Kapitel 2.4

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~Unterwelt - Knochenschloss~

Nemesis, der Höllenfürst lehnte sich in seinem Thron aus geschwärzten Knochen zurück und seufzte leise, ehe er sich die Schläfen rieb. Als Höllenfürst gehörte er zum göttlichen Dreieck und er ging seiner Aufgabe schon seit vielen Jahrtausenden, genau genommen, seit Anbeginn der mittleren Galaxie, nach. Doch langsam spürte er das Alter in seinen Knochen und vor allem in seiner Seele. Das ständige Regieren und Kontrollieren der Hölle und das Reinigen der gestorbenen Seelen, ließ ihn einsam und gelangweilt zurück.

Selbst für einen Dämon sah dieser schon älter aus. Sein einst langes, schwarzes Haar hatte einige silbergraue Strähnen und die violetten, widderähnlichen Hörner auf seinem Kopf wurden auch zusehens dunkler. Ein paar kleine Falten zierten sein Gesicht. Gerade die Lachfältchen um seinen Mund waren tief, denn früher einmal war er jemand gewesen, der durchaus geliebt und gelacht hatte. Doch das war schon Jahre her. Dennoch sah man seinem durchtrainierten Körper das Alter kaum an. Normale Dämonen wären mit diesem Alter schon längst verfallen, oder hätten sich schlafen gelegt, um vielleicht zu versteinern. Doch er war kein normaler Dämon. Er war ein Höllendämon. Der allererste von den Altdrachen geschaffene Dämon. Ein mächtiges Wesen mit der Aufgabe den gestorbenen Seelen den Weg zu den Seelenwächtern zurückzuweisen und sie von allen Erinnerungen ihres Lebens zu befreien.

Eine Aufgabe, die viel Nerven und auch Lebensenergie zu kosten schien.

Der Höllenfürst wirkte menschlich, denn er fühlte sich in diesem Körper wohler. Sein Dämonenkörper, eine über zwei Meter große, zwar menschenähnliche, aber geschuppte Gestalt, war auch durch die langen Klauen sehr unpraktisch. Die Flügel konnte er auch noch in dieser Gestalt nutzen und sie lagen jetzt hinter ihm auf der Lehne des Throns. Ein Thron, der extra für seine fledermausartigen, schwarzen Flügel gefertigt war.

Eigentlich wollte er sich gerade erheben, doch er spürte die Macht, die sich zusammenbraute und lehnte sich wieder zurück. Ein wenig ungeduldigt wartete er darauf, dass der Dämon sich materialisierte, denn eigentlich war seine Audienzzeit vorbei. Doch es war nicht einfach nur ein normaler Dämon.

Blondes Haar, dass ein wunderschönes, leicht rundliches Gesicht umrahmte, welches mit vielen schwarzen Mustern bedeckt war. Dazu ein Körper, der so gewählt war, dass es viele magische Wesen, egal welcher Rasse, aus dem Konzept brachte.

"Nadeschda", grüßte er seine Nichte mit einem sanften Lächeln.

Die junge Frau neigte den Kopf und trat auf den Höllenfürsten zu. "Ich habe etwas für dich", erklärte sie mit ihrer melodischen Stimme und Nemesis seufzte.

"Kannst du nicht einmal hier erscheinen, ohne Arbeit für mich mitzubringen?", fragte er und klang fast traurig. Er hatte seine Nichte schon lange nicht mehr privat gesehen und dabei war Familie ihm sehr wichtig. Aber seitdem sie für die Schicksals-Göttin arbeitete, war sie kaum noch hier in der Hölle.

"Tut mir leid, aber es gibt viel zu tun", erklärte sie, doch Nemesis hörte keine Reue, oder Bedauern. Die Arbeit schien ihr Spaß zu machen. Mehr als ihre Familie, wie es schien.

Also erhob er sich, um die magische Schriftrolle entgegen zu nehmen. Noch bevor er sie aufgerollt hatte, verschwand die blonde Dämonin auch schon wieder und Nemesis blieb in seinem ruhigen Thronsaal zurück.

Müde ging er wieder zurück auf den Thron und ließ sich nieder, ehe er die Schriftrolle ausrollte und begann zu lesen.

Es war eine alte Schrift, die außer dem Dreieck der Macht, wie die drei Wesen, die das Gleichgewicht der Welt aufrechterhielten, auch genannt wurden, niemand mehr lesen konnte. Deshalb nannte man sie Sprache und Schrift der Götter. Obwohl gar nicht so viel Göttliches dabei war. Früher hatte jeder diese Sprache verwendet.

Nemesis Blick glitt über die Zeilen und dann seufzte er, ehe er das Schreiben noch einmal las.

Er war es wirklich nicht mehr gewohnt von der Schicksals-Göttin derartige Post zu bekommen. Nicht, seitdem ihre Beziehung in die Brüche gegangen war.

