„Oberster Richter Heynes in Schmiergeldskandal verwickelt", lautete die Schlagzeile. Der Bericht war auf der Titelseite erschienen und hing nun eingerahmt in Elenas Wohnung. Ihr erster Artikel, der es bis auf die erste Seite geschafft hatte. Sie war sehr stolz darauf, auch wenn es streng genommen nicht ganz allein ihr Verdienst gewesen war. In der Zeit der Recherche und des Schreibens hatte sie kaum darüber nachgedacht, aber die letzten Tage kam er ihr immer wieder in den Sinn. Rekkon.
Ohne ihn hätte sie die Geschichte niemals entdeckt, nie den Bericht geschrieben, nie die Titelseite bekommen und schlussendlich nie die Beförderung erhalten. Doch nicht deswegen dachte sie an ihn. Sie vermisste seinen Körper, seine Art. Dieser Mann hatte ihr innerhalb eines Abends völlig den Kopf verdreht. Elena riss sich los von den Gedanken. Ein letzter Blick in den Spiegel. Ihr schwarzes Kostüm saß perfekt, betonte ihr schlanke Figur. Dann schnappte sie sich ihre Schlüssel und machte sich auf den Weg zur Arbeit.
Der Tag war wahnsinnig anstrengend gewesen. Elenas Füße brachten sie förmlich um, als sie die Post aus dem Briefkasten fischte und zu ihrer Wohnung hinaufging. Vor ihrer Tür fiel ihr plötzlich ein Brief zwischen der alltäglichen Post und Werbung auf. Elena öffnete ihre Tür und betrat ihr Refugium. Achtlos warf sie den Rest der Post auf ein Regal im Flur, ihre Schuhe schoss sie in die Ecke. Schließlich lies sie sich auf das Sofa plumpsen und begutachtete den Brief genauer.
Der Umschlag bestand aus dickem Papier und wog schwer in ihrer Hand. Mit einer Schreibmaschine war bloß ihr Name auf den Umschlag getippt. Elena Klewer. Mehr nicht. Keine Adresse, keine Briefmarke. Vorsichtig öffnete sie ihn und zog einen Zettel hinaus, ebenfalls bestehend aus dem dicken, schweren Briefpapier. Dieser war auch mit der Schreibmaschine getippt worden. Eine Adresse und ein Datum mit Uhrzeit waren darauf zu lesen. Doch Elenas Blick wurde von dem letzten Wort angezogen und festgehalten. Die Karte war mit einem einzigen Wort unterschrieben: Rekkon.
Es war so unpersönlich und gleichzeitig war es genau das, was Elena von ihm erwartet hatte.
Die ganze Woche wartete sie nun ungeduldig auf den genannten Tag. Was würde sie am Wochenende erwarten? Inständig hoffte sie ihn endlich wiedersehen zu können. Und wenn es nur für einen kurzen Augenblick war, so würde es ihr doch vollkommen ausreichen. Als der Tag dann kam, war sie mit den Nerven völlig am Ende. Was sollte sie anziehen? Etwas lockeres? Etwas schickes? Gott, sie wusste ja nicht einmal wofür sie sich fertig machen sollte. Schlussendlich entschied sich Elena für einen galanten Hosenanzug. Nicht zu fein, aber trotzdem edel genug für die meisten Anlässe, die eine feinere Garderobe erforderten. Ihre Haare hatte sie hochgesteckt und besah sich nun im Spiegel. Elena befand, dass sie sehr gut aussah. So konnte sie sich sehen lassen.
Mit dem Taxi fuhr sie bei einbrechender Dunkelheit zu der angegebenen Adresse. Der Taxifahrer redete die ganze Zeit auf sie ein, doch Elena konnte sich einfach nicht konzentrieren. In Gedanken war sie bei ihm. Was würde der Abend bereithalten? Hoffentlich ein ähnlich erfreuliches Ende, wie bei ihrem letzten zusammentreffen.
Dann sagte der Fahrer, dass sie bei der Adresse angekommen seien.
„Sind Sie sich wirklich sicher Madame, dass Sie hier richtig sind?", fragte er dann etwas verunsichert. Elena blickte sich um. Sie befanden sich an einer großen Wiese, an der ein Schild ein Bauprojekt ankündigte. Die Adresse auf dem Schild stimmte mit der aus dem Brief überein.
„Äh ja, danke. Behalten Sie den Rest.", antworte Elena dem Fahrer und hielt ihm den Betrag hin, den das Taxameter anzeigte, plus einem großzügigen Trinkgeld. Sie stieg aus und das Taxi fuhr in die Nacht davon, nachdem der Fahrer ihr einen letzten verdutzten Blick zugeworfen hatte.
Jetzt stand sie völlig allein in der Dunkelheit. Ein mulmiges Gefühl machte sich in ihrer Magengegend breit. Leicht fröstelte sie. Es war kalt. Weil sonst nichts in der Nähe war, beäugte sie das Schild über das Bauprojekt etwas näher. Hier sollte in Zukunft ein Bürogebäudekomplex entstehen. Sie konnte sonst nichts interessantes entdecken.
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Tartaros
Mystery / ThrillerElena Klewer lernt den geheimnisvollen Damien Rekkon auf einer Party kennen. Wer ist dieser Mann, zu dem sie sich so hingezogen fühlt? Die Reporterin gerät in einen Strudel der Kriminalität und Gewalt. Eine Entscheidung zwischen Moral und Begierde s...