23. September 1914

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23. September 1914

Morgen ist es so weit. Bei Sonnenaufgang haben wir den Befehl zum Ausmarsch. Ich bin angespannt. Die Aufregung sammelt sich in meinem Bauch und lässt mich ruhelos umherlaufen. Noch sind es ein paar Stunden, bis wir uns in die Decken rollen sollten, also werde ich mir zusammen mit den anderen einen kleinen Beruhigungsschluck genehmigen.

...

Das tat gut, ich fühlte mich gleich viel besser, als mir der Schnaps die Kehle runterbrannte. Wir saßen in einem kleinen Lagerraum, Kisten dienten uns als Sitzgelegenheiten und wir machten Witze über das, was uns morgen wohl erwartet. Plötzlich öffnete sich die Tür und unser Leutnant steht bedröppelt inmitten seiner Einheit in dem kleinen Räumchen. Alle starrten ihn an.

„Lassen Sie sich nicht stören, meine Herren! Doch seien Sie so gut und geben Sie mal die Flasche herüber!"

Da fängt Hanken lauthals an zu lachen und wirft ihm die Flasche rüber. „Sagen Sie, Herr Leutnant, Sie sind doch wohl nicht aufgeregt?"

„Ach woher! Es ist nicht mein erster Einsatz, wissen Sie, Hanken? Doch so ein kleiner Schluck vor dem Schlafen bringt mir stärkere Nerven, die Ihnen vermutlich morgen den Hintern retten werden!" Er lachte und nahm einen großen Schluck aus der Flasche.

Zu unser aller Überraschung blieb der Leutnant da und verblüffte uns damit, dass er jeden beim Namen ansprach und gezielt Fragen zur Familie oder Problemchen jedes Einzelnen stellte. Paulsens kleine Schwester war krank, dass wusste jeder, doch woran genau sie litt, vergaßen wir sofort, nachdem es uns erzählt wurde – irgendeine böswillige Krankheit, der nicht beizukommen war. Doch Meyer fragte ihn gezielt, ob sie schon diese oder jene Therapie versucht hätten. Da staunten wir nicht schlecht! Er ist nicht einmal eine Woche bei uns und weiß über alles Bescheid! Das konnten wir nicht auf sich beruhen lassen, gerade Hanken hat ein sehr loses Mundwerk und der Schnaps machte es nicht besser.

„Herr Leutnant! Sie wissen ja wohl alles über uns, aber wir wissen gar nichts über Sie, das scheint nicht recht zu sein!"

Wir sahen Hanken schon Strafrunden laufen, aber Meyer lachte nur und forderte uns auf, unsere Fragen zu stellen, die uns offenbar auf der Seele brannten. Das ließen wir uns ja nicht zweimal sagen.

„Wo kommen Sie her, Herr Leutnant?"

„Aus einem Örtchen nahe bei Löhne, Herr Müller."

Auch ich hob meine Hand, die Frage brannte mir seit der ersten Begegnung auf der Zunge. Wir hatten schon gerätselt, waren aber zu keinem Ergebnis gekommen.

„Schröder, was möchten Sie wissen?"

„Wie alt sind Sie, Herr Leutnant?"

„Was glauben Sie denn, meine Herren?", grinste er und dann fingen wir reihum an zu raten. Viele behaupteten, er sei sicher schon dreißig, da er häufig so altklug daherredete, andere schätzten ihn auf Ende zwanzig.

„Sie liegen daneben, im Frühjahr habe ich mein dreiundzwanzigstes Lebensjahr vollendet."

Paulsen pfiff durch die Zähne, das hatten wir nicht erwartet.

Doch Hanken der Dussel, rief schon die nächste Frage: „Haben sie ein Mädchen in der Heimat, Herr Leutnant?", dabei machte er das schmierigste Grinsen, was ich je gesehen habe.

„Nun Herr Hanken, ich fühle mich geschmeichelt, da Sie so ein brennendes Interesse an meinem Liebesleben zu haben scheinen, ich kann Ihnen jedoch sagen, dass außer meiner Mutter und meinen Schwestern, wohl keine Dame in der Heimat auf mich wartet." Er schmunzelte, während Hankens Wangen Feuer fingen und der Rest der Truppe sich schenkelklopfend über ihn amüsierte. Geschah ihm ganz recht, was stellte er einem Vorgesetzten auch so eine Frage.

Nachdem wir uns beruhigt hatten, löste sich die Runde auf und wir schlurften alle in unsere Unterkünfte.

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