Kapitel 4: „Vergangenheit"

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Warm schien die Sonne durch die große Fensterfront. Die Strahlen fielen auf den Teppich und wanderten über achtlos hingeschmissene Klamotten bis zu dem großen Bett. Sie beschienen die seidene Bettdecke und wärmten Elenas Rücken. Sie kniff ihre Augen zusammen und kuschelte sich noch enger an Rekkons Brust, die sich gleichmäßig hob und senkte. Sein Arm war um sie geschlungen und gab ihr Sicherheit. Doch der anbrechende Tag drängte sich Elena unaufhaltsam auf. Vorsichtig blinzelte sie, um ihre Augen an das grelle Licht zu gewöhnen. Als sie ihren Körper leicht bewegte, spürte sie noch immer die Überbleibsel der letzten Nacht. Ihr Hintern schmerzte genauso wie ihre Handgelenke, aber das war es alle mal wert gewesen. Rekkons Arm bewegte sich plötzlich und drückte Elena noch näher an ihn heran, als er aufwachte.

„Guten Morgen.", sagte er mit tiefer, leicht belegter Stimme. Er hatte seine Augen bloß halb geöffnet und trotzdem war sein Blick beeindruckend wie immer.

Ihr hatte es die Sprache verschlagen. Sei Gesicht im hellen Licht des Morgens mit dem leicht verstrubbelten Haaren. Sie strich ihm zärtlich über die Wange und küsste ihn. Rekkon hielt sie fest und erwiderte den Kuss. Dann sah er ihr wieder in die Augen: „Du hast doch so viele Fragen. Jetzt werde ich dir ein paar Antworten geben.". Elena sagte immer noch nichts. Sie ließ ihn einfach erzählen, wollte seinen Redefluss nicht unterbrechen. Jegliche Fragerei hätte bloß gestört.

Langsam strich er durch ihr Haar. Elena lag mit dem Kopf auf seiner Brust und sah zu ihm auf.

„Als ich noch ein kleiner Junge war, zogen meine Eltern mit mir nach Japan. Sie suchten dort ihr Glück und bessere Arbeit. Doch sie fanden weder das eine noch das andere. Wir waren arm und mein Vater begann zu trinken. Ich fand mich damals sowieso schlecht zurecht. Ich sprach kein japanisch, hatte keine Freunde und kam auch in der Schule nicht mit. Dadurch wurde ich zu einem Außenseiter. In der Schule wurde ich gemieden und sobald ich nach Hause kam, stritten meine Eltern. Mein Vater schrie herum, schlug meine Mutter. Schlug mich. Mein Leben war die Hölle. Ich begann mich auf der Straße herumzutreiben und drehte das ein oder andere krumme Ding. Ich schlug mich selber durch. Das erste mal in meinem Leben war ich für mich selbst verantwortlich. Ich war frei.". Rekkon machte eine Pause. Er starrte ins Leere. Er war weit weg.

Dann sprach er weiter: „Meine Eltern starben dort. Vor langer Zeit. Ich kam zurück und baute mir hier ein neues Leben auf.". Dann verstummte er.

Elena richtete sich auf und nahm Rekkons Gesicht in ihre Hände: „Das tut mir leid. So früh seine Eltern zu verlieren muss hart gewesen sein. Ich kann mir nicht vorstellen, wie sehr du sie vermissen musst."

Rekkon sah sie an. Seine Augen waren immer noch leer und er strahlte eine unheimliche Kälte aus: „Wie sehr ich sie vermisse? Als meine Mutter starb, starb meine Kindheit. Als mein Vater starb, wurde ich zu einem Mann." Schlagartig kehrte das Leben in ihn zurück.

Dann fragte er: „Hast du Hunger? Lass uns frühstücken, mir knurrt der Magen. Ich spring nur kurz unter die Dusche, wenn es dir nichts ausmacht.". Er stand auf und ging in das Badezimmer, gegenüber des Schlafzimmers. Elena schaute ihm nach, wie er komplett nackt entschwand. Das erste mal konnte sie sein Tattoo in all seiner Pracht sehen. Der Schwanz des weißen Drachen schlängelte sich noch bis zu Rekkons linkem Oberschenkel herab und er war umgeben von blutigen Regentropfen. Es sah ausgesprochen beeindruckend aus.

Während sie dem Rauschen des Wasser aus der Dusche lauschte, dachte Elena über Rekkons Worte nach. Seine letzten Worte waren so traurig und so angsteinflössend zugleich gewesen. Was hatte er damit gemeint? Er hatte eine überaus schreckliche Kindheit gehabt und sie hatte sich nicht getraut, näher darauf einzugehen. Was war mit seinen Eltern geschehen? Noch immer war er ein einziges Mysterium. Es schien ihm auch keinerlei Probleme zu bereiten das Thema einfach so zu wechseln. Es war alles so schnell gegangen.

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