Außerdem hatte er bereits gewusst, dass es in Yama nicht so gut aussah, doch warum er nun dorthin reisen sollte, um die neue reichskönigin kennenzulernen, war ihm schleierhaft. Wollte Kirara von ihm eine Einschätzung ihrer Macht, oder sollte er dort etwas anderes tun?

Nemesis konnte es nicht genau sagen. Die Schicksals-Göttin teilte nur selten mit, was genau so von einem wollte. Aber im Grunde hatte er keine andere Wahl.

Also rollte er das Schriftstück zusammen und schwarzes Höllenfeuer schlängelte sich an diesem entlang und verbrannte es zu Asche. Eine Gabe seiner Familie, die noch von den Altdrachen stammte. Mächtig und selbst für die jetzigen Götter gefährlich. Eben die Macht eines Gottes.

Nemesis wandte sich an seinen Sohn. "Ich werde die Hölle für eine Weile verlassen", erklärte er mit Tenorstimme, sprach jedoch absichtlich im tieferen Bereich, damit es beruhigender klang. Und obwohl sein Sohn ihn fragend anblickte, nickte er und hielt den Mund. Er war zwar sein Sohn, hatte aber kein Recht darauf etwas zu erfahren, was der Höllenfürst ihm nicht direkt mitteilen wollte. Er musste in dessen Abwesenheit lediglich seinen Aufgaben nachgehen. Aufgaben, die darin bestanden, die Abwesenheit des Höllenfürsten zu verschleiern und ihn bei Audienzen zu vertreten. Dinge, die er früher sehr häufig getan hatte, doch schon lange nicht mehr hatte tun müssen. Was sein Vater wohl vorhatte?

Nemesis machte sich in seine Gemächer auf und kleidete sich elegant, aber unauffällig. Eher wie ein adliger Bewohner von Yama und nicht wie der Höllenfürst, oder wie es für Dämonen sonst üblich war.

Danach trat er auf einen Spiegel zu, der mit geschwärzten Knochen umrandet war.

Dieser würde ihn in eine andere Welt bringen. Auf jeden Planeten, den er wollte.

Seine Hand legte sich auf die Spiegelfläche und er leitete seine Macht hinein. Sofort begann sich die Spiegelfläche in ein tiefes Schwarz zu verfärben und wurde von einer festen Eben zu etwas, durch das der Höllenfürst nun hindurch glitt.

Er spürte das Kribbeln auf seiner Haut und den Sternenstaub, der in seinen Körper eindrang. Dabei zogen sich seine Hörner zurück und seine geschuppte Haut wich normaler, menschlicher Haut. Seine Flügel spannten kurz unangenehm, ehe auch diese sich zurückzogen und in seinem Körper verschwanden. Die Kleidung, die er trug, passte sich magisch an und schließlich war er kein Dämon mehr, sondern ein stattlicher Mann mit gutem Körperbau und langem, glänzenden, schwarzen Haar, das zu einem Pferdeschwanz gebunden war.

Seine violetten Augen zeugten noch von seinem dämonischen Ursprung, doch Dämonen waren nicht die einzigen Wesen mit dieser Augenfarbe, weshalb er damit nicht auffallen sollte.

Er trat mit einem Schritt zwischen zwei Bäumen hervor und auf das Gras, das auf der weiten Ebene wuchs, die sich mitten in der Stadt von Yama befand. Im Schlossgarten der Königin, der für alle zugänglich war.

Ein sehr schöner und gepflegter Ort, der irgendwie zu der Frau passte, die er als neue Königin gesehen hatte. Natürlich war ihm ihr Aussehen nicht fremd und er hatte sie schon mehr als einmal beobachtet, doch getroffen hatte er sich noch nie mit ihr. Nicht mehr, seitdem er mit der Schicksals-Göttin über dem Aufenthalt auf einem Planeten in Streit geraten war. Seine Aufgabe war die Hölle, dass hatte sie ihm immer wieder klargemacht und Nemesis hatte diese Art von Streit versucht beizulegen, indem er nicht mehr so häufig die Unterwelt verließ. Doch das leben der anderen Wesen faszinierte ihn. Das hatte es schon immer getan und würde es auch weiterhin tun.

Jetzt war allerdings noch die Frage, wo er auf diese Frau treffen konnte. Nach der Krönung sollte ein Fest anstehen. Nemesis wandte seinen Blick in eine Richtung und streckte seine Sinne aus. Das tat er mehrmals und es dauerte nicht lange, da hatte er eine Menschenmenge ausgemacht. Er setzte sich in Bewegung und schlenderte auf diese zu, um nach der Königin zu suchen.

Im Bann der Unsterblichkeit ~Shionis Geschichte~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt