Die Villa erhob sich direkt vor ihr und versetzte sie in leichtes staunen. Die Fassade war weiß und makellos, die Stufen zur Eingangstür hinauf mit einem roten Läufer ausgelegt. Vor dieser Tür stand ein älterer Mann im Anzug, der ein Klemmbrett unter dem Arm hielt. Sein Haar war leicht ergraut und er hatte einen seltsam gleichgültigen Blick aufgesetzt.
Als sie sich ihm näherte, begrüßte er sie höflich und respektvoll: „Guten Abend die Dame. Dürfte ich um Ihre Einladung bitten?".
Sie überreichte ihm einen weißen Umschlag, welcher fein verziert war. Dünne, goldene Schnörkel verliefen über das gestärkte, weiße Papier. Ihr Name war darauf zu lesen. Der Mann las ihn und hakte etwas auf seiner Liste ab: „Vielen Dank Frau Klewer, ich wünsche ihnen eine angenehme Feier."
Elena Klewer bedankte sich ebenso höflich und betrat das stattliche Anwesen. Überall standen fein angezogene Männer und Frauen herum und unterhielten sich. Dazwischen flitzten Kellner Kellner umher, stets bemüht, ja keinen Tropfen des teuren Champagners zu verschütten. Sie erkannte viele der anwesenden Gäste. Wichtige Politiker, Aufsichtsräte, Chefetagen und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens waren hier versammelt. Eingeladen hatte der Besitzer einer einflussreichen Bank, um Spendengelder für Projekte in Entwicklungsländern zu sammeln.
Elena wusste es aber besser. Dieser Abend diente allein dem knüpfen von Kontakten mit weiteren Köpfen der hiesigen Elite oder um bestehende Bande zu pflegen. Außerdem hatte es vor nicht all zu langer Zeit bei besagter Bank einen kleinen Skandal gegeben. Gelder waren veruntreut worden und in dubiose Geschäfte geflossen. Genaueres konnte nicht herausgefunden werden, da Akten plötzlich verschwunden waren und natürlich niemand der Angestellten etwas davon gewusst hatte. Also konnte man mit so einem Abend auch noch prima das beschädigte Image aufpolieren und sich als Retter der Armen präsentieren.
Damit auch ja alles für die Außenwelt festgehalten wurde, war Elena hier. Als Journalistin einer angesehenen Presseagentur sollte sie einen Bericht über den Abend schreiben. Zu ihrem Bedauern, würde sie den Bericht jedoch schön positiv halten müssen. Viel lieber würde sie über die Heuchelei und den vorausgegangenen Skandal schreiben. Die Anwesenden präsentierten sich als Wohltäter, dabei beuteten sie ebenjene Menschen aus, für die nun gespendet werden sollte. Um den Artikel zu schreiben, hätte Elena sich gar nicht erst zur Party begeben müssen, waren diese Veranstaltungen doch immer dasselbe. Jedoch konnte sie sich so unter das reiche Volk mischen. Sie hatte alle Zeit sich hier umzusehen und vor allem umzuhören. Denn bei den Reichen und Schönen wurde ebenso getratscht und gelästert, wie in jeder normalen Dorfkneipe. Das wollte sie sich zunutze machen, um an diesem Abend vielleicht den nächsten Knüller zu finden. Sie strich ihr rotes Kleid glatt und zupfte ihre langen, schwarzen Haare zurecht. Dann stürzte sie sich ins Getümmel.
Nach ein paar Stunden liess Elena sich erschöpft an der Bar nieder. Ein paar Kollegen von der Presse standen bei ihr, alle ähnlich trübsinnig. Sie hatte sich den Verlauf des Abends anders vorgestellt. Keiner der Anwesenden war bereit, über irgend etwas anderes, als den phänomenalen Abend zu reden. Die Gäste verstanden sich prächtig darauf sich in Szene zu setzen und allen unbequemen Fragen geschickt auszuweichen. Sobald ihnen die Fragerei zu viel wurde, taten sie so, als hätten sie gerade zufällig einen Bekannten erblickt und müssten diesen dringend begrüßen Im Rudel konnte man keinen der reichen Säcke auch nur ansatzweise aus der Reserve locken.
„Was für eine Party, oder?", sagte eine ihrer Kolleginnen Nicole, mit einem leicht sarkastischen Unterton. Nicole hatte sich über die letzten Monate als relativ gute Freundin entpuppt, auch wenn Elena außerhalb der Arbeit eher wenig mit ihr zu tun hatte. Trotzdem war Nicole einige der wenigen Leute, die sie mochte.
DU LIEST GERADE
Tartaros
Mystery / ThrillerElena Klewer lernt den geheimnisvollen Damien Rekkon auf einer Party kennen. Wer ist dieser Mann, zu dem sie sich so hingezogen fühlt? Die Reporterin gerät in einen Strudel der Kriminalität und Gewalt. Eine Entscheidung zwischen Moral und Begierde s...