Stories about mental illnesses I

19 8 0
                                    

Vorwort: Diese Geschichte ist als Ergänzung zu einer Präsentation über psychische Krankheiten entstanden. Tatsächlich ist dies die erste von drei Versionen. Ob ich das tatsächliche Resultat hier veröffentlichen werde, lasse ich mir offen. 

(Vielleicht veröffentliche ich die Originalversion in kommentierter Fassung. Das könnte ich mir vielleicht noch vorstellen.)

Gebt mir gerne Feedback. ;) 


Ja, ich weiß, was du jetzt sagen wirst.

Ich weiß, dass du mir jetzt schreiend vorwerfen wirst, dass ich alles so verkompliziere, mich fragen wirst, weshalb ich das tue, nicht verstehen wirst -nicht eingestehen willst-, was ich dir entgegne, während ich weinend zusammengekauert vor meinem Handy sitze und bete, dass du aufhörst. 

Aufhörst zu schreien, zu fragen, auf dich selbst sauer zu sein, dich zu ärgern, dass du mich jetzt nicht einfach in den Arm nehmen kannst.

Ich weiß, ich müsste jetzt auflegen, weiß aber auch, dass wir beide es nicht können, dass es Gift für mich ist, jetzt aufzugeben. 

Du weißt, was du gerade tust, zumindest müsstest du es nach so vielen Malen wissen: Du weißt, dass ich unendliche Angst habe und, dass du mir gerade Angst machst- ich kann nichts mehr erwidern, das weißt du, denn in meinem Kopf sind Geister. Geister, die keine Gesichter, keine Namen haben. Und ich habe Angst, dass ein weiterer Geist dazukommt und dieser dann dein Gesicht trägt.

So viele Male hatten wir das schon: Ich breche zusammen, lege auf, hoffe, dass du mich zurückrufen wirst, tue dann dumme Dinge.

Ich hatte gerade erst angefangen zu beschließen, wieder abzunehmen, schoss es mir durch den Kopf (ich sah so furchtbar dick aus), und ich wusste auch, dass ich zur Selbstbestrafung essen würde. Selbstjustiz zur Milderung meines Leidens im Moment, um nicht gleich den Freitod zu wählen, und zur Streckung als Bestrafung. Ich würde mir die nächsten Tage scheiße vorkommen. Dann tatsächlich aufhören zu essen -oder nur dann essen, wenn ich es musste.

Du schreist weiter. Ich verrenne mich tiefer in dem Gedanken, schotte meinen Geist ab. Wiege bibbernd in meiner Bettdecke vor und zurück, als wenn diese archaische Bewegung mich in irgendeiner Wiede beruhigen könnte.

Ich sah gesund aus, sagte mir jeder, versuchte ich mir wieder zu vergegenwärtigen. Gesund. Gut. Gesund. Gesund. Gesund. Einfach GESUND. Das sagte mir jeder. Ich sehe nicht mehr aus wie eine Leiche. Das meinte auch meine Freundin. Das war gut. Mädchen, du hast ja mal endlich ein bisschen was auf den Knochen. Zitat meiner Tante.

Du redest immer schneller, habe ich das Gefühl, immer lauter und ungeduldiger, fragst mich, was mein Problem ist. Die Tatsache, dass du ernsthaft danach fragst, lässt mich beinahe durchdrehen- wie konntest du nur? Hattest du mir ein einziges Mal auch nur ansatzweise zugehört?

Meine Antwort ist ein gepresstes No questions, please, please, please, just dont ask me anything anymore  während ich mir wieder bewusst mache, dass du dich nur so verhältst, weil du dich hilflos fühlst- du hast mir zugehört, du weißt was abläuft. Du nimmst nur keine Rücksicht auf mich, bist zu beschäftigt mit deiner eigenen Hilflosigkeit.

Du fragst, was das heißt.

Ich erwidere, dass ich Antworten brauche. Nur Antworten. Und Zuhören. 

Answers on what? höre ich dich fragen Answers to what? 

