1 | alles neu

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Irgendwie ironisch, dass alles mit einem Umzug beginnt, wie in den klassischen, amerikanischen Teenie-Filmen, in denen das neue, schüchterne Mädchen, auf den gut aussehenden Football Kapitän trifft, der seine Freundin, das schönste Mädchen der Highschool und Anführerin der Cheerleader, für sie verlässt. Nur ist mein Neustart alles andere als hollywoodreif und völlig uninteressant.

Meine Mom und ihr Lebensgefährte, namens Patric, dessen Name mich ständig an den verkorksten Seestern aus Spongebob erinnert, hatten den Umzug schon Monate voraus geplant und mich so gut es ging integriert. Es war nicht dieser spontane Überraschungsumzug, wodurch ich viel Zeit hatte, über alles gründlich nachzudenken. In eine kleine Stadt in Kalifornien zu ziehen, war ein riesiger Schritt. Für uns alle. Trotzdem schwärmten sie beide schon Wochen vorher von unserem neuen Haus am Strand, Mom war begeistert von ihrer neuen Arbeitsstelle und auch für Patric's Neustart wurde ihm ein roter Teppich vor den Füßen ausgerollt, denn er bekam in Hayward gleich einen höheren Posten als Deputy Chief. Ich hingegen konnte ihre Begeisterung nur schwer teilen. Für mich hieß ein kilometerweiter Umzug, dass ich eine neue Highschool besuchen werde und keine Menschenseele kenne. Dass mich das bis zum jetzigen Zeitpunkt mehr bedrückte als ich jemals zugeben würde, behielt ich für mich, um keinen unnötigen Stress zu machen und in Mom's und Patric's Augen immer noch das vernünftige, reife Mädchen zu sein. Ich werde den Kopf nicht hängen lassen.

Gerade stehe ich an meinem ersten Schultag, auf dem Parkplatz der Schule, wo ich - Gott sei dank - einen akzeptablen Platz gefunden habe, der etwas abgelegender, im Gegensatz zu den anderen Parkplätzen liegt. Somit kann ich mit höherer Sicherheit davon ausgehen, dass ich nicht versehentlich den Stammplatz eines Mitschülers erwische, der dann direkt zu Beginn einen Hass gegen mich hegen könnte. Und ich möchte einfach ungerne auffallen. Das ist absolut nicht mein Ding.
Immerhin ist das hier mein Senior Highschool Jahr und da sollte die Konzentration auf meinen Leistungen und nicht auf meinem Beliebtheitsstatus liegen.

Mit diesem abschließenden Gedanken, gehe ich über den Campus zum Schuleingang, ohne einmal wirklich meinen Kopf zu heben. Ich habe online Fotos der Schule gesehen und weiß somit, wie mächtig groß und rustikal das Außengebäude wirkt, sodass ich nicht den Drang dazu verspüre, mich theatralisch vor den Eingang der Schule zu stellen und laut auszuatmen, wie es alle Neuankömmlinge in den Hollywood Filmen es tun. Und es ist zudem nun einmal so, dass man selber nicht beachtet wird, wenn man andere nicht beachtet. Da wäre ich dann wieder beim Thema Aufmerksamkeit.

Drinnen, erlaube ich mir dann doch zwei, drei Blicke, die mir bestätigen, dass diese Schule von der Einrichtung her, keine Besonderheit ist. Überall weiße Wände, an einigen Stellen mit Plakaten oder schwarzen Wegweisern versehen, hier und da gelbe Schließfächer, große, dunkle Türen oder Abbiegungen und Treppen in andere Gänge. Ich folge dem Schild, das mir den Weg ins Sekretariat vorgibt und lande letztendlich in einem sehr bunt dekorierten Raum, mit einem großen Tresen, hinter dem eine korpulentere Frau steht, dessen Augen mich durch eine dicke Hornbrille mustern, als ich zögernd auf sie zukomme.

»Guten Tag, ich bin Breana Collins. Die Neue«, ich kann mich gerade zu einem Lächeln zwingen. Die Neue. Wie abartig klingt das? Ich würde sagen auf einer Skala, so abartig, dass ich am liebsten kotzen würde.

»Hallo, Breana, willkommen«, nach dieser kurzen Begrüßung, setzt sich die Dame an ihren Computer, tippt irgendetwas und startet den Kopierer, der zwei bedruckte Blätter ausspuckt. Diese legt sie mir vor die Nase, damit ich einen Blick darauf werfen kann.
»Das hier ist dein Stundenplan. Dort stehen deine Kurse, die zugehörigen Lehrer und Räume. Die verschiedenen Trakte sind im ganzen Haus ausgeschildert, aber ich habe dir trotzdem einmal einen Gebäudeplan kopiert, falls du einen Raum doch nicht finden solltest. Deine Schließfachnummer und den dazugehörigen Code werde ich dir noch schnell aufschreiben und dann kann es auch schon losgehen.«

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