o6 // Bei Regen und Nebel

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„Wie kannst du es wagen?", schrie sie und ließ ihren Zauberstab in blinder, verzweifelter Wut in seine ungefähre Richtung sausen. „Wie kannst du es bloß wagen, uns derart zu betrügen?"

Eigentlich schätzte Helga Hufflepuff Menschen. Sie glaubte an das Gute und Reine an ihnen, hatte Vertrauen in die Purität des Individuums, dessen unverdorbene Seele und war unerschütterlich in ihrem Glauben an die Beständigkeit des natürlichen Wesens – Helga Hufflepuff war in allen Sinnen des Begriffes ein vermenschlichter Philanthrop. Nie hatte sie jemanden getroffen, der sie in ihren Grundfesten erschüttert hätte, nie jemand, der sie an ihrem Menschenbild zweifeln ließe; bis sie nicht das erste Mal auf Salazar traf. Er war zweifellos ein eindrucksvoller Mann von stattlicher Statur und noch atemberaubenderer Aura. Wenn er sprach, so war sich niemand recht gewiss, ob seiner rauen Stimme mehr Reverenz gebührte, oder seinen tiefschwarzen Augen, die im Zusammenspiel mit seinen schelmisch verzogenen Lippen ihre eigene Geschichte zu erzählen schienen. Salazar war eigen, das hatte Helga schon immer gewusst, aber das hatte sie keineswegs daran gehindert in den Jahren nach ihrer ersten Begegnung ein ungewöhnliches Band zu ihm zu knüpfen; sowohl fundiert auf höflichem Respekt, wie dem offenen Interesse ob solch einer komplexen Charakterzusammensetzung. Helga nahm ihn sich gerne als Beobachtungsstück ihrer zwischenpsychischen Studien her, beobachtete ihn, während sie zu viert an ihrem gemeinsamen Projekt wuchsen; während seine Entwicklung ihn in eine andere Richtung trug als die der restlichen Gründer.

An Salazar Slytherin hatte Helga das erste Mal einen Menschen gesehen, dem die Fäulnis des Bösen tatsächlich so inhärent schien, wie ihr bisher das Konzept des Guten.

„Salazar", schrie sie und umklammerte ihren Zauberstab fester. „Sieh mich gefälligst an!"

Er drehte sich nicht um, aber mindestens erbarmte er sich ihres schrillen Gekreisches und verharrte in seinem eiligen Schritte, bloß um ihr mit den Schultern zugewandt und Kopf stolz erhoben den Rücken zuzukehren. „Hel", sagte er, und sie konnte nicht umhin, dass eine Gänsehaut ihre blassen Arme zierte, als seine vertraute Stimme durch den dichten Nebel auf sie zuwaberte. Das weiße Nichts verschluckte ihn beinah, mehr schemenhaft vermochte sie ihn inzwischen nunmehr auszumachen, aber seine Stimme stach so klar zu ihr hindurch, als stünde er neben ihr.

„Mieser Verräter", zischte sie kraftlos.

Er war tatsächlich ein Denunziant ihrer gemeinsamen Sache. Gemeinsam hatten sie diese Schule geplant und so war es nicht überraschend, dass sie sie gemeinsam umgesetzt hatten, jede Unze Mühe und Magie in dieses Konzept investierend. Aber es hatte noch eine weitere Sache gegeben, der Salazar den Rücken nonchalant zugekehrt hatte, eine Sache zwischen ihnen beiden und ihnen beiden alleine. Helga hatte sich frappiert gezeigt, als sie das erste Mal Salazars Schutzwall durchbrochen und sich seiner Persönlichkeit angenommen hatte. In Wahrheit war sie maßlos entsetzt ob des Gräuels, das in seiner Seele schlummerte und so hatte sie nicht lange gezögert, um ihm eine komplette Seelentherapie aufzubrummen, um dieses Böse an der Entfaltung zu hindern. Sie hatte ihn neu schätzen gelernt während ihrer gemeinsamen Stunden in der Studie der menschlichen Ethik, aber sie hatte ebenso begonnen, ihn zu verstehen. Nicht aber, ihn zu durchschauen.

„Wie kannst du uns derart den Rücken zukehren?", rief sie ihm mit bebender Stimme zu und ließ ihren Zauberstab peitschartig in seine Richtung niedersausen. Der zähflüssige Strahl reiner Energie verfehlte ihn knapp und Helga wusste nicht zu sagen, ob es Glück gewesen war, oder einem beiläufigen Schnippen seines Zauberstabs geschuldet. „Sieh mich gefälligst an, Salazar!"

Er drehte sich tatsächlich um, und Helga verzagte nicht, augenblicklich ein paar weitere Schritte in seine Richtung zu stolpern, bis seine Gestalt und damit seine Züge sich nicht vollständig aus dem Nebel herauskristallisierten. Ihn zu sehen war jedes Mal wie das erste Mal. Seine hohen, scharfen Wangenknochen standen in starkem Gegenspiel mit seinen markanten Augenbrauen und der evidenten Kinnpartie, während seine farblosen Lippen in grauer Distanz auf sie herablächelten. Seine Augen waren dunkel umschattet wie eh und je, die Iris nicht von der geweiteten Pupille zu unterscheiden und während der dichte Wimpernkranz flackernde Schatten auf seine eingefallenen Wangen malte, manifestierte sich ein unnahbarer Zug in seinem Gesicht. „Hel, ich sehe die Ursache deines Problems nicht", seufzte er und sie schnaubte verächtlich.

Magical Contest 2018Where stories live. Discover now