Ich schaue dich ein letztes Mal verängstigt durch die Kamera an, erwidere, dass ich müde wäre, fertig, dass ich nicht mehr diskutieren kann, dass du mich fertig machst, dass du doch einfach abhauen solltest, bitte, insofern du jetzt nicht einfach aufhörst. Du weißt doch, was los ist. 

Ich setze nach, dass ich Antworten brauche, ob du mir zuhörst, wieso du nicht einfach zuhörst, dich um mich sorgst, jetzt einfach- das letzte Wort bleibt mir im Hals stecken.

Nichts anderes ist mehr in meinem Kopf, außer Stopp.

Stopp!, rast es mir durch den Kopf, Stopp!!!

Doch du stoppst nicht. Ich lege auf, schreie, schreibe dir eine Nachricht, versuche dir indirekt zu sagen, was zum Teufel du jetzt tun solltest. Stehe auf, greife zu einem Messer, höre mein Handy klingeln.

Auf Erleichterung hatte ich gehofft, gewusst, dass ich Angst haben würde. Angst, du tust es weiter. Wieder.

Und so war es zig Male, unzählige Male, so war es auch dieses Mal- bis du verstanden hast, was du falsch gemacht hast, war ich überfressen (das letzte Mal, schwor ich mir, bevor ich wieder auf einen BMI unter 15'*' gehen würde) , hatte mir die Haut von den Handgelenken gerubbelt und Schlitze in die Wunden geritzt.

***

Ich weiß, weshalb du jetzt weinst, Darling. Ich weiß und ich bin dir nicht böse- denn ich liebe dich so, wie du bist, mit all deinen Ecken und Kanten und den Schwierigkeiten, die wir haben. 

Denn ich weiß, du hast es nicht leicht mit mir und ich würde mich selber niemals irgendjemandem anderem aufbürden, als dir. Ich weiß, dass nur du mich händeln kannst. Mich mit allen Geistern und mit allen Schmerzen und mich als Bündel aus Karma und Krankheit, wie ich eben bin, doch noch irgendwie lieben kannst.

Und auch, wenn ich heute Abend wieder Angst haben sollte, deinen Anruf anzunehmen und mit dir darüber zu reden, was am Morgen schief gelaufen war, werde ich es doch tun, werde ich es auch immer wieder tun, denn ich weiß, wie wunderbar geborgen ich mich fühle, wenn ich dann einmal in deinen Armen sein kann. Keine Angst mehr vor Geistern haben muss. 

Ich weiß nicht, wie lange ich das kann. Aber ich werde es solange und so oft tun, wie es eben geht, um uns aufrechtzuerhalten. Denn ich hoffe, dass alles besser wird, wenn du endlich hier bist, Darling, wenn wir die Entfernung endlich, endlich los sind.

Doch wer weiß, ob ich bis dahin überhaupt leben werde.

Ja, ich habe Angst, denn ich weiß nicht, was ich sagen werde.


'*'   Um es GANZ klar zu machen: Normalgewicht entspricht einem BMI von 18,5 - 24,9, alles unter 17 ist bereits leicht untergewichtig. Alles noch tiefer darunter ist klinisch untergewichtig. KEINE der beiden letztgenannten Werte sind gesund. 

Ganz davon ab: Der BMI ist ein absolut relativer Messwert, der Muskelgewicht (u. A.) nicht einbezieht- demnach ist er ein schlechter Messwert für den Gesundheitszustand eines Menschen- ganz sicher ist nur: ZU NIEDRIG ist IMMER SCHLECHT.

Lasst euch bitte NIEMALS von IRGENDETWAS (oder irgendJEAMNDEM) dazu bewegen, euch in irgendeiner Weise UNGESUND zu verhalten. Wenn ihr probleme mit einem solchen Verhalten habt, seid so stark und holt euch Hilfe!!! Niemand, der sihch Hilfe holt, muss sich schwach oder schlecht fühlen- denn um diesen Schritt zu tun und über den eigenen Schatten zu springen verlangt sehr viel Kraft und Stärke, viel mehr, als wenn man es alleine ausstehen und vielelicht daran zugrunde gehen würde.



KurzgeschichtensammlungWhere stories live. Discover now