o8 // Verkennung

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           Es war für Huxley Picquery in gewisser Weise durchaus von Vorteil, ein gesamtes Leben im Schatten ihrer großen Schwester verbracht zu haben. Seraphina war auf natürlichem Wege immer schon das fatalistische Wunderkind der gesamten Familie gewesen; genial, klug, gewitzt, strategisch begabt und seit sechs Jahren Präsidentin der magischen Gemeinschaft Amerikas. Huxleys Leben war im Vergleich kaum so glorreich abgelaufen, dass sie sich auch nur im Traum mit ihrer Schwester zu messen wagen würde. Ohne Umschweife hatte sie sich in Ilvermorny dem Haus der Pukwudgies angeschlossen (was offengesprochen ein Skandal für die Picquerys war, da ihre lange Blutlinie sich seit dem achtzehnten Jahrhundert durch das edle Haus der Gehörnten Schlage gezogen hatte), nur knapp ihre Schulausbildung zu einem Abschluss gebracht und es sich bis ans Ende ihrer Tage in einer niederen Abteilung des MACUSA bequem gemacht, um mit hochgelegten Füßen und mindestens drei höchst improvisierten (und meist unabsichtigen) Schläfchen am Tag das Arbeitsleben zu überstehen. Huxleys Plan war schlicht, aber effizient, und sie war sich im Nachhinein sicher, dass sie noch mindestens sieben weitere Jahre in ihrem Delirium geschmort hätte (und munter Steuern hinterzogen), wäre nicht eines Nachmittags ihre Schwester in ihr Büro gestampft und ihr stumpf, aber direkt erklärt hätte, dass die Welt an einem Abgrund stand, von dem Seraphina selbst sie nicht mehr zurückreißen könnte.

„Huxley", hatte sie in ihrem üblich kühlen, stählernen Tonfall begonnen, kaum, dass sie in das unterbelichtete Büro ihrer kleinen Schwester getreten war. „Du weißt, dass ich mir geschworen habe, kein Wort mehr mit dir zu sprechen, ehe nicht das Ende allen was mir gut und heilig ist bevorsteht, aber ich wage zu befürchten, dass genau dieses Szenario eingetreten ist." Huxley setzte sich auf und versuchte ihr offenes Unwohlsein so gut wie möglich unter Verschluss zu halten.

Das letzte Mal, dass sie einer Putzkraft den Zugang zu ihrem Büro erlassen hatte musste bestimmt vier Monate her sein, denn anders konnte sie sich in ihrer plötzlichen Konfrontation mit dem polierten Äußeren Seraphinas das Chaos in ihrem Zimmer nicht erklären. Der Raum maß kaum zehn Fuß ins Quadrat, und trotzdem (oder vielleicht sogar deshalb) hatte Huxley es geschafft, ihn im Alleingang in größte Entropie zu versetzen. Auf ihrem Schreibtisch stapelten sich monatealte Pergamente, Rechtserklärungen und Geschäftsbriefe, wild durchmischt mit willkürlich aufgeschlagenen Nachschlagewerken aus der MACUSA Staatsbibliothek, deren Rückgabefrist bereits um Wochen überschritten war. Huxley fragte sich milde betreten, ob die Bibliothek diese Lektüren überhaupt zurücknehmen würde, so zerknittert waren die einzelnen Seiten durch die fehlerhafte Belastung anderer Gegenstände, deren krumme Türme sich mehrere Fuß in die Höhe reckten.

Es waren wackeligere Stapel, als die magische Welt sie kaum je gesehen haben und vermutlich je sehen würde, denn die einzige Erfindung und Qualifikation, in der Huxley unglaublichen Stolz trug, war ihr Anti-Destabilisierungs-Zauber, den sie in ihrem Hass auf die nervenaufreibende Tätigkeit des Aufräumens im Alter von vierundzwanzig entwickelt hatte. Leider half ihr diese manisch aggressive Stapelung aller ihrer Probleme lediglich sie zu komprimieren, nicht aber zu reduzieren und so war ihr gesamtes Büro ein winziger Irrgarten aus den wildesten Stapeln, die der Gravitation auf angsteinflößende Art und Weise entgegenwirkten.

„Was versuchst du mir damit zu sagen?", verlangte Huxley zu wissen und verschränkte in ihrer gelümmelten Haltung die Arme vor der Brust. Sie hob dabei ihre Schultern in solch einer desinteressierten Manier an, dass selbst Seraphina ob so viel stoischer Ignoranz ihrer Persona gegenüber unwillkürlich Verblüffung zeigen musste.

„Ich versuche dir zu sagen, kleine Schwester", bemerkte sie kühl. „Dass während wir hier reden, externe Mächte daran arbeiten das zu zerstören, woran wir seit Jahrhunderten arbeiten und wofür wir mehr einstehen, als für alles andere."

Huxley blickte in das elegante Gesicht ihrer Schwester und versuchte aus ihren gemeißelten Gesichtszügen eine Regung oder Emotion zu entnehmen, die ihr den Ausgang dieses Gesprächs verraten würden. Aussichtlos.

Magical Contest 2018Where stories live. Discover now