Tag 2

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Er verließ seine Hütte für den Rest des Tages nicht. Als Rose Stunden später an seiner Tür klopfte, schob er es auf das Schwächegefühl, das ihn noch immer im Griff hielt, obwohl seine Stimme wieder vollständig zurückgekehrt war, aber viel mehr war es Ace, dem er aus dem Weg gehen wollte. Rose hatte verständnisvoll mit dem Kopf genickt, auch wenn er ihr ansehen konnte, dass sie wusste, dass mehr hinter der Sache steckte. Lancer dankte ihr im Stillen, dass sie ihn nicht mit Fragen durchbohrte, sondern ihn in Ruhe ließ. Die Stille, die sich daraufhin im Raum ausbreitete, war keineswegs angenehm, vor Roses Auftauchen hatte er seine Gedanken noch gewaltsam auf unbedeutende Dinge gelenkt und versucht sich abzulenken. Das wurde zunehmend schwerer, weil sein Kopf begann ihm Streiche zu spielen und so sehr er sich auch wehrte, immer öfter kehrten die verhassten blauen Augen in seine Gedanken zurück. Egal wie er es drehte und wendete, es machte einfach keinen Sinn, weshalb Ace ihm ausgerechnet jetzt wieder begegnete, wo er doch auf dem besten Wege gewesen war, den Schwarzhaarigen endgültig zu vergessen.

Die zentrale Frage, die ihm auf der Zunge brannte, war jedoch, warum der Schwarzhaarige überhaupt an diesem Projekt teilnahm. Er war einer der Besten, einer, den man immer gut brauchen und auf den man eigentlich in Einsätzen nicht verzichten konnte. Ihm ergab sich kein Szenario, dass dafür gesorgt haben konnte, dass die obersten Einsatzkoordinatoren Ace für solch ein Projekt derart lange freigestellt hatten. Bedauerlicherweise war der Einzige, der ihm die benötigten Antworten geben konnte, Ace selbst und somit schied es ohnehin aus ihn zu fragen, um dieses Rätsel zu lüften. Vielleicht würde einer der anderen Ace zum reden bringen, immerhin hatte sie auf sein Auftauchen nicht minder überrascht reagiert als Lancer. Nur traute er es keinem von ihnen wirklich zu. Aber es bestand die Chance, dass Ace's Hitzköpfigkeit ihm in die Karten spielen würde, manchmal neigte der Schwarzhaarige im Affekt dazu sich zu verplappern. Doch er machte sich auch keine Illusionen. Diese Chance war sehr gering.

Nach einer Weile des Grübelns war es Corvin, der ihn aus seinen Gedanken riss und laut polternd die Tür öffnete, nur um sich schnaufend über die Schwelle zu hieven und sich sogleich auf sein Bett zu werfen. Das Training schien ihn wirklich mitgenommen zu haben, denn zum ersten Mal blieb er stumm liegen und bombardierte Lancer nicht mit einem Schwall an Worten. Seine roten Haare waren noch nass, wahrscheinlich hatte er eben noch geduscht und standen in alle Richtungen ab. Ein belustigender Anblick, der Lancer es schwer machte ein Lächeln zu unterdrücken. Doch er wollte sich nicht über den Jungen lustig machen, dass hatten andere gewiss schon getan und als Mitbewohner mussten sie irgendwie zusammenhalten. Also verbiss er sich jeden Kommentar und sagte in einem bemühten neutralen Tonfall: „Corvin? Alles in Ordnung?"

„Nein", brummte der Rotschopf in sein Kissen, „die haben uns Stunden lang durch diesen blöden Wald rennen lassen und jetzt tut mir alles weh. Wirklich alles. Sogar mein Hintern, wobei ich nicht weiß, ob die Schmerzen dort vom Laufen stammen oder von meinem Sturz. Ich habe mich vor versammelter Mannschaft langgelegt, als ich versucht habe über einen Baumstamm zu springen. Man könnte also sagen, mein Stolz hat heute am meisten gelitten."

Wieder zuckten Lancers Mundwinkel verräterisch, aber es gelang ihm erneut sich in Schach zu halten.

„Mach dir nichts daraus, dass kann jedem mal passieren."

„Das musstest du jetzt sagen", sagte Corvin leidend und sah von seinem Kissen auf. Seine Gesichtszüge waren ungesund blass, so dass man ihm die Erschöpfung geradezu ansehen konnte. „Dabei wissen wir beide, dass es nicht stimmt. Ace zum Beispiel würde niemals fallen. Der war ja nicht einmal sonderlich warm, als wir aufgehört haben. Ich wette mit dir, dass er noch Stunden hätte laufen können, ohne aus der Puste zu sein und noch genauso elegant und flüssig zu laufen wie in den ersten fünf Minuten."

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