Als ich wieder zu mir kam, schienen bereits gedämpfte Sonnenstrahlen durch die Ritze der Barrikaden, die die gesamte Eingangshalle in ein warmes Licht umhüllten. Mit noch immer müden Augen beobachtete ich die Staubpartikel, die durch die Luft zu tanzen schienen und wild umherwirbelten. Ich musste zugeben, dass dieser Ort trotz schauriger Geschichten und beschmierten Wänden etwas schönes an sich hatte. Ob die Patienten das damals genauso sahen?
,,Oh scheiße", murmelte Holly neben mir, woraufhin ich meinen Kopf zu ihr drehte. Sie saß auf dem Boden und hatte ihr Handy in der Hand, welches sie mir hinhielt um mir die Uhrzeit zu zeigen. ,,Wir müssen über 12 Stunden weggetreten gewesen sein.. Verdammt, ich habe nur noch 15% Akku."
Sofort richtete ich mich auf, bereute es aber sofort wieder. Mein Kopf brummte und fühlte sich irgendwie belegt an. Reiß dich zusammen, Lee!, sprach ich mir selbst zu und stand mit einem Ruck auf. Jetzt bloß nicht die Fassung verlieren.
Elliot lehnte an einer der Wände und hustete stark. Auch ich hatte ein Kratzen im Hals und es fühlte sich schwierig an zu atmen. Meine Finger suchten direkt nach der Kette an meinem Hals und spielten damit herum. Das tat ich immer wenn ich mich unwohl fühlte, da das kühle Metall der Kette mich beruhigte.
,,Das kommt vom Schwefel. Das Einatmen reizt die Atemwege extrem und hat auch noch andere Nebenwirkungen", erklärte Lewis uns, während er auf Elliot deutete. ,,Am besten wir setzen unsere Suche schnell fort und fahren dann allesamt zum Arzt."
,,Und wie erklären wir bitte, dass wir alle Schwefel eingeatmet haben?", fragte Amber gereizt.
,,Wir haben an einem Experiment in Chemie gearbeitet und Holly hat dabei das Reagenzglas umgestoßen'', erwiderte er und schüttelte seine Taschenlampe, die den Geist aufzugeben schien. Zum Glück war es jetzt aber einigermaßen hell, sodass wir unsere Taschenlampen gar nicht benötigten.
,,Wieso muss ausgerechnet ich das Reagenzglas umgestoßen haben?'', versuchte Holly eine Diskussion anzufangen, auf die jedoch keiner einging. Alle wussten, dass sie die tollpatschigste aus unserer Gruppe war, denn sie hatte schon den ein oder anderen Unfall verursacht. Niemand hatte jetzt aber die Lust oder die Kraft mit ihr darüber zu reden, weswegen wir einfach weitergingen.
,,Wie machen wir das jetzt am besten?'', fragte Amber als wir vor den riesigen Steintreppen standen. Elliot grätschte direkt dazwischen. ,,Falls du jetzt vorschlagen willst, dass wir uns aufteilen, dann lautet die Antwort nein. Wir gehen zuerst gemeinsam unten weiter, und dann gehen wir nach oben. Wir alle wissen was passiert, wenn man sich aufteilt.''
Wir gingen also weiter durch das Erdgeschoss, fanden dort jedoch keine Hinweise auf Tessas Verbleib. Irgendwann kamen wir an einer kleinen Wendeltreppe an, die nach unten in den Keller führte. Wir stiegen die Treppe herab und schalteten direkt unsere Taschenlampen ein, da es hier ziemlich dunkel war. Außerdem war die Luft sehr feucht und stickig, sodass einem das Atmen schwer fiel.
Wir liefen einen Gang hinunter, von dem viele, mit schweren Metalltüren versehene Räume aus gingen. Die Anderen versuchten ihr Glück bei jeder Tür, doch alle Räume waren verschlossen. Bis auf einer. Als ich die Klinke runter drückte, gab die Tür sofort nach.
,,Tessa, bist du da drin?'', fragte ich laut und lugte in den Raum hinein. Mit meiner Taschenlampe leuchtete ich den Raum, besser gesagt die Zelle, aus. Ich wünschte, dass ich das nicht getan hätte.
Es stand nur ein Bett darin. Der Kissenbezug war aufgekratzt, die Bettdecke komplett zerfetzt und mit vertrocknetem Blut durchtränkt. Die Matratze war sehr dünn, gelb und braun verfärbt und an einigen Stellen eingesunken. Es schien so, als hätte die Person, die in dieser Zelle war, immer in derselben Position gelegen. Ein Blick zum Gestell des Bettes verriet mir, dass es höchstwahrscheinlich so war. An jedem Ende des Bettes waren Fesseln aus Metall, es ließen sich jedoch auch Stoffreste dort finden. Anscheinend hatte der Patient die üblichen Fesseln mehrfach zerrissen.
Der Boden war mit sämtlichen Körperflüssigkeiten, die inzwischen schon längst vertrocknet und in den Boden eingezogen waren, übersät. Der Geruch war so abscheulich, dass es mir Tränen in die Augen trieb. Die Wände waren zerkratzt, teilweise fehlten Stückchen in der Wand oder es waren Bissspuren zu erkennen. Man könnte glauben, dass ein wildes Tier in diesem Raum gelebt hatte. Ich wurde aber eines Besseren belehrt, als ich die mit Blut geschriebenen Worte an der Wand las.
WANNA PLAY A GAME?
In dieser Zelle hatte Corbyn Besson gelebt.
Auf einmal begann Lewis hinter mir wie wild zu lachen. Ich zuckte zusammen. Sein Lachen war so schallend und eindringlich, dass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Er lachte immer und immer stärker. Dann setzte auch Amber mit ein. Mein Kopf drohte zu explodieren.
,,Hört verdammt nochmal auf zu lachen und haltet endlich eure Fressen!'', fuhr ich die Beiden an und zog die Tür zu, um mich dann zu ihnen umzudrehen. Lewis und Amber hielten sich die Bäuche vor Lachen und ich konnte Tränen in ihren Augen erkennen. ,,Was ist daran bitte witzig? Seid ihr komplett geisteskrank?''
,,Wovon redest du, Lee?'', erwiderte Holly zögerlich. ,,Niemand hat auch nur ein Mucks von sich gegeben.''
Ich richtete meinen Blick auf Amber, die sich vor wenigen Sekunden noch kaum auf den Beinen halten konnte und total rot geworden war. Aber jetzt stand sie einfach nur da und sah mich an. Keine Spur mehr von dem, was gerade passiert war. Das machte überhaupt keinen Sinn.
In meinem Kopf drehte sich alles. Meine Knie wurden wackelig und ich konnte mein Gleichgewicht nicht mehr halten. Ich taumelte gegen die Metalltür und rutschte auf den Boden.
Reiß dich zusammen, Lee!, forderte ich mich innerlich auf. Ich fokussierte einen Punkt auf dem Boden und versuchte zu verstehen, was gerade passiert war. War das überhaupt real?
Dreckiger, weißer Stoff, der über den Boden schlurfte, störte mein Sichtfeld. Ich versuchte meine Augen scharf zu stellen und zu identifizieren, was das war. Nach längerem Hinsehen bemerkte ich, dass es ein Ärmel war.
Ich bewegte meine Augen in Zeitlupe nach oben. Ich sah eine weiße Hose, die mit Blut gesprenkelt war. Dann sah ich eine weiße Jacke, bei der die Ärmel eigentlich überkreuzt auf dem Oberkörper lagen, von dem jedoch einer auf dem Boden war. Ab dem Halsbereich färbte Blut die Zwangsjacke rot. Es sah frisch aus.
Dann kam eine klaffende Wunde, die sich horizontal über die Kehle der Person zog.
Ein strahlendes Lächeln. Grün-blaue Augen, die mich verrückt anfunkelten. Dunkle Augenbrauen, die hochgezogen waren. Wirres, blondes Haar, welches in alle Richtungen fiel.
Er bückte sich zu mir hinunter und schaute mir direkt in die Augen, wobei sein Grinsen noch breiter wurde.
,,Ich liebe neue Besucher. Mit denen kann man immer so schön spielen.''
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Aloha!
Heute mal wieder ein neues Kapitel, yay :) Vielen Dank an die über 100 Reads, ich flippe aus.
Da das Wetter im Moment nicht so wirklich herbstlich ist, hoffe ich, dass ich euch mit meiner Geschichte ein bisschen in den Spooktober-Modus versetzen kann.
QOTD: Was ist eure liebste Jahreszeit?
AOTD: Winter :)
Bis ganz bald, eure Anna ♥
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ASYLUM | corbyn besson
Fanfiction- HAVE YOU SEEN TESSA SMITH? - In Mystic Hill sind schon immer Dinge passiert, die sich niemand erklären konnte. Man dachte, wenn man die Heilanstalt der Stadt schließt, würden diese mysteriösen Begebenheiten aufhören. Doch das taten sie nie. Immer...