1. Kapitel

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Als ich kleiner war, habe ich mich immer gefragt, was passieren würde, wenn ich endlich 18 bin. Würde ich dann auf Partys gehen? Trinken, rauchen, feiern? Vielleicht einen Freund haben oder hoffnungslos verliebt sein? Ich sah all das als selbstverständlich an, all das würde ich machen, habe ich zumindest gedacht. Tja, leider falsch gedacht. Hätte ich gewusst, dass mein Leben sich so verändern würde, dann hätte ich mir niemals gewünscht jemals 18 zu werden aber niemand kriegt das, was er sich wünscht, nicht wahr? Jeder bekommt das, was er verdient hat, aber womit habe ich so ein Leben verdient? Sag mir, womit?

Ein paar Tränen kullerten wieder mal über meine Wangen und landeten auf meine nackten Beine. Ich saß nur mit einem dicken Pullover in meinem Bett und dachte über alles nach. Niemals hätte ich gedacht, dass mir sowas widerfahren würde, niemals hätte ich gedacht, dass ich so auf mich alleine gestellt werden würde, aber so wie das Schicksal es wollte, saß ich nun hier auf einem Bett, das nicht mir gehörte, in einem Zimmer, das nach Zigaretten und zu viel Alkohol roch. Seufzend legte ich mein Tagebuch, in das ich gerade geschrieben hatte, weg und fing an an dem Stift rumzukauen. Die Uhr über mir ticke mal wieder so laut und ich musste mich anstrengen, sie nicht zu zerschlagen. Mit einem Ruck stand ich auf, um mich ans Fenster zustellen, weil ich merkte, dass ich heute Nacht mal wieder kein Auge zu drücken würde, wie fast jede Nacht. Beim Aufstehen fiel mein Stift auf den Boden, weswegen ich zusammen zuckte und schnell nach dem Lichtschalter suchte. Obwohl ich seit 2 Monaten in diesem Zimmer lebte, hatte ich mich immer noch nicht an die Einrichtung gewöhnt und da ich einen ziemlich schlechten Orientierungssinn hatte, würde ich den Lichtschalter vermutlich erst nach einer halben Ewigkeit finden, also gab ich das Suchen schnell auf. Langsam schliff ich mich an das Fenster, das mein Zimmer klein bisschen erhellte. Mit einem lauten knarren öffnete ich vorsichtig das schon verrostet Fenster und ein kalter Wind kam mir entgegen. Schnell setzte ich mich auf die Fensterbank, wie ich es jede Nacht tat, in der ich nicht schlafen konnte. Draußen war es ziemlich kalt und ein Gewitter durchzog sich der Außenwelt. Wie automatisch griff ich nach der Zigaretten, die in der Jackentasche meines zu großen Pullovers verstaut waren und nahm die letzte Zigarette in den Mund. Mit dem Feuerzeug, welches auch in der Zigarettenschachtel lag, zündete ich die Kippe an und blies dann den ganzen Rauch aus, der sich in meiner Lunge sammelte. Meine Augen schlossen sich und ich lehnte meinen Kopf gegen die Wand, während ich dem Gewitter zuhörte. Das tat ich schon immer. Den Regen fallen, den Donner brüllen zuhören und zu sehen, wie die Umgebung von einer Sekunde auf die andere aufhellte, tat mir so gut. Nie konnte ich verstehen, wie Menschen Regen oder Gewitter hassen konnten. Es fühlte sich so an, als würde nur ich verstehen, was der Himmel damit meinte. Manchmal dachte ich sogar, dass er mein einziger Freund wäre, der weinte, wenn ich weinte, der lachte, wenn ich lachte. Und in diesem Moment spiegelte er mal wieder meine Gefühle, denn in mir tobte ein Gewitter, das nicht auszuhalten war. Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte und es zerbrach mich Stück für Stück.

Das laute Vibrieren meines Handys, welches auf meinem Bett lag, holte mich wieder in die Realität zurück. Sofort schmiss ich meine halb gerauchte Kippe aus dem Fenster und versuchte den Weg zu meinem Bett zu finden, was mir durch das Vibrieren um einiges leichter fiel. Dort angekommen, nahm ich schnell ab, ohne zu gucken, wer der Anrufer war, aber das, was ich zuhören bekam, traff mich wie ein Schlag in die Fresse.

"Ms. Sparks? Es ist mal wieder so weit."

Nein. Nein, das kann nicht sein. Nicht schon wieder.

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