Life

40 5 0
                                    

Das Leben.
Es ist ein Wunder.
Jeden Tag entsteht neues.
Jeden Tag geht altes.

Es fasziniert mich immer wieder. Ich meine, wie konnte so etwas Komplexes entstehen?

Man bekommt ein Leben geschenkt und darf damit machen, was man möchte, da ist man nicht eingeschränkt. Du findest Freunde, hast Feinde, Bekannte. Du lebst wie es dir gefällt oder passt sich den Wünschen anderer an. Du kannst einerseits vollkommen zufrieden sein, andererseits aber auch zu tiefst traurig und enttäuscht.
Die Natur um uns herum nimmt Einfluss auf uns. Generell gibt es so vieles dass unbewusst Einfluss auf uns nimmt, zu vieles um alles aufzählen zu können. Einige Dinge muntern dich auf, andere ziehen dich runter.

Die erste Liebe, dein erster Kuss, ja, sogar dein erstes Mal.
Ich weiß dass es dich mit Glücksgefühlen überschwämmen kann, muss es aber nicht.
Liebe.
Liebe ist so ein starkes Wort. Es beschreibt das stärkste Gefühl das Menschen füreinander empfinden können.

Wertschätzt man das eine Leben, dass man bekommen hat, so kann vieles passieren. Du lebst viel offener und dankbar und glücklich, als wenn du es nicht wertschätzt.
Denn dann wirft man es leicht Mal weg, kümmert sich nicht darum, nimmt vielleicht sogar Drogen und fällt irgendwann unglücklich ins Grab.

Aber das eine Leben kann auch so schnell enden. Von jetzt auf gleich, in einer Sekunde. Boom! Und weg bist du, kehrst nie wieder zurück, bleibst aber in den Erinnerungen anderer zurück. Du kannst sterben, aber richtig tot bist du erst, wenn auch der letzte dich vergessen hat.
Komisch, oder?
Die Vorstellung dass jede Sekunde deine letzte gewesen sein könnte?
Das dein Freund dein letzter war.
Jeder Kuss vielleicht dein letzter war.
Diese Jahreszeit deine letzte war.
Dein letztes gesagte Wort das letzte bleibt.
Das dein letzter Gedanke dein letzter war.
Du zum letzten Mal aufgestanden bist.
Und deshalb sollte man jede Sekunde - und auch alles andere - so leben, als sei es das letzte. So nimmt man gleich alles viel intensiver war.
Habe Angst vor dem Tod, oder nimm ihn hin und sehe ihn als etwas neues, einen neuen Anfang vielleicht.
Vielleicht ist dieses Leben ja auch nur ein Traum, und wenn du stirbst, wachst du aus diesem Traum auf.
Eine Vorstellung die mich selbst etwas beruhigt.
Aber tief in meinem Inneren weiß ich, dass der Tod endgültig ist, es mag ja sein dass es einen Himmel gibt, aber was muss man wirklich tun um da rein zu kommen? Genügt eine einzige Sünde damit man ausgeschlossen wird? Hat nicht jeder von uns schon einmal Zorn empfunden? Und seid ehrlich.
Heißt das also in den Himmel kommen nur die absolut Braven?
Ein ewiges Leben gibt es nicht und der Tod, oder das was nach seinem Eintreffen geschieht, darüber weiß die Menschheit am wenigsten.
Man könnte sagen er ist ein ewiges Mysterium.
Vielleicht findet man in ferner Zukunft heraus, was das Danach wirklich ist und man kann den Menschen Trost geben.
Aber so lange das noch nicht möglich ist, bleiben wir im Ungewissen mit unseren Fragen sitzen.

Ich strecke eine Hand vorsichtig aus und streiche mit einem Finger sanft über seine Wange. Meine Lider heben sich und meine Augen schauen zu seinem Gesicht auf.
Nicht eine Regung.
Ich beuge mich vor und lege meine Lippen auf die seine, doch auch jetzt bewegt sich kein Muskel bei ihm.
Und so wird es wohl auch bleiben.
Die Ärzte sagen seit einem Jahr dass er nicht wieder aufwachen wird, und das zerbricht mir jedes Mal das Herz.
Er ist der Letzte den ich noch habe.
Meine Familie ist tot, meine Freunde habe ich damals in Portsmouth zurück gelassen, als ich zu Ryder nach Seattle zog, und hier habe ich dank meines Jobs zu wenig Zeit für Freunde.
Er ist das Letzte was mir geblieben ist, und jetzt verlässt auch er mich.
Ich schlucke die Tränen runter und setze mich wieder auf.
Der Schlauch der ihn beatmet, die an ihm angeschlossenen Kabel und der Monitor, welcher mit einem gleichmäßigem Piep seinen Herzschlag misst. Meine Augen erfassen diese Details wie in Trance, und letztendlich löst sich doch noch eine einsame Träne aus meinem Auge und hinterlässt eine nasse Spur auf meiner Wange.
Er ist doch mein Freund. Wie soll ich es ohne ihn ganz allein schaffen? Er lässt mich zurück, geht ins Licht und damit in den ewigen Frieden. Und ich lasse ihn gehen, nach all der Zeit hat er es verdient. Er hat diese Ruhe verdient.
Ryder wird auf mich herab sehen, wenn er mich von dort oben beobachtet und so sicher geht, dass mir nichts passiert.
Ryder wird erst endgültig gehen, wenn ich ihn vergessen habe, und so lange das nicht der Fall ist, bleibt er irgendwie doch bei mir.

"Miss Becker?" Ich höre die Stimme des Arztes hinter mir. Ich drehe den Kopf und sehe ihm nach, wie er auf die andere Seite des Bettes geht und mich ansieht.
Die Zeit ist also wirklich gekommen. Die Maschinen werden ausgestellt.
Ich nickte nur stumm und schaue dann wieder zu Ryder. Ich nehme seine Hand in meine und drücke sie fest. Eine zweite Träne löst sich stumm aus meinem Auge.
Aus dem Augenwinkel sehe ich Dr. Richers, wie er an etwas arbeitet.

Als erstes erstirbt das Geräusch des Atemgeräts.

Und dann verstummt das Piepen.

Es ist jetzt vollkommen still im Raum.
Mir entkommt ein leiser Schluchzer.
Ich hebe meine Hand zusammen mit Ryders langsam an, schließe die Augen und küsse sie vorsichtig. Dann beuge ich mich zu seinem Gesicht vor, schließe wieder die Augen und lege meine Lippen auf die seine.

"Geh ruhig Ryder, du hast es verdient.", hauche ich leise, bevor der Raum wieder der Stille verfällt.


935 Wörter

Wenn Wörter Waffen WärenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt