Deal und Verrat

209 13 0
                                    


Dean hörte, wie Castiel aufstöhnte. Er wandte den Kopf und sah die weit aufgerissenen Augen des Engels, der offenbar das Bewusstsein wiedererlangt hatte.
Ja. Es schien, als hätte Cas sie ebenfalls erkannt.

„Chastity!"

Und in der Tat. Das Wesen, das da vor ihnen stand und eine so starke Präsenz im Raume versprühte, die angsteinflößend und doch irgendwie auch erregend zu gleich war, war Chastity, jene junge Frau in diesem Etablissement, das Dean und Cas aufgesucht hatten, und wo Dean geplant hatte, Cas die Unschuld rauben zu lassen. Bevor er sich entschieden hatte, das doch lieber selber zu tun.
Weil ...
Nun, weil er Cas liebte und wollte, dass es für Cas ein unvergessliches und schönes Erlebnis sei.
Und nun stand Chastity also vor ihnen.

„Dean", sagte sie und nickte ihm zu, „Castiel."
„Ihr kennt sie?"
Sam zerrte an seinen Fesseln, während er Dean mit großen Augen ansah.
„Ihr seid ihr schon einmal begegnet?"
„Ja", sagte die Göttin, „dein Bruder und sein Freund hatten bereits die Ehre, Sam."
Ihr Blick blieb nun an Dean hängen.

„Ich glaube das einfach nicht", schimpfte Dean. „Was zum Teufel hast du ... dort ... gewollt? Und wer bist du?"
Sie ließ ein volles, wohltönendes Lachen erklingen.
„Nun, zu deiner zweiten Frage zuerst Dean. Ich bin die Göttin der Keuschheit."
Dean sog verblüfft die Luft ein.
„Unter den ersten weißen Siedlern hier im Land waren auch ein paar aus Osteuropa, und auch wenn sie alle den Christengott verehrten, haben sie doch mich nicht ganz vergessen gehabt. Sie brachten mich mit hierher in ihren Legenden ... Ich habe mich hier wohlgefühlt und bin geblieben. Und jedes Jahr um diese Zeit bringt man mir ein Opfer. Nun ja, so war es in den vergangenen Jahrhunderten. Als die Menschen immer weniger an mich zu glauben begannen, habe ich angefangen, eigene Wege zu gehen. Ich suche mir schon lange meine Opfer selbst. Und damit kommen wir zu deiner zweiten Frage."

Sie schritt durch den Raum und bleib vor Castiel stehen. Die Augen der anderen beobachteten sie scharf, doch das berührte sie überhaupt nicht. Sie füllte den Raum mit ihrer Kraft und ihrer göttlichen Selbstsicherheit.
„Ich war auf der Jagd. Ich habe mir diesen Engel ausgesucht. Oh ja", sagte sie, als Cas einen ärgerlichen Schrei ausstieß, „ich weiß, dass du ein Engel bist. Und weil ich dich wollte, und dich nicht besiegt hätte, wärest du im Vollbesitz deiner Kräfte, hab ich dich ziehen lassen. Ich wusste, dass du früher oder später hierher kommen würdest. Und dass du schwach sein würdest. Ich habe die Fäden gezogen und dafür gesorgt."

Sie lächelte nun Crowley an und winkte ihm zu.
„Vielen Dank, Höllenfürst."
„Was?", schrie Dean wütend auf. "Crowley?! Ich wusste es!"
Crowley grinste schmierig.
„Crowley, verdammt noch mal, wie haben einen Deal!"
„Ach Dean, Dean", sagte der Dämon und schüttelte den Kopf wie ein nachsichtiger Vater über sein unvernünftiges Kind.
„Der Deal besteht und daran werde ich mich halten. Ich werde euch gegen Rafael helfen. Und ich habe euch gegen sie ...", er nickte zu Chastity, „geholfen. Immerhin haben wir sie gefunden. Und ich habe mit ihr ausgehandelt, dass ihr lebend aus der Sache hier rauskommt. Nun, vielleicht nicht alle von euch."
Sein arroganter Blick glitt zu Cas.

„Was soll das alles?", schrie Dean wütend in Richtung der Göttin. „Du hast doch schon ein Opfer gehabt, dieses Teenagermädchen! Und warum ausgerechnet Cas, verdammt?"
Er wollte Cas nicht verlieren. Lieber würde er selber sterben.
„Ach, dieses Mädchen", sagte die Göttin der Keuschheit. „Ich hatte Hunger, weil ihr so sehr getrödelt habt. Sie war nicht mehr als eine kleine Vorspeise. Er aber ..."
Sie wandte sich wieder zu Cas, der wütend an seinen Fesseln zerrte, „ ... ist mehr als das. Er ist eine so große Seele. Er ist so voller alten, weisen Blutes. Und er ist keusch, so endlos lange schon ... Oh ja, er wird mir schmecken!"

Dean hatte das Gefühl zu zerbersten. Rote Wut kochte in ihm, Wut auf dieses Wesen. Oh Mann, wie er heidnische Götter doch hasste, die machten nichts als Ärger.
Und Wut auf Crowley. Er hätte es wissen müssen, dass es ein Fehler war, sich mit dem einzulassen. Crowley war ein widerlicher Drecksack, und Dean war auch noch wütend auf sich selbst, weil er ...

Doch dann kam ihm zu Bewusstsein, was die Göttin da gesagt hatte.
Keusch. Ja klar. Das war Cas lange gewesen, aber nun ...
Er wollte etwas sagen doch da machte die Göttin eine um sich greifende Handbewegung durch den Raum, und im nächsten Augenblick vermochte keiner ihrer Gefangenen ein Wort herauszubringen. Dean stöhnte und versuchte es dennoch, doch aus seiner Kehle kamen nur leise, gestammelte, unartikulierte Laute.
Scheiße.

Nur Crowley war weiterhin seiner Stimme mächtig, und er sagte nun:
„Endlich Ruhe. Sie können einem auf die Nerven gehen, nicht wahr? Gut, du kannst mich dann jetzt bitte aus diese Teufelsfalle entlassen, wie ausgemacht, ja?"
Sie stolzierte auf ihren langen Beinen und ihren eleganten Schuhen zu ihm hinüber und baut sich vor ihm auf. Sie ließ einen abschätzenden Blick von oben nach unten über ihn gleiten und sagte dann:
„Was lässt dich glauben, Crowley, dass ich mich an diese Abmachung halte?"
Der Dämon wurde bleich.
„Wenn schon du, König der Hölle, der doch als Dämon mehr als jeder andere an einen Deal gebunden bist, anfängst, die Winchesters reinzulegen, indem du einen Deal rein dem Wort nach einhältst aber nicht dem Sinne nach, unter dem er geschlossen wurde, wie kannst du dann glauben, dass ich, eine heidnische Göttin, für die nichts zählt als meine eigenen Begierden, es anders mache?"
Crowley schwieg.
Er hatte Angst, er war wütend, er kochte geradezu ... und doch. Was sollte er dagegen sagen. Er hätte damit rechnen müssen.

Und so sehr er es hasste, das zugeben zu müssen.
Er musste einsehen, dass er einen großen Fehler gemacht hatte, sich mit der Göttin der Keuschheit, Chastity, einzulassen.

Und er musste bekennen:
Die Winchesters hätten ihn nicht so hinters Licht geführt.

ChastityWo Geschichten leben. Entdecke jetzt