01| Trautes Heim

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»In jedem neuen Anfang liegt ein Zauber inne

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»In jedem neuen Anfang liegt ein Zauber inne.«

– Hermann Hesse

A N I S A

Ich packe meinen letzten und einzigen Umzugskarton, der ein Tablet, eine abgewetzte Lederjacke, einige Klamotten und ein paar Kopftücher beinhaltet und streife durch den heruntergekommenen Gang unseres Hauses.

Ich sage bewusst ›Gang‹, denn um einen Flur aus ihm zu machen, bräuchte er sowas wie Licht.

Auf der Suche nach etwas Ruhe, hat mein Vater Bielefeld gegen Freiburg ausgetauscht. Meine Mutter ist von diesem Umzug absolut begeistert. Sie kann es kaum erwarten nach Freiburg zu ziehen, wo sie ihre Freundinnen ganz in der Nähe hätte. Ununterbrochen redet sie von all den neuen Dingen, die wir sehen und unternehmen werden. Aber ich fühle mich schrecklich. Ich will nicht umziehen.

»Du wirst neue Freunde finden, Anisa«, trösten mich meine Eltern. Aber ich – wie es wohl die meisten achtzehnjährigen Mädchen tun würden, hasse sie dafür, dass ich wegen ihnen die Freunde, die ich mir über all die Jahre gemacht habe, aufgeben muss.

Da unser neues Zuhause bereits komplett möbliert ist, lassen wir so gut wie alles zurück. Einige persönliche Besitztümer werden uns in einem kleinen Umzugswagen folgen.

Baba hat uns verraten, dass er unser Haus an eine kleine, nette, deutsche Familie verkauft hätte. Ich bin nicht froh darüber, dass sich in meinem Zimmer kleine Kinder aufhalten werden und noch totunglücklicher bin ich darüber, dass dieses knirschende, aber dennoch erinnerungsreiche Dachbodenzimmer, nicht mehr Teil meines Lebens sein wird.

Widerwillig verabschiede ich mich der Reihe nach von den vereinzelten Räumen und sehe meiner Mutter dabei zu, wie sie ihre Sachen durchgeht. »Ich weiß, es fällt dir schwer, dich von alten Gewohnheiten zu trennen«, redet sie mir gut zu, als sie mich so missmutig dastehen sieht. »Betrachte es doch einfach als ein Abenteuer.«

Ich schnaube ärgerlich und drücke den Karton in meinen Händen enger an meine Brust. »Kein Interesse an Abenteuern.« Ich denke an meine Schule, meine beste Freundin Fadoua. Sie wird sich sicher die Augen ausweinen, weil sie mich so vermisst. Mit wem werde ich denn jetzt all meine Geheimnisse teilen?

Ich schlucke schwer und bekämpfe die aufsteigenden Tränen. »Warum habt ihr mir nichts davon erzählt? Jetzt kann ich mich noch nicht einmal mehr von meinen Schulfreunden verabschieden«, zische ich verärgert und spüre, wie meine Unterlippe beginnt zu beben.

Der Umzug kam total unerwartet. Meine Eltern hielten es für richtig, ihn mit sich selbst auszumachen, ohne mich auch nur zu fragen. Ich habe zwar versucht ihnen zu erklären, warum ich Bielefeld auf keinen Fall verlassen kann. Dabei dachte ich an erster Linie an meine Schule. Aber die Entscheidung war schon gefallen und damit musste ich mich wohl abfinden.

Liebe HalalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt