NINE

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Mein Rücken schmerzte. Mein Körper zitterte. Ich wälzte mich auf dem Untergrund herum, doch das brachte nichts. Überall war es gleich hart und gleich kalt. Irgendwo wurde der Boden wärmer. Es fühlte sich an wie warmes Wasser, welches den Beton benetzte. Ich wollte mehr davon. Im Halbschlaf rollte ich mich komplett hinein.

Erst der beißend metallische Geruch brachte mich dazu, meine Augen zu öffnen.

Rot.

Alles war rot.

Meine Klamotten, meine Haare, meine Haut.

Ich lag in einer Blutpfütze.

Schnell atmend richtete ich mich auf und tastete mich am gesamten Körper ab, um mich zu vergewissern, dass das Blut nicht von mir stammte.

Ich spürte einen Hauch von Erleichterung als ich feststellte, dass ich unverletzt war.

Trotzdem fühlte ich mich merkwürdig. Mein Kopf brummte und es fühlte sich so an, als würde mir etwas fehlen. Ich wusste zum Beispiel, dass ich in einer verlassenen Heilanstalt mit einem Psychopathen war und ich eigentlich zuhause bei meiner Mutter sein sollte, doch ich wusste nicht mehr, wie ich überhaupt hier her gekommen war.

Ich musterte meine Hände und versuchte genau darüber nachzudenken. Das Blut, welches an meinen Fingern bereits getrocknet war und sich wie Dreck unter meinen Fingernägeln sammelte, hinderte mich aber daran einen klaren Gedanken zu fassen. Woher kam dieses verdammte Blut? Es reichte schon aus meinen Kopf nur ein paar wenige Zentimeter zu drehen, um den Grund dafür zu erkennen.

Ein Blutbad.

Fünf Leichen.

Verstümmelt und entstellt.

Bei diesem Anblick wollte ich würgen. Ich wollte schreien. Ich wollte weglaufen. Ich wollte alles, nur nicht hier sitzen zu bleiben und vor mich hin zu starren. Doch genau das tat ich. Ich war wie gelähmt.

,,Hallo Marlee", sagte jemand einige Meter von mir entfernt. Es war Corbyn, der mich besorgt betrachtete. ,,Wie geht es dir?"

Ich räusperte mich. ,,Nicht gut. Wer waren diese Leute?", fragte ich und zeigte mit zitternden Fingern auf einen abgetrennten Kopf. Aus dem, was man noch von der Person erkennen konnte, ließ sich schließen, dass die Person rothaarig und weiblich gewesen sein muss.

Corbyn grinste breit. ,,Diese Leute haben jemandem wehgetan, der mir wichtig ist. Sie haben den Tod verdient", erklärte er und kam mir näher.

Er sah makellos aus. Seine helle Haut schimmerte leicht und seine Kleidung und Haare waren, abgesehen von dem bereits vorhandenen Dreck, vom Blut verschont geblieben.

Im Gegensatz zu mir.

Ich nickte nur und richtete mich mühsam auf. Ich rieb mir meinen Kopf und merkte, dass meine Haare total verklebt waren. ,,Kann ich mich hier irgendwo waschen?"

,,Du solltest erstmal hier sauber machen. Ich mag den Geruch von verrottendem Fleisch nicht", erwiderte er kichernd. ,,Du kannst draußen ein Grab ausheben, das sieht schöner aus."

Draußen. Draußen in der Freiheit! Ich musste mir etwas überlegen, wie ich am besten fliehen könnte. Ich wollte einfach nach Hause, ein Bad nehmen und vergessen, was sich vor mir befand.

Ich wollte gerade etwas antworten, da war er auch schon verschwunden. Da ich ungern die Leichenteile einzeln nach draußen transportieren wollte, suchte ich nach etwas, worin ich sie sammeln konnte. Ich irrte also durch den riesigen Raum, der sich tatsächlich als Mensa herausstellte, und suchte nach der Küche. Dort würde es bestimmt so etwas geben.

Ich öffnete eine Tür und wurde von einem unangenehmen Geruch begrüßt, was in diesem Gebäude keine Sonderheit mehr war. Über den Boden huschten mehrere Ratten, was mich beinahe zum Schreien brachte. Ich hasste diese Dinger über alles.

Schließlich fand ich einen Essenswagen, der noch mit Jahrzehnte altem, dreckigem Geschirr beladen war. Schnell räumte ich dieses weg, suchte mir noch einen Eimer und Lappen und machte mich auf den Weg zurück. Augen zu und durch.

Es regnete in Strömen. Es war so dunkel, dass ich nur meine direkte Umgebung sah. Glücklicherweise musste ich nicht so lange herumirren, bis ich einen Spaten und eine geeignete Stelle fand. Ich fragte mich aber wie spät es war oder welchen Tag wir überhaupt hatten. Ich hatte jegliches Gefühl für Zeit verloren.

Es war anstrengend. Die Erde war so matschig, dass es nahezu unmöglich war ein tiefes Loch zu graben. Ich rutschte immer wieder ab. Doch ich wollte diese Menschen begraben und ihnen die letzte Würde erweisen, auch wenn ich sie nicht kannte. Es fühlte sich richtig an.

Ich war völlig erschöpft, als ich das Loch wieder mit Matsch aufgefüllt hatte. Mit meinen Fingern fuhr ich über den Boden um nach Ästen zu suchen. Ich bastelte daraus ein kleines Kreuz, welches ich auf das Grab steckte.

Dann rannte ich. Meine Muskeln brannten, meine Haut glühte. Aber ich rannte. Bis zum Zaun ist es nicht so weit, redete ich mir zu. Ich wurde schneller. Mit meinen Schuhen blieb ich immer wieder am feuchten Boden kleben, doch das hielt mich nicht von meinem Vorhaben ab. Ich wollte hier weg. Ich wollte nicht so enden wie die fünf Unbekannten.

Ich sah ihn. Erleichterung überfiel meinen Körper, gleich hatte ich es geschafft. Ich bremste ab und suchte hektisch nach einer geeigneten Stelle um darüber zu klettern. Doch dann geschah es.

Ich wurde heftig zurückgerissen und landete unsanft auf dem Boden. Ein schmerzerfülltes Stöhnen entwich aus meinem Mund als ich spürte, dass sich mein gesamter Körper verkrampfte. Ich konnte mich nicht mehr bewegen. Tränen stiegen in meine Augen. Ich war so nah dran.

,,Ich hatte Hoffnung, dass du anders bist, Marlee", zischte Corbyn und kniete sich über mich. In seinem Gesicht spiegelte sich Wut und Enttäuschung wieder.

Ich brachte nur ein Gurgeln heraus, als er mit seinen Hände meinen Hals unfasste und zudrückte. Ich wollte um mich schlagen, mich wehren und vor allem weiter leben. Doch ich konnte mich nicht bewegen.

Ich spürte, wie ich immer schwächer wurde. Das war mein Ende.

Meine Augen waren bereits geschlossen, als er von mir abließ. Verwundert, aber auch dankbar, öffnete ich sie wieder.

Corbyn hatte meine Kette in der Hand, den Ring hielt er zwischen seinen Händen. Seine Unterlippe zitterte, sein Gesichtsausdruck war weich.

,,Aurora..", hauchte er, während seine Augen noch immer auf den Ring gerichtet waren.

Der Name meiner Mutter.

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Aloha!

Ein neues Kapitel, yeah.

An dieser Stelle möchte ich mich bei meinen Mädels bedanken. MissLupinBlack, Dreamfog, wdwlaura, Fantasythinking, typischSareen und Thunderstorm122. Ein großes Danke geht auch an alle Anderen, die mich zum Schreiben motivieren und immer fleißig kommentieren und voten. Ich liebe euch.

QOTD: Habt ihr schon das Buch oder habt ihr vor euch das zu kaufen? 🖤

AOTD: Ich hab's heute versucht, aber leider war es nicht da. Fml

Bis ganz bald, eure Anna 🌸



ASYLUM | corbyn bessonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt