Besuch

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Die frühsommerliche Hitze drückte schwer auf Astorias Rücken nieder, als sie nach einem endlos scheinenden Arbeitstag das St. Mungos verließ. Für Mai war es unerträglich heiß, und unter der brennenden Sonne fühlte sie sich dünnhäutig und gereizt. Es war ein anstrengender Dienst voller Rückschläge und Notfälle gewesen, an dessen Ende sie minutenlang erschöpft in einer Ecke gekauert war. Ihre Arbeit war an vielen Tagen zufriedenstellend, doch an anderen unglaublich zehrend. Erst, nachdem sie einen leichten Stärkungstrank zu sich genommen hatte, fühlte sie sich ihren Abendplänen gewachsen. Ein Abendessen mit Draco. Weitere Stunden voller Andeutungen, Beteuerungen, Erinnerungen... Und vielleicht endlich, endlich einem weiteren Sprung.

Ihre limonengrüne Uniform klebte ihr an der Haut, als sie eine dünne, dunkelhaarige Hexe vor dem Eingang stehen sah. Sie reckte den schlanken Hals, als hielte sie Ausschau nach jemandem, und hätte mit ihrem perfekt geschminkten Gesicht keinen größeren Gegensatz zu der erschöpften, verschwitzten Astoria bilden können. Dennoch erkannten sich die beiden sofort.

„Das ist ja eine Überraschung!" Eilige Schritte, eine rasche Umarmung, und zwei luftleere Wangenküsse, während derer es Pansy doch tatsächlich schaffte, ihre Miene kein bisschen zu verziehen. Sie war immer schon um einiges besser darin gewesen, soziale Konventionen einzuhalten. Genauer gesagt übertraf sie dabei jedes einzelne Mal alle Erwartungen.

Sie war noch genauso schlank und präsent wie schon zu ihren Zeiten in Hogwarts. Nur das hibbelige, etwas übertriebene Klein-Mädchen-Lächeln hatte sie sich abgewöhnt. Jetzt strahlte sie wie eine Supernova, die Astoria jederzeit auslöschen könnte. Und das machte ihr eine Heidenangst. In den wenigen Worten, die sie bereits gesagt hatte, schwang ein weltmännischer, amerikanischer Akzent mit, den sie sich wohl in New York angewöhnt hatte. Ihre perfekt sitzenden Roben schrien geradezu nach Geld, und von der amerikanischen Küche hatte sich kein Gramm an ihrer Figur festgesetzt.

„Pansy! Was machst du denn hier? Ich dachte, du lebst dauerhaft in New York!" Astoria bemühte sich darum, den Schock aus ihrer Stimme zu verbannen. Darauf war sie wirklich nicht gefasst gewesen. Sie und Pansy hatten zu Schulzeiten zunächst wenig miteinander zu tun gehabt, und waren sich ausnehmend höflich begegnet. Erst im letzten Schuljahr waren sie zunehmend gereizt umeinander herumgeschlichen, doch auch diese Feindseligkeit hatte sich in Luft aufgelöst, nachdem sie mit Draco Schluss gemacht hatte. Es hatte Astoria zwar leidgetan, Draco verletzt zu sehen – doch noch vielmehr war sie erleichtert gewesen, dass Pansy ihn freigegeben hatte. Astoria hatte Hoffnung geschöpft. Und als sie von Pansys Hochzeit gehört hatte, hatte sie geradezu jubiliert. Sie nun vor sich stehen zu sehen, wie ihren leibhaftigen und glänzend gelaunten Albtraum, verkraftete sie einfach nicht.

„Warum wohl? Ich habe gehört, dass Draco aus Askaban entlassen wurde. Ich wollte sehen, wie es ihm geht. Und davor noch meine Tante besuchen."

Sie gestikulierte in Richtung des Gebäudes, in dem Pansys Verwandte tatsächlich schon seit Jahren in Behandlung war, nachdem sie mit den Auswirkungen eines schlecht ausgeführten Vergessenszaubers zu kämpfen hatte. Sie und Gilderoy Lockhart gerieten häufig aneinander.

Schlagartig ließ Astoria davon ab, sich um eine höfliche Miene zu bemühen. Ihr war, als hätte Pansy ihr eine Ohrfeige verpasst. Ihre Stimme wurde eiskalt.

„Warum ist dir das wichtig? Du hast ihn schon vor Ewigkeiten verlassen." Panik stieg in ihr auf, als sie an die Möglichkeit dachte, dass Draco sie vielleicht immer noch liebte. Selbst wenn sie verheiratet war, sie würde ihr ihre Chance wegnehmen, ihre einzige Chance auf...

„Ich erwarte nicht, dass du das verstehst, aber Draco ist mir trotz allem noch wichtig. Die kleine, perfekte Miss Greengrass, deren Familie immer neutral war, die sich nie irgendwelche Vorwürfe machen musste, hat keine Vorstellung davon, wie es war. Niemals hat sich irgendjemand aus deiner Blutlinie etwas zuschulden kommen lassen. Aber ich musste meinen Familiennamen retten. Oder eher das, was davon übrig war. Allerdings wirst du vielleicht noch herausfinden, wie das ist... Ich höre ja von Charles, dass es um eure Finanzen nicht allzu gut bestellt ist." Den letzten Satz sprach sie mit einem unheimlich süffisanten Grinsen aus, der Astoria einen Schauer über den Rücken jagte.

It's always Darkest Before the DawnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt