23. September 1914 (II)

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Johann Meyer schreibt, wie alle anderen, Briefe in die Heimat. In der Regel gehen die Briefe an seine Eltern, die sie der ganzen Familie zugänglich machen. Mit seiner jüngsten Schwester Emma hatte er jedoch schon immer ein besonderes Verhältnis, das auch im Krieg gewahrt wird, indem er ihr anders, als seinen anderen Geschwistern, Briefe zusendet, die sie den Eltern nicht vollständig vorlesen soll.

23.9.1914

Liebes Emmeltierchen!

Ich hoffe es geht Dir gut! Seit Oktober habe ich nichts von mir hören lassen, aber du bekommst die Briefe an Mutter und Vater ja auch zu sehen. Den Film, welchen du mir geschickt hast, wird bald mit Photographien gefüllt sein, ich denke, es werden nicht alle gelungen sein. Wenn du es einrichten kannst, schick mir doch recht bald einen neuen. Ich habe jetzt eine neue Truppe unter meinem Kommando. Ich bin ihnen entgegengeschickt. „Holen Sie die Kerls ab!" Und schon wurde ich in den nächsten Zug gesetzt. (Vielleicht hat der Rittmeister auch gedacht, dass mir ein paar Tage fern der Front gut täten.) (Du erinnerst Dich doch an unsere Abmachung, nicht wahr?)

Morgen haben viele meiner Leute ihren ersten Einsatz im Schützengraben. Ich hoffe, ich bekomme alle wieder heil hinaus.

Kannst Du Mutter sagen, dass ich sie um mindestens 20 dicke Kerzen bitte? Hier gibt es in den Kantinen keine und meine Leute müssen dann abends im Dunkeln und noch dazu in kalten feuchten Erdlöchern hocken und da möchte ich, dass sie wenigstens etwas Licht hätten.

Es sind 5 Tage im Graben, sorgt euch also nicht, wenn ihr nicht sofort etwas hört.

Auf bald Du liebe Schwester! Grüße bitte alle recht herzlich von mir.

Dein treuer Bruder Johann

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AutorsNote - Ich versuche dem Sprachstil der Zeit treu zu sein, wenn etwas unklar sein sollte, scheut euch nicht, zu fragen :)

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