essen und einen Plausch über banale Dinge zu halten, doch Shawns Eltern waren zu Hause und das Letzte, was ich wollte war, dass sie irgendetwas mitbekamen.

"Hey", begrüßte mich Shawn, der kurz nach mir ins Café kam. Ich schenkte ihm ein nervöses Lächeln.
"Hey."
"Willst du was trinken oder essen?", fragte er aufmerksam und deutete auf die mit Leckereien gefüllte Theke.
Langsam schüttelte ich den Kopf und setzte mich.
"Nein, danke. Ich will nur... reden."
Shawns braune Augen suchten den Kontakt zu meinen und er hielt meinen Blick fest.
"Ich bin ganz Ohr."
Ich holte tief Luft.
"Okay, ich weiß wir Leben im 21. Jahrhundert und es ist nichts Außergewöhnliches, wenn zwei erwachsene Menschen eine rein körperliche Beziehung haben. Aber wir waren nunmal früher zusammen und wir waren oder sind immer noch beste Freunde... Irgendwie. Und ich kann so wie es jetzt ist nicht weitermachen. Ich habe einen Freund, den ich liebe und bevor ich versuche etwas zu retten, was beinahe zu retten ist, will ich einfach wissen, ob dann noch du dazwischen funkst, weil du mich aufeinmal zurückgewinnen willst oder so."
Shawn sah mich schweigend an.
"Du gehst also zurück zu Nate?", fragte er und klang dabei tatsächlich ehrlich verletzt.
"Was erwartest du? Er ist mein fester Freund und ich liebe ihn."
"Und was ist mit mir?"
"Dich habe ich mal geliebt, Shawn. Und es hat nicht funktioniert."
"Ja, aber ich bin ja wohl nicht der einzigen, der die Spannung zwischen uns fühlt",konterte er.
"Hör mal, ich will es nicht schlimmer machen, als es ist. Ich will lediglich wissen, ob es für dich nur körperlich oder mehr ist", räumte ich ein und sah Shawn ins Gesicht.
"Was ist es für dich?", stellte er mir die Gegenfrage. "Das ist nicht von Belang, Shawn."
Er seufzte, fuhr sich durchs Haar und antwortete dann: "Ich hab dich nie wirklich hinter mir lassen können, Lyra."
"Okay."
"Okay? Mehr hast du nicht zu sagen?"
"Danke, dass du so ehrlich warst. Ich muss jetzt sowieso los."
Ich stand schnell auf, schlüpfte in meine Jacke und lächelte Shawn peinlich berührt zu.
"Hey, willst du dich nicht wenigstens verabschieden?", fragte Shawn, als er hinter mir das Café verließ.
Ich blieb stehen, drehte mich zu ihm um und ehe ich mich versah, küsste er mich.
"Ich werde dich vermissen, Lyra."
Er löste sich von mir, verzog seinen Mund zu seinem schelmischen Grinsen und zwinkerte mir zu, ehe er auf dem Absatz kehrt machte und ich nur noch seinen Rücken sehen konnte.

Es war kein langes Gespräch gewesen, aber es hatte Klarheit verschaffen. Oh, und ein mir ein klopfendes Herz.
Shawn hatte offensichtlich auch wieder Gefühle für mich. Oder immer noch. Ich stieg in meinen Wagen, startete den Motor und drehte die Musik so laut auf, dass ich auf der ganzen Fahrt zur Uni keinen Platz für jeglichen Gedanken hatte. Als ich jedoch vor dem kleinem Haus parkte, in dem wir unsere Wohnung hatten, schlug mein Herz bis zum Hals und in meinem Kopf wirbelten die Gedanken schneller denn je.

"Ich bin wieder da!", rief ich leise in die Wohnung.
"Lyra!", begrüßte mich mein Freund freudig und nahm mich sofort in die Arme. Der Gedanke daran, dass sein Lächeln gleich aus seinem Gesicht rutschen würde und ich der Grund dafür war, brach mir jetzt schon das Herz.
Sanft drückte ich ihn von mir weg.
"Nate, wir müssen reden", flüsterte ich fast.
"Ist alles okay?", fragte er und sah mich besorgt an.
"Ich habe mit Shawn geschlafen."

Tides [german] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt