EIGHT

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Corbyn setzte gemächlich einen Fuß vor den Anderen, wirbelte mit dem Messer in seiner Hand herum und pfiff eine fröhliche Melodie, während er zu Holly herüberging. Er blieb vor ihr stehen und legte den Kopf schief.

,,Wahrheit oder Tod?", fragte er auch sie.

Holly, die wesentlich kleiner als Corbyn war und zu ihm hochgucken musste, verschränkte ihre Arme vor der Brust. ,,Ich habe kein Interesse, danke", antwortete sie schließlich und schenkte ihm einen hochnäsigen Blick.

Er kicherte. ,,Oh Holly. Langsam verstehe ich, warum dich andere für einen Sonnenschein halten." Dann packte er sie am Hals, riss sie hoch und schleuderte sie auf den Boden, als würde sie kaum etwas wiegen.

Das Aufeinandertreffen von Beton und Körper hörte sich grausam an. Es war ein dumpfes Klatschen, gefolgt von einem Ächzen. Holly lag hilflos auf dem Rücken, scheinbar unfähig sich zu bewegen.

,,Hör sofort auf damit!", mischte ich mich dieses Mal ein. Corbyns Kopf drehte sich sofort zu mir um, er grinste mich an und trat seinen Fuß mit voller Wucht auf Hollys Brustkorb, da sie versucht hatte, sich wieder aufzurichten.

,,Erst wenn sie gesteht", zischte Corbyn und richtete seinen Blick wieder auf Holly.

,,Ich bin letztens an einem Obdachlosen vorbeigegangen und habe ihm kein Geld gegeben", erklärte sie und lächelte unschuldig. ,,Mein Pfarrer meinte aber, dass das nach zehn Ave Marias gegessen wäre."

Corbyn trat nochmal auf ihren Brustkorb, woraufhin etwas knackte und Holly vor Schmerz aufschrie. ,,Provozier mich nicht", knurrte er. ,,Serena Jackson. Klingelt es da bei dir?"

Ihre Augen verdunkelten sich, ihr Kiefer spannte sich an. ,,Diese Schlampe hat sich an meinen Freund rangemacht."

,,Aha. Und was hat unsere liebe, unschuldige Holly dann getan?", hakte er nach, während er mit seinem Messer spielte.

Auf ihrem Gesicht bildete sich ein Lächeln. ,,Ich habe Nacktfotos von ihr rumgeschickt, Gerüchte über sie verbreitet, sie jeden Tag beleidigt und schikaniert, ihr alle Freunde weggenommen und dafür gesorgt, dass sie ihren Job verliert und der Schule verwiesen wird."

,,H-Holly..", entwich es mir ungläubig. Die Holly, die ich kannte, war immer sehr nett und zuvorkommend gewesen. Es fühlte sich an, als würde mein Weltbild zusammenbrechen.

,,Was ist mit Serena passiert?", fragte Corbyn sie und ignorierte mich somit.

,,Der Guten ist wohl alles zu viel geworden", erklärte Holly seelenruhig. ,,Sie hat sich erhängt und sich in einem Abschiedsbrief bei meinem damaligen Freund entschuldigt. Selbst nach dem Tod konnte sie ihre ekelhaften Finger nicht von ihm lassen."

Holly war für den Selbstmord einer Unschuldigen verantwortlich. Ich spürte, wie meine Knie wabbelig wurden. Ich war sprachlos.

Bitte, bitte lass das wieder nur eine Halluzination sein. Wach auf, Lee!, rief ich mir selbst zu. Doch es gab nichts, wovon ich aufwachen könnte.

Corbyn nahm seinen Fuß von ihr und ging dann zu mir herüber. Er schien meine innere Unruhe zu bemerken, denn er legte seine Hand an meine Wange und strich behutsam darüber. Seine Kälte und meine Wärme bildeten einen Kontrast, der mich erschaudern ließ.

,,Du bist anders als die Anderen, Marlee", hauchte er und suchte den Blickkontakt zu mir. ,,Deine Seele ist gebrochen, aber du hast deinen Schmerz nicht auf Andere übertragen. Du bist keine Sünderin."

In seinen Augen lag etwas Gutes. Ich fühlte mich verstanden.

,,Das ist nicht fair! Lee ist genauso schuldig wie wir", meinte Holly schnippisch und richtete sich auf. ,,Du drohst uns allen mit dem Tod, hast Tessa bereits getötet, Elliot ist kurz davor zu sterben, aber Lee soll unschuldig sein? Das ist die größte Überraschung des Tages."

Corbyn blickte stirnrunzelnd zu ihr hinüber und nahm seine Hand von meinem Gesicht. ,,Wie meinst du das?"

,,Sie ist der Grund, warum Tessa überhaupt hier ist. Die Mutprobe war ihre Idee, weil sie Tessa loswerden wollte! Und jetzt ist sie tot."

Mir stiegen Tränen in die Augen. Diesen Satz aus ihrem Mund hätte ich nicht erwartet. Ich spürte, wie eine unbeschreiblich große Wut in mir aufkochte.

Er schmunzelte. ,,Du bist noch erbärmlicher, als ich gedacht habe", raunte er und ging wieder auf sie zu.

Holly holte aus und kratzte ihm mit ihren langen Fingernägeln übers Gesicht, jedoch ohne auch nur einen Kratzer zu hinterlassen. Sichtlich verwirrt taumelte sie einige Schritte zurück.

,,Netter Versuch, Bitch."

Mit diesen Worten packte er sie an der Hand und wirbelte sie herum. Dann griff er rasch nach ihrer anderen Hand um sie, genauso wie die Andere, hinter ihrem Rücken zu platzieren. Mit einem heftigen Ruck zog er sie an ihren Händen hoch, sodass ihre Schulterblätter auf unnatürliche Weise aus den Seiten rausstachen. Holly schrie vor Schmerz, während er ihre Arme weiter führte. Er hatte ihr die Schultern ausgekugelt.

,,Du hättest es also lieber, dass Marlee mit dir stirbt anstatt zu leben? Du bist wirklich eine tolle Freundin", merkte Corbyn an und kicherte leise. ,,Du wirst Qualen erleiden, bevor ich dich mit dem Tod erlöse."

Holly heulte auf und flehte ihn an, sie zu verschonen. Corbyn ließ sie achtlos auf den Boden fallen und widmete sich mir.

,,Nicht weinen, Marlee", murmelte er und wischte mir eine Träne von der Wange. ,,Das muss hart für dich sein, nicht wahr? Herauszufinden, dass deine Freunde Psychopathen sind und dir den Tod wünschen?"

Und inwiefern unterscheidet er sich von meinen "Freunden"?, schoss es mir durch den Kopf.

Ich nickte stumm und vermied es ihm die Augen zu sehen. Ich wollte nicht zeigen, wie verletzt und verwirrt ich war.

,,Sie sind es nicht wert, dass sie in deiner Erinnerung am leben bleiben", hauchte er und grinste breit, während er seine Hand auf meine Stirn legte.

Plötzlich wurde mir schwindelig und ich hatte Schwierigkeiten, mich auf meinen Beinen zu halten. Ein dumpfer Schmerz an meiner linken Körperhälfte, gefolgt von eisiger Kälte, verriet mir, dass ich auf den Boden gefallen sein musste.

Meine Sicht war verschwommen und ich konnte meine Augen kaum offen halten. Mit letzter Kraft konnte ich noch sehen, dass Corbyn mehrfach auf Lewis einstach und sich dabei offenbar sehr amüsierte.

Dann wurde alles schwarz.

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Aloha!

Happy Halloween euch allen 🎃

Ich hoffe, dass ihr diesen Tag angemessen feiert und dieses Kapitel euch halbwegs in Stimmung gebracht hat :D

QOTD: Welches mystische Wesen wärt ihr, wenn ihr die Möglichkeit hättet eins zu werden, und warum?

AOTD: Ich denke ich wäre ein Werwolf, weil sie cool sind und voluminöses Haar haben 😅🖤

Bis ganz bald, eure Anna :)

ASYLUM | corbyn bessonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt